Thyssen-Krupp-Stiftung:Ende einer Ära

Jahresrückblick 2013 - ThyssenKrupp

Historischer Einschnitt: Nach der Kapitalerhöhung verliert die Krupp-Stiftung ihre Sperrminorität.

(Foto: dpa)

Jahrzehntelang bestimmte die Krupp-Stiftung die Geschicke des größten deutschen Stahlkonzerns. Durch die Kapitalerhöhung verliert sie nicht nur an Einfluss sondern auch einen Teil ihrer bisherigen Schutzfunktion - etwa gegen feindliche Übernahmen.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf

Wenn Berthold Beitz in seinem Leben schwierige Entscheidungen zu treffen hatte, stellte sich der langjährige Chef der Krupp-Stiftung die Frage: "Was hätte Alfried Krupp an meiner Stelle getan?" Beitz starb in diesem Sommer. Wer von seiner Nachfolgerin, Ursula Gather, wissen will, ob sie sich nun die Frage stelle, was Beitz an ihrer Stelle gemacht hätte, dann antwortet die Mathematikprofessorin: "Wir werden uns ab und zu auch fragen, was hätte Herr Beitz getan?" Im Zusammenhang mit der lang diskutierten Kapitalerhöhung bei Thyssen-Krupp wird ihr die Antwort nicht allzu schwer gefallen sein. Beitz hatte kurz vor seinem Tod die Richtung vorgegeben: Die Stiftung werde einer Kapitalerhöhung nicht im Wege stehen - auch wenn dadurch ihr Anteil am Konzern unter 25 Prozent sinke.

Am Dienstag war es soweit. Der angeschlagene Ruhrkonzern besorgte sich frische Mittel am Kapitalmarkt und erlöste brutto 882 Millionen Euro. Da die Stiftung nicht mitzog, sank ihr Anteil einer Sprecherin zufolge auf 22,99 Prozent. Ein historischer Einschnitt: Die Stiftung verliert ihre Sperrminorität und damit einen Teil ihrer bisherigen Schutzfunktion etwa gegen feindliche Übernahmen.

Eine Zerschlagung des Konzerns wäre nun leichter umzusetzen

Fürs Erste sind die Auswirkungen in der Praxis aber gering. Denn die drei Entsandten der Stiftung, die im Thyssen-Krupp-Aufsichtsrat sitzen, sollen dort bis zum Ende ihrer Vertragslaufzeit bleiben. Der Beitz-Vertraute Ralf Nentwig würde damit nach Angaben aus dem Konzernumfeld erst 2015 ausscheiden. Bei Ex-Henkel-Finanzchef Lothar Steinebach und Lufthansa-Vorstand Carsten Spohr laufen die Verträge sogar noch bis 2018.

Im 20-köpfigen Thyssen-Krupp-Aufsichtsrat haben die drei Entsandten also zunächst weiterhin großen Einfluss. Und auch auf Hauptversammlungen bleibt die Stiftung bei einer angenommenen Präsenz um die 60 Prozent ein gewichtiger Faktor. Über kurz oder lang aber könnte das Kräftegleichgewicht dennoch kippen, etwa wenn andere Großinvestoren ihr Engagement ausbauen. Eine Zerschlagung des Konzerns wäre dadurch leichter umzusetzen.

Bislang gibt es neben der Krupp-Stiftung einen weiteren Großaktionär: den schwedischen Finanzinvestor Cevian. Vor der Kapitalerhöhung hatten die Schweden schon angekündigt, ihren Anteil an Thyssen-Krupp aufzustocken - nach Berichten der Nachrichtenagentur Reuters ist der nun von 6,1 auf über zehn Prozent gestiegen. Cevian wollte sich dazu am Dienstag nicht äußern. In der Regel strebt Cevian auch einen Sitz im Aufsichtsrat an.

Kurseinbruch nach Kapitalerhöhung

Zwei Drittel der Investoren, die jetzt neue Aktien kauften, hätten einen Anlagehorizont von mindestens drei bis fünf Jahren, heißt es im Unternehmensumfeld. Zudem gebe es eine Verschiebung im Aktionärskreis hin zu einem höheren Anteil von Anlegern aus den USA. Der Platzierungspreis lag mit 17,15 Euro je Aktie am oberen Ende der Preisspanne und nur um 2,75 Prozent unter dem Schlusskurs des Vortages. Allerdings war der Kurs am Montag auch um mehr als acht Prozent eingebrochen.

Die Emission war den Angaben zufolge dreifach überzeichnet und stärkt die Bilanz des angeschlagenen Traditionskonzerns. So sanken die Schulden im Verhältnis zum Eigenkapital (Gearing) auf 125 Prozent. Die zuletzt auf 7,1 Prozent abgerutschte Eigenkapitalquote erholte sich leicht auf 9,4 Prozent. Wie aus dem Unternehmensumfeld weiter verlautete, hält sich Finanzvorstand Guido Kerkhoff offen, in den nächsten Monaten auch noch eine Anleihe aufzulegen, um frisches Kapital einzusammeln. Die Kapitalerhöhung war lange vorbereitet worden und musste nach den jüngsten Negativ-Meldungen zügig umgesetzt werden. Insbesondere die teilweise Rückabwicklung des Edelstahl-Verkaufs hatte den Kapitalmarkt überrascht.

Die neue Stiftungschefin Gather wollte sich am Dienstag nicht äußern. Worin sie aber die Rolle der Stiftung sieht, hatte sie kürzlich deutlich gemacht: "Eines unserer wichtigsten Anliegen ist, eine verlässliche Aktionärin zu sein. Wir spekulieren ja nicht mit Aktien."

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