Tod von Haribo-Chef Hans Riegel:Der alte Mann und der Bär

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Haribo-Chef Hans Riegel und sein wichtigstes Produkt: der Goldbär (2009 vor dem Werk in Bonn)

(Foto: Hans Riegel und der Goldbär)

Mit dem "Goldbären"-Geheimrezept machte Hans Riegel aus der Bonbonkocherei seines Vaters den größten Fruchtgummi-Konzern Europas. Für neue Produkte ließ er sich von Micky-Maus-Heften und der Playstation inspirieren. Um alles hat Riegel sich bis zu seinem Tod persönlich gekümmert - nur nicht um einen Nachfolger.

Von Stefan Weber

Montagmorgens, so erzählen seine Mitarbeiter, sei Hans Riegel immer besonders aufgeräumt ins Büro gekommen. Dann habe er nur so gesprüht vor Tatendrang. Samstags und sonntags hatte der Chef stets viel Zeit, um über neue Produkte nachzudenken. Über Fruchtgummigestalten oder Schaumzuckerfiguren zum Beispiel. Um zu wissen, was bei Kindern angesagt ist, griff Riegel gern zu Micky Maus-Heften, spielte Playstation oder zappte im Kinderkanal. "Da kommen mir die besten Ideen", bekannte er.

Hans Riegel, 90, der am Dienstag an einem Herzversagen verstorbene Chef des Bonner Süßwarenherstellers Haribo, hielt sich für unabkömmlich in der Firma. Kaum ein wichtiger Brief, der nicht über seinen Schreibtisch ging. Keine größere Entscheidung, zu der er nicht persönlich gefragt werden wollte. Einen Nachfolger aufbauen? Die Verantwortung in jüngere Hände geben? Bei diesen Fragen ist der kinderlose Riegel stets einsilbig geworden.

Erfolgsgeschichte einer Bonbonkocherei

"Ich kann einfach nicht aufhören, weil mein Leben dann keinen Sinn mehr hätte." So ehrlich hat er es einmal in seinem rheinischen Dialekt formuliert. Warum auch loslassen, hatte er sich gefragt. Wo er doch fast bis zuletzt immer so fit gewesen war. Sogar seinen Hubschrauber, mit dem er zwischen dem Firmensitz und der Privatwohnung in Österreich pendelte, steuerte er bis hoch in den Achtzigern selbst. Vor allem aber: Es läuft doch gut bei Haribo, betonte er stets. Warum also etwas ändern?

Tatsächlich ist Haribo (die Kurzform von Hans Riegel Bonn) eine der großen wirtschaftlichen Erfolgsgeschichten aus dem Nachkriegsdeutschland. Gegründet von Hans Riegels Vater Hans als kleine Bonbonkocherei in einem Bonner Hinterhof, ist das Unternehmen heute Europas größter Hersteller von Fruchtgummi und Lakritz.

Mit einem Umsatz von mehr als 1,8 Milliarden Euro, über 6000 Mitarbeitern weltweit und einem Bekanntheitsgrad, von dem Konzerne wie Nestlé oder Unilever nur träumen. "Haribo macht Kinder froh" - mit diesem Spruch hatte Hans Riegel senior schon in den dreißiger Jahren geworben. Sein Sohn reanimierte den Slogan 1962 und ergänzte ihn: . . .und Erwachsene ebenso". Soviel Kontinuität beim Marketing ist selten.

Wunderwaffe "Goldbären"-Rezept

Hans Riegel junior musste früh Verantwortung übernehmen. Als er 1946 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam, war sein Vater gestorben. Zusammen mit dem vier Jahre jüngeren Bruder Paul übernahm er die kleine darbende Süßwarenfirma. Aber sie besaßen eine Wunderwaffe: das Rezept für den "Goldbären". Ein Tier aus Fruchtgummi, dem schon Schauspieler Heinz Rühmann und Schriftsteller Erich Kästner verfallen gewesen sein sollen. Konrad Adenauer soll es in seiner Schublade versteckt gehalten haben, und Keith Haring machte den Goldbären später sogar zur Kunst.

Rund um ihren Produkt-Star formten die Riegel-Brüder ein riesiges Sortiment. Zum Beispiel die berühmte Lakritzschnecke, die Haribo-Mitarbeiter lange Zeit mit der Hand aufrollten. Bis der Tüftler Paul eine Maschine erfand, die diese Arbeit erledigte. Die Familienfirma eilte von Erfolg zu Erfolg. Und das stets ohne Bankschulden. Die Aufgaben war dabei klar geteilt: Paul war für die Produktion zuständig, Hans kümmerte sich ums Marketing.

Und um alles andere - nur nicht um den Aufbau eines Nachfolgers. Zwar erklärte er seinen Neffen und Patensohn 2004 zum Erben. Aber dann hielt er ihn solange hin, dass dieser absprang. Auch als Paul 2009 starb, war das für den Herrn der Gummibären kein Grund, seine Nachfolge zu regeln. Sein hälftiger Anteil an der Firma geht in eine Privatstiftung. Die andere Hälfte gehört den vier Kindern des Bruders.

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