Toomas, der Shoppingroboter:Ein Blechtyp zum Verlieben

In einem Erfurter Baumarkt hat ein vollautomatischer Shopping-Assistent seinen Dienst aufgenommen - er zeigt den Kunden, wo der Hammer hängt.

Toomas rollt mit leisem Summen auf den Kunden zu, blinzelt freundlich und sagt: "Guten Tag! Treten Sie näher. Kann ich Ihnen bei der Orientierung im Baumarkt behilflich sein?"

Toomas Shoppingroboter Erfurt

Toomas, der Shoppingroboter: Diese Augen können nicht lügen.

(Foto: Foto: Arnu)

Der Körper des Kerlchens hat die Form einer Mensch-ärgere-Dich-nicht-Figur und die Farbe einer reifen Tomate. Um den Hals trägt der Blechtyp eine schwarze Fliege, auf seinem Bauch steht: "Suchst Du etwas? Ich kann helfen."

Hören kann Toomas den Kunden nicht, aber man kann über einen berührungsempfindlichen Bildschirm mit ihm kommunizieren. Einfach "Stechbeitel" eintippen - schon summt Toomas los und bittet höflich darum, ihm zu folgen. Geht man zu langsam, ermahnt er einen freundlich, aber bestimmt: "Bitte bleiben Sie dicht bei mir, ich kann Sie am besten sehen, wenn Sie einen Meter hinter mir sind."

Der Roboter umkurvt Info-Stände, biegt nach rechts in die Werkzeugabteilung ab, weicht entgegenkommenden Menschen aus und bleibt schließlich vor dem Regal stehen, in dem die Stechbeitel liegen. Auf dem Weg zurück in Richtung Kasse begegnet Toomas einer älteren Kundin, die den Kopf schüttelt und sagt: "Jetzt schaffen Sie die Menschen wohl bald ganz ab!"

Arbeitsplätze nicht gefährdet

Eine verständliche Reaktion, wenn man das Umfeld anschaut, in dem der weltweit erste Shoppingroboter gerade seinen Dienst angetreten hat.

Der Baumarkt, in dem Toomas seit ein paar Tagen arbeitet, liegt im Norden Erfurts, einem Gebiet mit vorwiegend älterer und größtenteils arbeitsloser Bevölkerung. Warum sollte ausgerechnet hier eine Maschine eine Arbeit übernehmen, die bisher Menschen gemacht haben?

Das Wort "Roboter" kommt aus dem Tschechischen und bedeutet schlicht "Arbeiter" - aber seit es die Idee gibt, dass Roboter dem Menschen lästige Arbeit abnehmen, gibt es auch die Angst, die Roboter könnten dem Menschen irgendwann auch alles andere abnehmen.

In Isaac Asimovs Geschichte "I, Robot" beginnt der Aufstand der Maschinen damit, dass ein intelligenter Roboter Selbstbewusstsein und Gefühle entwickelt. Davon ist Toomas weit entfernt. Er kann einen zwar nett ansprechen, sich erstaunlich viele Dinge merken und ganz klar zeigen, wo der Hammer hängt, aber hochintelligent ist er sicher nicht.

Das gibt sogar einer seiner geistigen Väter zu. "Eigentlich ist das ein dummes System", sagt Hans Böhme von der TU Ilmenau, der das Projekt leitet. Toomas macht genau das, was ihm seine Konstrukteure beigebracht haben, nicht mehr und nicht weniger.

Der erste alltagstaugliche Shoppingroboter wurde gemeinsam vom Fachgebiet Neuroinformatik und Kognitive Robotik der TU Ilmenau, der Roboter-Firma MetraLabs und der Baumarkt-Kette Toom entwickelt.

15 Verkäufer arbeiten im Erfurter Toom-Baumarkt, das Geschäft hat von 8 bis 20 Uhr geöffnet. "Unsere Mitarbeiter erleben den Roboter als unterstützende Kraft," sagt Marktleiter Sascha Spinnler, "eine Gefahr für die Arbeitsplätze sehe ich nicht," ergänzt er.

Über Preise weiß er alles - über praktische Dinge nichts

"Toomas soll die Baumarkt-Mitarbeiter ein Stück weit entlasten," sagt Johannes Trabert von der Roboterfirma MetraLabs. 90 Prozent der Fragen, die Kunden dem Verkaufspersonal stellen, sagt Marktleiter Spinnler, beginnen mit den Worten "Wo finde ich..." Auch die Frage, was ein Artikel kostet, beantwortet Toomas zuverlässig, man muss ihm nur den auf dem Produkt aufgedruckten Barcode unter den Scanner halten.

