Tierhaltung:Weniger Antibiotika

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Der Stoff, den sie liefern, hält in Europa die Ferkelproduktion am Laufen. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Der Verbrauch für Tiere sinkt, Entwarnung geben die Behörden aber nicht: Noch werden zu viele Mittel eingesetzt, die auch in der Humanmedizin wichtig sind.

Von Silvia Liebrich

Berlin Der Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung ist hoch umstritten. Auch weil die Medikamente in Fällen eingesetzt werden, in denen das nicht notwendig wäre. Wenn etwa ein Huhn oder Schwein in einer Herde Krankheitsanzeichen zeigt, kann das Grund genug sein, auch alle andere Tiere im Stall zu behandeln. Selbst in der Milchviehhaltung werden die Mittel zunehmend eingesetzt. SZ-Recherchen zeigen, dass zwei Prozent aller deutschen Kühe das Mittel Kexxtone mit dem Antibiotikum Monensin bekamen, obwohl sie gesund waren.

Die Politik hat dieses Problem erkannt und versucht den Verbrauch zu senken. Nun zeigen die Maßnahmen erste Erfolge. Demnach wurden 2014 in der Tiermedizin 15 Prozent weniger Antibiotika abgegeben als im Vorjahr, wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mitteilt. Im Vergleich zur ersten Erfassung im Jahr 2011 sank die Abgabe derartiger Wirkstoffe sogar um 27 Prozent. Pharmazeutische Unternehmen und Großhändler lieferten den Angaben zufolge im vergangenen Jahr insgesamt 1238 Tonnen Antibiotika an Tierärzte in Deutschland. An der Spitze hätten wie in den vergangenen Jahren Penicilline mit etwa 450 Tonnen gelegen, hieß es.

Entwarnung gibt die Behörde trotzdem nicht. Ein großes Problem bleibt, dass bei den Antibiotika kein Rückgang festzustellen ist, die auch bei der Behandlung von Menschen eine wichtige Rolle spielen. Darin liegt nach Ansicht von Experten ein großes Risiko. Bei vielen Menschen wirken bestimmte Sorten von Antibiotika nicht mehr, weil sich resistente Keime gebildet haben. Schätzungen zufolge sterben allein auch in Deutschland jährlich etwa 15 000 Menschen, weil die Medikamente nicht mehr anschlagen. Resistente Erreger können sich unter anderem in Ställen gut entwickeln, in denen Antibiotika häufig eingesetzt werden.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor enormen Risiken. Antibiotika-Resistenzen seien inzwischen weltweit so verbreitet, dass selbst gewöhnliche Infektionen wieder tödlich enden können. Deshalb fordert die WHO neben anderen Organisationen, dass es Reserveantibiotika geben muss, die keinesfalls in der Tierhaltung eingesetzt werden dürfen.

Der Deutschen Bauernverband lehnt das jedoch ab. Ein restriktiver Einsatz von Reserveantibiotika müsse weiterhin nach sorgfältiger Abwägung und in Einzelfällen möglich bleiben, heißt es dort. Der Bauernverband wertet die nun vorgelegten Verbrauchszahlen als deutlichen Fortschritt. "Damit sind Erfolge bei der Verringerung und Optimierung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung sichtbar", heißt es.

Die Bundesregierung versucht den unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika in Human- und Tiermedizin einzudämmen. Seit 2012 gibt es das sogenannte Antibiotika-Monitoring: Tierärzte müssen den Behörden melden, an wen und wie viel dieser Medikamente sie abgeben. Seit 2014 müssen auch Tierhalter den Einsatz melden. Doch das klappt nicht immer.

Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung haben im Frühjahr ergeben, dass Tausende Landwirte bis dahin keine Angaben über ihren Antibiotika-Einsatz gemacht hatten.

© SZ vom 04.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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