Teures Hobby:Buntstift-Wahn

Das New Yorker Museum of Modern Art vertreibt eine Mal-Box für umgerechnet 2500 Euro, die von Karl Lagerfeld entworfen wurde - und bereits ausverkauft ist. Schuld ist wohl der Trend zum Ausmalen als Anti-Stress-Methode.

Von Vivien Timmler

Wer sich Luxus leisten will, braucht dafür manchmal ein bisschen Geduld. Zum Beispiel, wenn es ein Ferrari 488 GTB sein soll, oder ein Lamborghini Aventador: Etwa ein Jahr beträgt die Lieferzeit der Edelkarossen. Auch auf eine Birkin Bag, die Luxushandtasche der französischen Firma Hermès, müssen Interessentinnen bis zu sechs Jahre ausharren. Es gibt sogar eine Warteliste für die Warteliste.

Was manche bei Autos und Accessoires noch nachvollziehen können, wird jedoch spätestens bei Buntstiften vollends skurril. Auch die sind mittlerweile so heiß begehrt, dass Kunden monatelang auf sie warten müssen. Zumindest, wenn es sich um eine ganze Box voller Stifte handelt und diese von Chanel-Chefdesigner Karl Lagerfeld höchstpersönlich entworfen wurde.

Das New Yorker Museum für Moderne Kunst (Moma), das die edlen Buntstift-Boxen für umgerechnet 2500 Euro verkauft, gab am Montag bekannt, kein einziges Exemplar der schwarzen "Karlboxen" mehr vorrätig zu haben. Sie seien restlos ausverkauft, eine Warteliste sei bereits eingerichtet. Auch auf Lagerfelds Homepage gibt es die Malstifte nicht mehr, frühestens von November an sollen sie wieder verfügbar sein. Ganz so begehrt sind sie bei den wenigen auserwählten deutschen Einzelhändlern zwar nicht, doch auch hierzulande scheint es viele Menschen zu geben, die bereit sind, mehr als 2000 Euro für eine Box voller Malzeug auszugeben.

Ganz schön viel Trubel um ein paar Buntstifte, mag der Mal-Laie meinen, zumal im Schreibwarenladen 24 Stifte des Herstellers Faber-Castell für etwa zehn Euro zu haben sind. Was er jedoch verkennt: Diese Box hat was drauf. Sie lässt sich aufklappen, ausfahren, hochschieben und umklappen. Insgesamt beinhaltet sie 350 "Malutensilien", wie es in der Beschreibung heißt, von Aquarellstiften über Pastellkreiden bis hin zu Finelinern und Grafit. Malen für Fortgeschrittene also - und die nächste Stufe eines Trends, den aufmerksame Branchenbeobachter schon längst haben: Malen ist wieder in, und zwar auch und vor allem bei Erwachsenen.

Zwischen Schweden-Krimis und Sachbüchern gibt es im Buchhandel plötzlich wieder ganze Wände voller Malbücher, bei Firmen wie Staedtler, Schwan-Stabilo oder eben Faber-Castell kam es bereits zu Lieferengpässen und für letzteren Hersteller war das vergangene Geschäftsjahr sogar das beste der langen Unternehmensgeschichte. Zehn Prozent mehr Umsatz machte Faber-Castell im vergangenen Jahr, insgesamt 631 Millionen Euro. "Bei den Künstler-Buntstiften haben sich die Umsätze signifikant gesteigert. Das spüren wir sehr deutlich", sagte eine Sprecherin des Unternehmens. Der Trend beschränke sich nicht auf Deutschland: Weltweit malen immer mehr Menschen wieder Bücher aus.

Manche in der Branche vermuten hinter dem Trend eine Methode, um dem Alltagsstress zu entkommen, andere glauben an kluges Marketing.

Bei Faber-Castell freut man sich unterdessen darüber, dass der Mal-Trend auch vor Lamborghini-Fahrern und Trägern von Hermès-Accessoires nicht Halt zu machen scheint.

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