Tom Hodgkinson:Arbeit tötet

Der Brite hat vor einigen Jahren seinen Job aufgegeben und wurde zum Selbstversorger. Von da an predigte er den Müßiggang. Doch nun wird er zum Kleinunternehmer - passt das denn überhaupt zu seiner Philosophie?

Von Christian Zaschke

Als Tom Hodgkinson 2013 zurück nach London zog, sagten seine Freunde: Du verrätst deine Werte. Jetzt verkaufst du dich. Hodgkinson hatte sich 2002 vom klassischen Erwerbsleben losgesagt und war mit seiner Lebensgefährtin Victoria Hull aufs Land gezogen, nach Devon. Die beiden gründeten eine Familie und lebten genügsam, weitgehend als Selbstversorger. Hodgkinson, der eine teure Privatschule besucht und in Cambridge studiert hat, hackte Holz, baute Gemüse an und las Vergil. Im Original. Als Angestellter zu arbeiten hält er für Sklaverei. Nach Geld zu streben für kleinlich und dumm. Hodgkinson glaubt, dass der Mensch zum Müßiggang geschaffen sei.

Mit dem Buch "How To Be Idle" (Anleitung zum Müßiggang) hatte er 2004 einen schönen Erfolg und stieg zu einer Art Idol unter jenen auf, die Nichtstun, Faulenzen und die Beschäftigung mit vermeintlich Abseitigem als wahren Sinn des Lebens begreifen. Das Buch wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und verkaufte sich besonders in Industrienationen sehr gut.

1993 hatte Hodgkinson mit einem Freund das Magazin The Idler (Der Müßiggänger) gegründet. Darin versammelt er bis heute kluge Essays, die das Hohelied eines Tuns singen, das nicht dem Streben nach Gewinn untergeordnet ist. Nach dem Erfolg des Buches reisten im Lauf der Jahre Reporter aus aller Welt nach Devon, um mit diesem archetypischen englischen Exzentriker zu sprechen. Er servierte Tee und bisweilen selbstgemachte Pizza. Hodgkinson wurde zum Medienphänomen. Die immer wieder gestellte Frage war: Hatte hier jemand den Schlüssel zum Glück gefunden? Den heiteren Ausstieg aus der Tretmühle, die das moderne Leben als Angestellte für so viele Menschen im reichen Europa bedeutet?

Dass er 2013 zurück nach London zog, wurde so argwöhnisch beobachtet, dass Hodgkinson sich in einer Reihe von Artikeln erklärte: Es beginne nun die dritte Phase seines Lebens. Nach der hedonistischen Phase in seinen Zwanzigern sei er dann, von Epikur inspiriert, in die zweite Phase des Kinderkriegens, Gemüseanbaus und Hühnerhaltens eingetreten. Seine dritte Phase nennt er "aristotelisch", er sei nun Kleinunternehmer.

Als Unternehmer handelt Hodgkinson weiterhin mit Müßiggang. 2011 gründete er die "Idler Academy", einen Buchladen mit Café im hübschen Londoner Stadtteil Notting Hill. Die Academy bietet neben ausgesuchten Büchern und Kaffee auch Kurse aller Art an, Ukulelespielen, Stickarbeiten, englische Grammatik, Mosaiklegen, schöner mit der Hand schreiben. Zudem gibt es Vorträge und Gespräche. Im Februar kommt zum Beispiel der Schauspieler Dominic West, bekannt unter anderem aus der Serie "The Wire", um mit Hodgkinson ein wenig über das Leben zu plaudern. Eintritt: 30 Pfund.

Nicht zuletzt gibt es Kurse für Existenzgründer, denn ein wichtiger Aspekt eines erfüllten Lebens ist für Hodgkinson, dass man sein Geld mit selbstbestimmter Arbeit verdient. Er predigt den Konsumverzicht und lehnt die Anhäufung von Tand ab. Dass er in seinem Laden dennoch Idler-Merchandising verkauft, Becher zum Beispiel und T-Shirts mit dem Aufdruck "Work Kills", "Arbeit tötet", ist nur einer der unauflöslichen Widersprüche zwischen Theorie und Praxis im Leben des ebenso geschäftstüchtigen wie offenbar glücklichen Mr. Hodgkinson.

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