Tierleasing:Kühe wie bestellt

Tierleasing: Erst eine glückliche Kuh auf der Weide und dann glückliche Verbraucher, weil sie wissen, woher das Fleisch auf ihrem Teller kommt.

Erst eine glückliche Kuh auf der Weide und dann glückliche Verbraucher, weil sie wissen, woher das Fleisch auf ihrem Teller kommt.

(Foto: Robert Haas)

Der Käufer will wissen, woher sein Essen kommt. Der Landwirt will seinen Lebensunterhalt verdienen. Wie sich beide Wünsche erfüllen lassen.

Von Pauline Schinkels

Anton Daponts Stall ist ausverkauft. 40 Turopolje-Ferkel und vier Aubrac-Kälber hat der Bio-Landwirt vermietet. Rinder- und Schweineleasing nennt Dapont das Angebot, das er auf seiner Internetseite bewirbt. Der Kunde kauft ein Ferkel oder Rind und der 55-jährige Bauer zieht es für ihn auf. 130 Euro kostet beispielsweise das Ferkel, anschließend zahlt der Käufer pro Monat 35 Euro Futtergeld. Wenn das Schwein ungefähr ein Jahr alt ist, bringt der Bauer es zum Schlachter. Dann können seine Kunden das Fleisch beim Metzger abholen, ob als Kotelett, in Scheiben oder ganz anders, ist ihnen überlassen.

Der Vorteil beim Leasen: Dem Landwirt bietet es ein festes Einkommen, schließlich zahlt der Kunde einen Teil bereits bevor das Schwein offiziell in irgendeiner Wursttheke ausliegt. So sichert Dapont seine Nachfrage, bevor das eigentliche Angebot da ist.

Was heute als Tierleasing vermarktet wird, ist eine moderne Form der Lohnmast. Der Name zieht, mit dem Leasen trifft Dapont einen Nerv. Denn auf dem niederbayerischen Hof in Egglham können sich seine Kunden jederzeit über die Haltung der Tiere informieren. Das kommt an, nach diversen Lebensmittelskandalen suchen immer mehr Käufer wieder den direkten Weg zum Landwirt. Sei es am Marktstand, im Hofladen oder - sofort im Stall.

Dapont versichert: "Anhand der Ohrmarke lässt sich jedes Ferkel seinem Besitzer zuordnen." Das bekommen seine Kunden auch noch einmal schriftlich in Form eines Kaufvertrags. Stirbt das Schwein oder erkrankt es, haben sie Anspruch auf Ersatz. Zusätzlich zum Vertrag schickt der 55-Jährige ein Foto mit. "Hier können sich die Tiere im Schlamm suhlen und erhalten kein Fertigfutter, sondern Gras, gedämpfte Kartoffeln und Fallobst", verspricht Dapont. Die pfiffige Marketingstrategie entstand 2011. Der Grund: Zum Hof gehören nur rund 20 Hektar Land. "Als kleiner Bio-Bauer kann man nur in einer Nische überleben", erklärt Dapont. Mit dem Leasen wirtschaftet er vorbei an den großen Lebensmitteldiscountern, wo in den Kühltheken mittlerweile massenhaft Bio-Fleisch ausliegt.

Der Komiker Otto Walkes ist Pate einer Weinrebe

Dem Kunden Transparenz und dem Bauern ein festes Einkommen bieten, so funktioniert auch das zunehmend populärere Modell der solidarischen Landwirtschaft. Auf lokaler Ebene gründen ein Landwirt und eine Gruppe von Verbrauchern eine Art Partnerschaft. Jedes Mitglied zahlt monatlich einen Beitrag an den Bauern, je nach Einkommen. Zwischen 40 und 180 Euro kann so eine Beteiligung kosten. Der Landwirt wiederum beliefert seine Kunden mit Naturalien. Anders als bei Dapont trägt hier die Gemeinschaft die Risiken eines Ernteausfalls.

Das Modell findet Zulauf - seit 2011 etablieren sich immer mehr Höfe und Initiativen. "Das reine Bio-Label reicht einigen Verbrauchern nicht mehr aus", erklärt Birgit Blättel-Mink, Professorin für Industrie- und Organisationssoziologie an der Goethe-Universität Frankfurt. Seitdem Bio in den Lebensmitteldiscountern angekommen ist, sei die Qualität nicht mehr eindeutig. Ein weiterer Aspekt: Wer es sich nicht leisten kann, der zahlt in vielen der solidarischen Gemeinschaften einen niedrigeren Beitrag.

Es geht aber nicht nur um die Verbundenheit innerhalb der Gruppe, sondern auch um die Solidarität mit dem Bauern. Erst vergangenen Monat demonstrierten Tausende Milchbauern in Brüssel, die mit ihren Traktoren hupend durch die belgische Hauptstadt rollten. Wegen des stark gefallenen Milchpreises kämpfen viele um ihre Existenz. "Entweder der Landwirt beutet sich aus oder die Natur. Das Modell der solidarischen Landwirtschaft bietet eine Alternative", erklärt Blättel-Mink.

Ein Beispiel für die neuen Soli-Gemeinschaften ist der Kattendorfer Hof, 40 Kilometer nördlich von Hamburg. Auf dem 240 Hektar großen Hof gibt es Kühe, Schweine und Ziegen, eine Hofkäserei und eine Gärtnerei. Mehr als 30 Leute arbeiten auf dem Hof, sie versorgen circa tausend Menschen. Damit zählt der Demeter zertifizierte Hof europaweit zu den größten Soli-Projekten. Der Monatsbeitrag für einen Ernteanteil liegt hier bei circa 178 Euro, im Schnitt gibt der Hof 360 Anteile aus, die sich aber oft mehrere Personen teilen.

Insgesamt gibt es in Deutschland mittlerweile 88 solcher Betriebe. "Interessierten raten wir auf jeden Fall, sich vorher mal umzuschauen und zu vergleichen, was es an Varianten gibt", erklärt Stephanie Wild vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft, die auf ihrer Internetseite Höfe und Initiativen listet. Der Kattendorfer Hof bietet auch noch etwas ganz anderes an- sogenannte Kuh-Aktien. Das sind Genussscheine, die gesetzlich nicht reguliert werden. Eine Kuh-Aktie kostet 500 Euro, am Ende bekommt der Käufer entweder eine Dividende von 2,5 Prozent oder fünf Prozent in Naturalien ausgezahlt.

Neben Leasen, Aktien und gemeinsam Teilen gibt es noch die sogenannten Patenschaften. Komiker Otto Waalkes wurde beispielsweise kürzlich Wein-Pate. Der 67-Jährige übernahm die Patenschaft für eine Weinrebe in Mainz. Die Patenschaften gibt es aber auch für Obst- und Streuwiesen und Schafe.

"Bei den Patenschaften wird das Tier in der Regel nicht getötet", erklärt Landwirt Dapont. Anders sieht es da bei ihm aus. Bei Vertragsabschluss verpflichtet der Käufer sich, dass das Tier irgendwann zum Schlachthof gebracht wird. Die Schlachtkosten übernimmt der Kunde, addiert man den Kaufpreis, Futtergeld und Schlachtkosten kommt man auf 560 bis 580 Euro, der Kilopreis für das Fleisch liegt dann zwischen elf und zwölf Euro. Leasing ist das, was Dapont betreibt, rechtlich streng gesehen aber nicht. Das tut dem Erfolg aber keinen Abbruch: 70 Ferkel sind bei ihm schon im Voraus angefragt.

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