Textilhandel:Wo der bayerische König seine Trachten kaufte

Textilhandel: Eine Expansion mit Geschäften außerhalb Münchens planen die Geschäftsführer Markus Höhn und Ralph-Michael Nagel mit Lodenfrey nicht.

Eine Expansion mit Geschäften außerhalb Münchens planen die Geschäftsführer Markus Höhn und Ralph-Michael Nagel mit Lodenfrey nicht.

(Foto: Lodenfrey)

1842 wurde der Trachtenhersteller Lodenfrey in München gegründet. Heute stemmt er sich erfolgreich gegen den Wettbewerb der großen Ketten. Zu Besuch bei einem der ältesten Einzelhändler.

Von Caspar Busse

Zwei Löwen halten ein weißblaues Wappen, an der Fassade wehen Fahnen im Wind, darunter steht in großen goldenen Buchstaben "Loden-Frey". Die Puppen in den riesigen Schaufenstern tragen jetzt, wenige Tage vor dem Beginn des Oktoberfests, schmucke Dirndl und teure Lederhosen. Über einen langen roten Teppich können die Kunden ins Geschäft stolzieren - Shopping wird hier zelebriert, fast wie ein Staatsbesuch.

Oben in der vierten Etage sitzen Ralph-Michael Nagel, 75, und Markus Höhn, 51, und versuchen zu erklären, was ihr Geschäftsgeheimnis ist. "Letztlich sind es die Menschen, unsere Mitarbeiter, die unser Geschäft prägen und mit großem Willen und mit Freude an unserem Erfolg arbeiten", glaubt Nagel. "Der Kunde sucht nach wie vor die große Bühne", meint Höhn. Die Beiden führen nicht nur die Geschäfte bei Lodenfrey, einem dem ältesten Einzelhändler in München, weit über die Stadt hinaus bekannt.

Zusammen mit Nagels Bruder York-Thomas gehört ihnen das Unternehmen auch. Seit 1842 ist die Firma nun ununterbrochen in Familienbesitz, in wenigen Wochen wird mit einem großen Festakt in der Münchner Residenz der 175. Geburtstag gefeiert. Lodenfrey gehört wie der Feinkostladen Dallmayr, der FC Bayern München oder BMW einfach zu München. Mehr als eine Million Kunden kommen im Jahr in das Geschäft, aus aller Welt, aber auch Stammgäste, die viel Geld ausgeben, besonders zur Wiesn-Zeit.

Dabei ist es nicht selbstverständlich, dass es Lodenfrey überhaupt noch gibt. Die Innenstädte werden heute von den immer gleichen Filialen der großen internationalen Textilketten beherrscht, von H & M und C & A bis zu Zara. Die bekannten Luxusmarken gehören fast alle zu Konzernen wie LVMH oder Kering.

Viele deutsche Textilhändler wie Wöhrl oder Sinn-Leffers, auch Traditionsfirmen wie Roeckl, stecken in argen Schwierigkeiten, Modemarken wie Strenesse, Escada, Gerry Weber kämpfen. In die Städte kommen immer weniger Kunden, viele bestellen lieber im Internet, bei Zalando oder Amazon.

Und Lodenfrey? "In den vergangenen zehn Jahren haben wir unseren Umsatz insgesamt verdoppeln können", sagt Geschäftsführer Höhn. Seit acht Jahren ist Lodenfrey auch im Netz mit einem Onlineshop vertreten. "Wir wachsen dort überproportional, aber auch stationär legen wir zu", meint Höhn. Beschäftigt werden 450 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz wird 2017 voraussichtlich bei rund hundert Millionen Euro liegen, etwa 15 Prozent davon wird mit Trachten aller Art erwirtschaftet, der Rest mit teurer Mode aus aller Welt. Jeder zehnte Euro entfällt inzwischen auf den Online-Shop, Lodenfrey unterhält ein Logistikzentrum dafür.

Textilhandel: Wenn sich Prominente auf dem Oktoberfest in Käfers Wiesn-Schänke treffen, haben sich einige vorher bei Lodenfrey eingekleidet.

Wenn sich Prominente auf dem Oktoberfest in Käfers Wiesn-Schänke treffen, haben sich einige vorher bei Lodenfrey eingekleidet.

