The Big Short:CDOs im Schaumbad

Der Film "The Big Short" von Adam McKays zur Finanzkrise erklärt die Funktionsweise komplexer Derivate mit dem Sexappeal von Hollywood.

Von Jörg Häntzschel

Was macht ein Restaurantbesitzer am Sonntagnachmittag, wenn er in seiner Küche noch Fisch vom Wochenende übrig hat - Fisch, der noch nicht wirklich verdorben ist, aber eben auch nicht so frisch, dass man ihn guten Gewissens als Filet servieren würde? - Wegwerfen? Keineswegs! Nein, so erklärt der amerikanische Starkoch Anthony Bourdain, man macht eine schöne, würzige Suppe daraus. Die Summe schmeckt in solchen Fällen besser als ihre Teile, und Wirt und Gast sind zufrieden.

Genauso machten es die amerikanischen Banken vor der Finanzkrise auch. Sie packten hochriskante Darlehen aus allen möglichen dunklen Ecken zusammen und verkauften den Eintopf dann als so "diversifiziert", dass das Risiko praktisch nonexistent sei. Oder mixten Erstklassiges mit einem schmutzigen Haufen Junk. So oder so, die Rating-Agenturen verliehen willig ihr AAA-Siegel.

Bourdain ist nur einer von mehreren Gaststars, die in Adam McKays Film "The Big Short" (Deutschland-Start: 14. Januar) allen ohne Betriebswirtschaftsstudium ein wenig Nachhilfe geben: Was sind gleich wieder Kreditausfallversicherungen, sogenannte Credit Default Swaps, was Subprime-Hypothekenanleihen und Bespoke CDOs (Collateralized Debt Obligations)? Erklärung wird dringend benötigt. Denn die unter anderem von Brad Pitt, Christian Bale, Steve Carell und Ryan Gosling gespielten Zahlen-Autisten, Kassandras und Wirtschaftsesoteriker haben bei dem frenetischen Tempo des Films wahrlich keine Zeit, sich mit dem Zuschauer aufzuhalten.

The Big Short (2015)

Crashgefahr: Hedgefonds-Manager Michael Burry (Christian Bale) sieht die Krise kommen. Der Film startet am 14. Januar in den deutschen Kinos.

(Foto: Jaap Buitendijk/Paramount Pictures)

Während alle Welt noch im Geld badet, Häuser kauft und Schulden anhäuft, sehen sie, was kommt: der Crash von 2007 und 2008, der Einsturz des amerikanischen Kartenhauses. Der Film beruht auf dem gleichnamigen Bestseller von Michael Lewis, der darin erzählt, wie eine toxische Mischung aus Gier, politischem Versagen und ökonomischer Dummheit zur Finanzkrise mit den bekannten globalen Folgen führte. Und wie ein paar Outsider und Renegaten mit kühlem Kopf Methoden erfanden, mit dem Abrauschen der Banken Milliarden zu verdienen.

Es gab viele Wall-Street-Filme in den vergangenen Jahren, darunter "Wall Street: Geld schläft nicht", Oliver Stones Sequel zu seinem stilbildenden Achtzigerjahre-Epos; "Wolf of Wall Street" von Martin Scorsese; und "Margin Call", der die letzte Nacht von Lehman Brothers erzählt. Nur erliegen sie alle der Versuchung, Reichtum und Gier darzustellen statt die Maschinerie der Spekulation. Sie zeigen goldene Manschettenknöpfe, koksende Broker, Yachten, Trophy-Frauen.

Adam McKay dagegen stürzt sich derart entschlossen ins Kleingedruckte obskurer Finanzprodukte, hält sich mit dritten und vierten Stellen hinterm Komma auf, mit der Fälligkeit von Darlehen, mit Fragen nach Kreditwürdigkeit und der Höhe von Ausfallquoten, dass man für einen Moment lang um seinen Film fürchtet. Doch der Moment ist sehr, sehr kurz. Dann wird klar, dass er den unterhaltsamsten, witzigsten und klügsten Film zum Crash gedreht hat. Und sollte es Fragen nach Mezzanine-CDOs geben oder dem menschlichen Unvermögen, Risiken korrekt zu bewerten - die beantworten Margot Robbie mit Champagnerglas im Schaumbad und Selena Gomez am Black-Jack-Tisch in Las Vegas.

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