Todesstoß:BenQ schickt Ex-Siemens-Handysparte in die Insolvenz

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Um die Arbeitsplätze der deutschen Handy-Produktion bei BenQ ist schon gekämpft worden, als der der Bereich noch zu Siemens gehörte. Nun hat alles nichts geholfen: Der taiwanesische Konzern will für seine deutsche Sparte Insolvenz anmelden.

Exakt ein Jahr nach der offiziellen Übernahme der Handysparte von Siemens hat der taiwanische Konzern BenQ der Produktion in Deutschland den Todesstoß versetzt.

Handys der Marke BenQ-Siemens (Foto: Foto:)

Unmittelbar vor Ablauf der Beschäftigungsgarantie für die rund 3.000 Mitarbeiter erklärte die Konzernmutter am Donnerstag überraschend, keinerlei Finanzhilfen mehr an die defizitäre Tochter zu überweisen.

"Wir werden schon in den nächsten Tagen beim Amtsgericht München einen Insolvenzantrag stellen", erklärte BenQ-Mobile-Sprecher Stefan Müller auf einer kurzfristig in München einberufenen Pressekonferenz.

Produktion künftig ausschließlich in Asien

Die Produktion und Entwicklung von Handys der Marke BenQ-Siemens soll künftig ausschließlich in Asien erfolgen, erklärte die Konzernmutter in Taiwan. Ein Grund dafür sei vor allem die in Deutschland enttäuschende Umsatz- und Margenentwicklung des von Siemens übernommenen Handygeschäfts.

"Wir sind deutlich hinter den uns ursprünglich uns selbst gesetzten Zahlen", räumte auch der Strategiechef von BenQ-Deutschland, Marco Stülpner, ein.

Besonders der Auftragseingang für die kommenden Monate sei enttäuschend. "Die Entwicklungen im Weihnachtsgeschäft waren wohl mit ein entscheidender Auslöser für die Entscheidung." BenQ hatte hier zu Lande seit der Siemens-Übernahme laufend an Marktanteilen verloren.

3000 Stellen vor dem möglichen Aus

Am Unternehmenssitz in München stehen nun bis zu 1.400 Arbeitsplätze vor dem möglichen Aus, in den Werken Kamp-Lintfort und Bocholt in Nordrhein-Westfalen weitere 1.600 Stellen.

Siemens hatte bei der Übernahme des Milliardenverlust schreibenden Handy-Geschäft von BenQ noch zusätzlich eine Mitgift von 250 Millionen Euro gezahlt. Die im Juni 2005 bekannt gegebene Abspaltung der verlustträchtigen Handysparte war eine der ersten Amtshandlungen des neuen Siemenschefs Klaus Kleinfeld.

Bei der Übernahme hatte BenQ zugesichert, die rund 3.000 Arbeitsplätze in Deutschland vorerst zu erhalten, und auch die von Siemens gegebene Standortgarantie für das nordrhein-westfälische Werk Kamp-Lintfort bis 2006 übernommen.

Versprechen erfüllt sich nicht

"Wir werden auch noch in fünf Jahren in Deutschland Handys herstellen", hatte BenQ-Vizepräsident Jerry Wang sogar vor einem Jahr zum offiziellen Start den Mitarbeitern des neuen Tochterunternehmens versprochen.

Was nun aus den deutschen Beschäftigten werden soll, weiß die deutsche Unternehmensleitung noch nicht. "Es ist wichtig, dass wir versuchen werden, dass laufende Geschäft aufrecht zu erhalten", sagte Stülpner. "Ich glaube, dass sind wir unseren Mitarbeitern schuldig."

Die IG Metall reagierte empört auf das drohende Aus für die deutschen Arbeitsplätze: "Die bevorstehende Insolvenz von BenQ ist Folge des eklatanten Versagens des Managements", erklärte Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer.

Der Gewerkschafter übte harte Kritik am Siemens-Management um Konzernchef Kleinfeld: "Damit ist zum wiederholten Mal traurig bewiesen, dass die Probleme in einzelnen Teilen von Siemens nicht an den angeblich zu hohen Gehältern der Beschäftigten, sondern an der Unfähigkeit des Managements liegen."

"Siemens in der moralischen Verantwortung"

Neugebauer forderte den Konzern zum Eingreifen auf: "Siemens ist und bleibt jetzt in der moralischen Verantwortung!" Der Gewerkschafter erklärte, der Vorgang bestätige Kritiker von damals, dass sich Siemens nach eigenem Missmanagement nicht nur der Sparte entledigt habe, sondern vor allem auch der Verantwortung für seine Beschäftigten.

Siemens selbst äußerte sich nur in knappen Worten zu dem überraschenden Aus seiner Ex-Sparte: "Wir bedauern das sehr", teilte eine Sprecherin mit.

In Taipeh erklärte BenQ-Chef K.Y. Lee, sein Konzern habe mit dem Schritt, der deutschen Tochter den Geldhahn abzudrehen, unaufhörliche Verluste eindämmen müssen.

Eine "Unmenge Kapital und Ressourcen"

Seit der Übernahme sei eine "Unmenge Kapital und Ressourcen" in die deutsche Tochter gesteckt worden. "Trotz der Fortschritte bei Kostensenkungen und auf der Ausgabenseite haben ausweitende Verluste diese schmerzhafte Entscheidung unausweichlich gemacht", betonte Lee.

BenQ werde die Produktion und Entwicklung seiner Handys künftig auf Asien beschränken.

Der taiwanische Konzern hat das Recht, den Markennamen Siemens noch fünf Jahre lang benutzen zu dürfen. Allerdings begannen das Unternehmen schon vor einem Jahr den deutschen Namen schrittweise durch das eigene Logo zu ersetzen.

Aus Acer ausgegliedert

BenQ wurde 1984 gegründet und 2001 aus dem Computerkonzern Acer ausgegliedert. Nachdem der Konzern zunächst im Auftrag anderer Unternehmen als Zulieferer Handys, Scanner, Digitalkameras oder Laptops herstellte, setzt BenQ seit jüngerer Zeit verstärkt auf eigene Markenprodukte.

Das weltweit rund 18.000 Mitarbeiter zählende Unternehmen produziert dabei hauptsächlich in China, Taiwan, Malaysia und Mexiko.

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