Thyssenkrupp:Das Ende einer Tradition

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Der Stahlkonzern hat sich vor der geplanten Fusion mit dem indischen Tata-Konzern mit seinen Mitarbeitern geeinigt: Ein großer Schritt, aber nicht der letzte.

Von Caspar Busse und Valentin Dornis, Düsseldorf/München

Es war eine lange Liste mit Namen, die Armin Laschet am Freitag in der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei vorlas. Mit ihnen allen habe er in den vergangenen Wochen gesprochen, sagte der CDU-Ministerpräsident, und wollte damit zeigen, wie eifrig er für die Zukunft der Stahlwerke von Thyssenkrupp gekämpft hatte. Denn die Gewerkschaften, die Opposition und der Thyssenkrupp-Betriebsrat hatten Laschet und seiner schwarz-gelben Landesregierung das Gegenteil vorgeworfen.

"Die Regierung hat uns im Regen stehen lassen", sagte etwa der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Tekin Nasikkol. Immerhin: Nach hartem Kampf gibt es nun eine Einigung zwischen dem Vorstand von Thyssenkrupp und den Arbeitnehmervertretern. Das Unternehmen macht sehr weitreichende Zusagen und will so endlich den Weg zum gemeinsamen Stahl-Unternehmen mit dem indischen Tata-Konzern freimachen - mit 15 Milliarden Euro Umsatz und 48 000 Mitarbeitern in Europa die Nummer zwei hinter Arcelor-Mittal.

Schon seit Jahren müht sich Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger um die Zukunft des Stahlgeschäfts. Er kam 2011 als Vorstandschef und will sich auf Technologiegeschäfte konzentrieren. Das traditionelle Stahlgeschäft, mit dem schon die Vorgängerfirmen Thyssen, Krupp und Hoesch groß, erfolgreich und weltbekannt wurden, wird nun ausgegliedert und möglicherweise irgendwann aufgegeben. Damit verändert sich Thyssenkrupp grundlegend, weg vom Traditionsgeschäft, hin zu Bereichen wie Autozulieferung, Aufzüge und Maschinenbau. Nur wenige Konzerne schaffen eine solche Transformation.

Die Mitarbeiter müssen jetzt noch abstimmen, die IG Metall empfiehlt ein Ja

Bei Thyssenkrupp sieht die Lösung jetzt so aus: Das Unternehmen gibt in Deutschland eine Beschäftigungs- und Standortgarantie bis zum 30. September 2026, die Standorte Bochum, Eichen und Hüttenheim sind nur bis 2021 gesichert und sollen vorher auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Thyssenkrupp verpflichtet sich, nach Gründung der Gemeinschaftsfirma mindestens sechs Jahre lang an der neuen Firma beteiligt zu sein. Zu Beginn soll je die Hälfte den beiden Partnern Thyssenkrupp und Tata gehören.

Die einzige Möglichkeit, diese Eigentümerverhältnisse innerhalb der Frist zu ändern, sei ein Börsengang, sagte Personalvorstand Oliver Burkhard am Freitag. Andere Möglichkeiten, zum Beispiel ein Verkauf, seien nicht vereinbart. Im Fall eines Börsenganges müssten Tata und Thyssenkrupp außerdem bis zum Ablauf der Sechsjahresfrist zusammen mindestens 50,1 Prozent der Anteile halten, jeweils zu gleichen Teilen. "Neun Jahre keine Kündigungen, neun Jahre keine Standortschließungen. Das hat es auch im Stahl so nie gegeben", sagte Detlef Wetzel, der für die IG Metall im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel Europe sitzt. Er habe die Fusion nie gewollt, aber die Mitarbeiter müssten geschützt werden.

Diese müssen nun im Januar noch über den Tarifvertrag abstimmen, die IG Metall empfahl ihren Mitgliedern aber bereits die Zustimmung. Ein Unsicherheitsfaktor sind derzeit eher zwei unabhängige Gutachten, die noch in Arbeit sind. In diesen werden zum einen die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Pläne überprüft und zum anderen die Pensionsverpflichtungen von Tata in Großbritannien untersucht. Das Ergebnis dieser Gutachten sei eine "auflösende Bedingung", sagte Personalvorstand Burkhard. Sollten sie also negativ ausfallen, werde es im Aufsichtsrat wohl keine Zustimmung zum Zusammenschluss geben. Ähnlich äußerte sich auch die IG Metall. Der Konzern hält an seinem Zeitplan fest, das Joint Venture bis Ende 2018 durchzubringen, inklusive der Lösung aller kartellrechtlichen Fragen.

So zufrieden die Arbeitnehmervertreter mit dem Verhandlungsergebnis und so weitreichend die Zusagen sind, einige zentrale Forderungen konnten sie nicht durchsetzen. Der Sitz des neuen Stahlunternehmens soll weiter in den Niederlanden liegen. Die Arbeitnehmer behalten zwar ihr Montanmitbestimmungsrecht in Deutschland, in den Niederlanden sollen sie aber nur über ein Beratergremium in die Entscheidungen des neuen Unternehmens eingebunden werden. "An der Stelle hat sich die Landesregierung zu passiv verhalten, uns nicht unterstützt", kritisierte Betriebsrat Tekin Nasikkol. Ein Großteil der 28 000 betroffenen Beschäftigten bei Thyssenkrupp lebt und arbeitet in NRW. Sie haben, trotz aller offenen Punkte, nun erst einmal neun Jahre Sicherheit. Das sei ein großer Erfolg, betonte CDU-Mann Laschet, der "auch dem Einsatz der Betriebsräte und der IG Metall zu verdanken ist".

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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