Thyssen-Krupp:Ende einer Zweckgemeinschaft

Lange regierten sie gemeinsam Thyssen-Krupp. Doch jetzt will Oberaufseher Gerhard Cromme Ex-Chef Ekkehard Schulz offenbar loswerden.

Karl-Heinz Büschemann

Ruhm kann schnell vergehen. Diese Erfahrung macht gerade Ekkehard Schulz. Noch Anfang dieses Jahres konnte er glauben, im Himmel des Ruhrreviers einen ewigen Ehrenplatz zu bekommen. Auf der Hauptversammlung im Januar 2011 wurde der inzwischen 70-Jährige im Januar unter großem Applaus der Aktionäre in den Ruhestand verabschiedet. Der Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme überschüttete den scheidenden Chef mit Lob und Liebenswürdigkeiten. "Sie haben alles erreicht, was in der Wirtschaft möglich ist", rief er Schulz zu. Zum Dank bekam Schulz sofort einen Sitz im Aufsichtsrat des Stahl- und Maschinenbaukonzerns. Eigentlich ist das verboten. Aber die Krupp-Stiftung, die 25,1 Prozent der Thyssen-Krupp-Aktien hält, sorgte mit ihrem Stimmpaket dafür, dass Schulz ins Kontrollgremium rücken konnte ohne die vorgeschriebenen zwei Jahre warten zu müssen.

ThyssenKrupp General Meeting

Thyssen-Krupp Aufsichtsrat Ekkehard Schulz (links) Chefaufseher Gerhard Cromme.

(Foto: Getty Images)

Seit 1975 war der Mann mit der hünenhaft Statur an verantwortlicher Stelle im Stahlgeschäft, erst bei Thyssen, dann beim fusionierten Konzern Thyssen-Krupp. Das brachte dem studierten Eisenhüttenmann den Spitznamen "Eiserner Ekki" ein . Doch mit dem Lob ist es jetzt vorbei. Schulz wird für die jetzige Krise im Konzern verantwortlich gemacht. Ihm wird angelastet, dass im Stahlbereich in diesem Jahr ein Horror-Verlust von drei Milliarden Euro verkraftet werden muss. Ursache dafür ist vor allem das neue Stahlwerk in Brasilien, das unter der Ägide von Schulz gebaut wurde. Dieses Milliardendebakel könnte dazu führen, dass Schulz den Aufsichtsrat verlassen wird. Offiziell ist er noch bis 2015 in das Gremium gewählt. Aber in der Führungsetage wird bereits darüber spekuliert, dass Schulz freiwillig seinen Posten aufgibt - und das bald.

Die Liste der Vorwürfe ist lang: Das neue Stahlwerk in der Nähe von Rio sei zwei Milliarden Euro teurer geworden als geplant und es komme nur schwer in Gang. Schulz habe für die Anlage zudem eine Kokerei in China bestellt und nicht bei der Thyssen-Krupp-Konzerntochter Uhde. Diese Kokerei funktioniere nicht und verursache Folgekosten, die das Unternehmen in absehbarer Zukunft nicht mehr wieder hereinholen könne. Das gelte vor allem, weil es mit der Stahlkonjunktur jetzt weltweit bergab geht und die Aussichten extrem unsicher sind. Schon 2009 hatte Thyssen-Krupp einen Verlust von 2,9 Milliarden Euro erlitten. "Dafür hat der frühere Vorstandsvorsitzende eine Verantwortung", heißt es dazu in der Konzernzentrale in Essen. Offiziell ist derzeit im Unternehmen kein Wort über Schulz zu hören.

"Das war nie vorgesehen"

Die Stimmung hat sich gegen ihn gedreht. Vorbei ist die Zeit, in der Schulz schon als möglicher neuer Vorsitzender des Thyssen-Krupp-Aufsichtsrates galt, wenn Amtsinhaber Gerhard Cromme als Nachfolger des legendären Krupp-Testamentsvollstreckers Berthold Beitz, 98, an die Spitze der Krupp-Stiftung rückt. Davon will nun niemand mehr etwas wissen. "Das war nie vorgesehen", heißt es barsch in Essen. Dass auch der langjährige Aufsichtsratsvorsitzende Cromme und das übrige Kontrollgremium eine Mitschuld an dem Desaster in Brasilien tragen könnte, wird bei Thyssen-Krupp bestritten. Schulz sei der verantwortliche Vorstandschef gewesen, der seine Baupläne dem Aufsichtsrat vorgetragen habe. Man habe dem erfahrenen Stahlmann geglaubt. Jetzt stehe man überrascht vor den Trümmern.

Der neue Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger, 51, brachte eine Wende. Bei Thyssen-Krupp wird sogar schon von einer "neuen Ehrlichkeit" gesprochen. Hiesinger, der bei Siemens Karriere gemacht hatte, bevor er Ende Januar zum Schulz-Nachfolger wurde, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die bei Thyssen-Krupp lange übliche Schönfärberei zu beenden. Kaum ein paar Wochen im Amt kündigte er Einschnitte an. Hiesinger braucht Geld für Investitionen und muss dafür sogar einen Kernteil opfern: Der Bereich Edelstahl soll an die Börse gehen oder verkauft werden. Die wesentliche Neuheit aber ist, dass der Chef jetzt alle paar Wochen am zentralen Krisenherd in Brasilien auftaucht, um sich ein eigenes Bild von der Lage zu machen. Das war bei seinem Vorgänger nicht üblich.

So zerbricht nach zwölf Jahren zwischen Cromme und Schulz eine Zweckgemeinschaft, die nie Freundschaft war. Im Jahr 1999 war dem Thyssen-Manager Schulz nichts anderes übrig geblieben, als sich dem Krupp-Konzern zu fügen, der Thyssen übernommen hatte. Zwei Jahre lang führten Cromme und Schulz das neue Unternehmen zunächst gemeinsam. Doch 2001 setzte sich Cromme auf den Stuhl des Aufsichtsratsvorsitzenden ab und sah fortan seinem Ex-Kollegen streng auf die Finger. Cromme wird auch in Zukunft bei Thyssen-Krupp als unangreifbar gelten, für den Eisernen Ekki aber bleibt in der offiziellen Ruhmeshalle des Konzerns wahrscheinlich kein Platz mehr.

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