Eine Fachberatung kann er allerdings nicht bieten. Wie man ein Fenster einbaut, welche Zarge zu welcher Tür passt oder welche Wandfarbe für Allergiker geeignet ist, weiß der Roboter nicht. Wer will, kann per Videokonferenz auf dem Bildschirm des Blechkameraden mit einem echten Menschen über solche Sachen reden.

Waren die Verkäufer vielleicht so unfreundlich, dass der Baumarkt im Service zukünftig auf einen Höflichkeits-Automaten baut? Darum geht es bei dem Projekt nicht. 60000 Artikel hat der Baumarkt im Industriegebiet Erfurt-Nord vorrätig. Kein Mensch kann die unübersichtliche Produktpalette von A wie Akkuschrauber bis Z wie Zierteichwasserpumpe auswendig parat haben.

Toomas schon, in ihm verbirgt sich ein Computer, der den Plan aller Regale und die Standorte aller Artikel gespeichert hat - bis hin zur kleinsten Unterlegscheibe. Mit Hilfe von Sensoren und einer Kamera navigiert der Roboter durch den Markt und findet das Gesuchte. "Eine stupide Aufgabe, die ein Roboter gut erledigt," sagt Hans Böhme. Ändert sich der Standort eines Artikels oder kommen neue Produkte hinzu, muss ein Mensch dem Roboter die Daten eintrichtern.

Der künstliche Kollege kann zwölf Stunden durcharbeiten, braucht keine Zigarettenpause und ist mit etwas Strom leicht abzuspeisen. Wenn man die Anschaffungs- und Wartungskosten auf vier Jahre Betriebszeit umrechnet, kommt man auf einen Brutto-Stundenlohn von weniger als fünf Euro.

Für einen Arbeiter, der nie Urlaub nimmt, ist das nicht viel. Wenn Toomas die Testphase übersteht und von den Kunden gut angenommen wird, könnten seine Brüder in weiteren Baumärkten der Kette den Dienst aufnehmen. Hans Böhme fallen viele weitere mögliche Einsatzgebiete für Serviceroboter ein: "Lotse im Flughafen-Teminal, Guide in der Shopping-Mall, Servicekraft in Krankenhäusern und Behörden."

Ultraschallsensoren erkennen Hindernisse

Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Roboter stets gehorsam bleibt und keinen Menschen zu Brei fährt, auch nicht aus Versehen.

Auf Bodenhöhe befinden sich 24 Ultraschallsensoren und ein Laserscanner, die Hindernisse erkennen und Toomas die Navigation durch die Gänge des Ladens ermöglichen.

Mit den großen beweglichen Augen, die mit Lidern ausgestattet sind, kann Toomas nicht sehen, dafür ist eine winzige Kamera oben in den kugelförmigen Kopf eingebaut, sie hat ein Sichtfeld von 360 Grad.

Die Kulleraugen sind psychologisch wichtig, für die Kunden. Sie dienen nur dazu, die Maschine menschlicher erscheinen zu lassen und ihr die Kontaktaufnahme zu Humanoiden zu erleichtern. "Wir haben gemerkt, dass die Leute ihn eher akzeptieren, wenn er Augen und eine farbige Verkleidung hat", sagt Hans Böhme, der das Projekt seit fast zehn Jahren vorantreibt.

Am Toomas' erstem Arbeitstag ist weitgehend alles gut gegangen. Der Roboter ist brav durch die Gänge patrouilliert und hat Menschen klaglos zu Waschbeckenstöpseln, Winkelschleifern und Wandhaken geführt. Fast alle Kunden und Mitarbeiter seien positiv überrascht gewesen von dem Roboter, sagt Johannes Trabert.

Nur ein aggressiver Zeitgenosse zeigte sich dem Maschinenwesen gegenüber unleidig. Erst schickte er Toomas auf die Suche nach einem nicht existierenden Artikel, dann ging er auf den wehrlosen kleinen Metallburschen los und trat ihm bösartig gegen den Sockel - der erste dokumentierte Fall von Roboter-Diskriminierung.

Hans Böhme hat die roboterfeindliche Randale sofort gestoppt und schlimme Blechschäden verhindert. Gott sei Dank - denn der Roboter ist Böhme über die Jahre ein bisschen ans Herz gewachsen.

Manchmal redet er mit ihm wie mit einem Hund. "Ja, ja, ist ja gut!" sagt er in beruhigendem Ton, wenn Toomas sich mal wieder beschwert: "Wo sind Sie? Ich kann Sie nicht mehr sehen." Hans Böhme geht dann auf Toomas zu, tätschelt liebevoll den Touchscreen und murmelt: "Ich bin doch da."

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