(Foto: Michael Tinnefeld/Agency People Image)

"Wir sind sehr profitabel und können unsere Investitionen aus eigener Kraft stemmen", sagt Höhn stolz. Er kam 2002 zu Lodenfrey, hatte zuvor für den Textilhändler Peek & Cloppenburg gearbeitet, seit 2004 ist er am Unternehmen beteiligt, als erster Familienfremder überhaupt. Als Höhn kam, glich die Familienfirma einer alternden Hollywood-Diva - große Vergangenheit, etwas arrogant, aber sonst nicht mehr viel los. Dazu kam die Krise der Luxusindustrie nach den Anschlägen auf das World Trade Center.

Höhn modernisierte das verstaubte Haus, baute kräftig um. Lodenfrey wurde exklusiver und jünger, der Designer-Bereich wurde neben dem Trachtengeschäft deutlich ausgebaut. "Das gibt es nirgendwo anders, nicht in Mailand, nicht in London oder Shanghai, das ist einzigartig. Damit können wir uns dem allgemeinen Trend im Einzelhandel etwas entziehen", meint Höhn. Kollege Nagel, schon seit 1971 Geschäftsführer, glaubt an die Zukunft: "Von jüngeren Leuten höre ich immer wieder, Lodenfrey sei schon eine richtige Kultmarke geworden."

Mit 250 Gulden Startkapital zum Weltkonzern

Schon von Anfang an hat das Unternehmen wohlhabende Kunden im Visier. Aus einem kleinen Dorf bei Ulm macht sich 1842 Johann Georg Frey auf nach München. Er stammt aus einer Tuchmacherfamilie, seine Mutter gibt ihm 250 Gulden mit. Frey gründet in der Münchner Adalbertstraße eine Firma. Mit zehn Webstühlen produziert er Wollstoffe, die gut ankommen bei den reichen Münchner Bürgern, auch der bayerische König gehört bald zu den Kunden.

Den Durchbruch schafft 1878 Sohn Johann Baptist Frey, er erfindet den sogenannten Strichloden, der vollständig wasserfest ist. Der deutsche und österreichische Adel reißt sich von da um Lodenmäntel und Jacken von Frey, die gerade auf der Jagd so praktisch sind. Beim Bau der Zugspitzbahn tragen die Arbeiter später Lodenmäntel von Frey, ein großer PR-Erfolg, um die Marke bekannt zu machen.

Loden Frey Werbung

Die Firma stellt schon lange Trachten her, hier Werbung von 1901.

(Foto: oh)

Am Schwabinger Bach im Englischen Garten wird 1870 eine Fabrik errichtet. Von 1880 an wird der Versandhandel aufgebaut und ein Katalog mit 55 Seiten gedruckt. Dann werden auch Einzelhändler in ganz Deutschland beliefert, von 1929 an eigene Geschäfte in Dresden, Wien, Brüssel, Stockholm eröffnet. Während des Zweiten Weltkriegs wird für Wehrmacht und Partei produziert. Nach dem Krieg dann lassen die Amerikaner ihre Uniformen bei Frey bügeln, das Geschäft kommt schnell wieder ins Schwung. Zeitweise ist Lodenfrey mit rund 2000 Mitarbeitern eines der größten Textilunternehmen in Deutschland.

1957 wird das Unternehmen getrennt. Karl-Erich Nagel, Vater von Ralph-Michael, übernimmt das Verkaufshaus, die Familie Frey die Lodenfabrik. Später wird die Produktion ins Ausland verlagert, 1987 wird aus dem Fabrikgelände am Englischen Garten ein Gewerbepark nach amerikanischen Vorbild, heute arbeiten hier Architekten, Modefirmen oder Synchronstudios.

Derzeit laufen Gespräche, die Geschäfte und die Markenrechte wieder zusammenzuführen. Es gibt viele Ideen, sogar bei Amazon sind inzwischen Lodenfrey-Produkte erhältlich. Eigene Filialen außerhalb von München, wie vor dem Krieg, soll es aber nicht geben - zu riskant. "Mit Lodenfrey in großem Stil zu expandieren, also ein Geschäft wie es heute in München existiert morgen in Dortmund oder in London zu eröffnen, das wird es ganz sicher nicht geben", betont Höhn.

Das wichtigste ist das Stammhaus in München. Die Immobilie in der Innenstadt, die schon 1868 erworben und immer wieder erweitert wurde, gehört der Familie. "Es schadet ja nichts, wenn uns keiner rauswerfen kann", sagt Ralph-Michael Nagel und schmunzelt dabei.

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