Teures Erdöl - Alternative Biokraftstoff:Finnischer Diesel

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Kein Öl, aber dafür Wälder in Hülle und Fülle. Finnland hofft auf einen ganz eigenen Petro-Boom. Im Nordstaat wird bereits über die dritte Generation der Biokraftstoffe nachgedacht - auf Basis von Holz.

Gunnar Herrman

Finnland ist nie für reiche Ölvorkommen bekannt gewesen. Aus gutem Grund: Es gibt keine, und eigentlich erwartet auch niemand, dass unter den endlosen Wäldern und Seen noch unentdeckte Funde schlummern. Manchmal kann es ein Vorteil sein, etwas nicht zu haben - das regt zum Nachdenken über Alternativen an.

Birkenwald in Finnland. (Foto: Foto: Getty)

So war es wohl bei Neste Oil, dem halbstaatlichen Ölkonzern aus Helsinki. Vor einigen Jahren überlegte man sich dort, was eine Ölfirma in einem Land ohne Öl besser machen kann als die Konzerne in anderen Gegenden der Welt. Und das Management beschloss, dass aus Neste Oil der Weltmarktführer für Biodiesel werden sollte. In diesen Tagen beginnen die Finnen damit, in Singapur für eine halbe Milliarde Euro eine Biodieselfabrik zu bauen. Wenn sie 2010 fertig ist, wird sie voraussichtlich die weltweit größte Anlage dieser Art sein.

Sauberer Sprit

Für Optimismus sorgt bei Neste Oil vor allem, dass das Unternehmen über eine neue Technologie verfügt, mit der es Marktanteile zu erobern hofft. Die Finnen haben ein eigenes Verfahren entwickelt zur Herstellung eines neuartigen Biodiesels, der im Vergleich zu herkömmlichem Ökosprit viele Vorteile hat. Das Produkt heißt NextBTL, und es ähnelt in seiner chemischen Zusammensetzung dem Dieseltreibstoff, der aus Erdöl hergestellt wird. Damit unterscheidet es sich von herkömmlichem Biodiesel, der ein Fettsäuremethylester (FAME) ist.

Nicht alle Motoren können FAME ohne Nachrüstung verbrennen, der Sprit klumpt bei Kälte, und außerdem hält er sich nicht beliebig lange. NextBTL hat diese Probleme nicht. "Dieser Kraftstoff ist dem Diesel ebenbürtig, und in manchen Punkten ist er ihm sogar überlegen", sagt Neste-Oil-Sprecher Osmo Kammonen. Das Beste ist: Er ist marktreif. In der Raffinerie in Porvoo bei Helsinki wird er seit 2007 hergestellt. NextBTL lässt sich problemlos mit herkömmlichem Diesel mischen. Wahrscheinlich gelangt der Treibstoff aus Finnland auf diese Weise auch schon in den Tank von deutschen Fahrzeugen - als eigenes Produkt wird er an der Tankstelle jedoch nicht angeboten.

Wenn Kammonen Laien erläutert, was Neste Oil macht, dann führt er sie nicht durch die Raffinerie in Porvoo. In dem Gewirr von Tanks, Leitungen und Schornsteinen lässt sich nur schwer erkennen, was denn nun das Neuartige an dem Biotreibstoff aus Finnland ist. Kammonen stellt seinen Gästen lieber ein kleines Fläschchen mit einer glasklaren Flüssigkeit vor die Nase. Das ist NextBTL. Wird der Treibstoff verbrannt, setzt er weniger Schadstoffe frei als herkömmlicher Diesel, außerdem fehlt ihm der typische Geruch. Es wirkt also alles sehr sauber und umweltfreundlich in Porvoo. Aber da NextBTL aus den gleichen Rohstoffen hergestellt wird wie alle anderen Biodiesel, müssen sich die Finnen natürlich auch der gleichen Kritik stellen.

Umweltschützer warnen, die Produktion von Kraftstoffen auf pflanzlichen und tierischen Fetten könne zu höheren Lebensmittelpreisen führen. Außerdem ist nicht garantiert, dass Biosprit auch wirklich weniger CO2-Ausstoß bedeutet. Ein großer Einsatz von Düngemitteln oder Maschinen etwa kann die Ökobilanz schnell verdüstern. Bei Biodiesel ist außerdem ein Problem, dass der am besten geeignete Rohstoff Palmöl ist.

Und für Palmenplantagen werden in der Dritten Welt große Urwaldflächen gerodet. Neste Oil nutzt zwar unter anderem Rapsöl, tierische Fette und sogar altes Frittenfett für NextBTL, aber ohne Palmen geht es auch in Porvoo nicht. "Besser wäre es natürlich trotzdem, einen Rohstoff zu nutzen, der kein Lebensmittel ist", räumt Kammonen ein. Er sagt aber auch, dass er für die kommenden zehn Jahre keine Alternative zum Palmöl sieht.

Solche Alternativen sucht Neste Oil in verschiedenen Forschungsprojekten. Große Hoffnungen setzt man in Finnland auf eine dritte Generation von Biokraftstoffen, die aus jeder Art von Biomasse gewonnen werden können. Theoretisch ist das dazu nötige "Biomass-to-Liquid"-Verfahren bereits bekannt. Aber es ist noch nicht marktreif. Auch in Deutschland wird derzeit an einer Lösung getüftelt, unter anderem mit Unterstützung großer Autofirmen wie Daimler und Volkswagen.

Eine große Neuerung wäre, dass man mit dieser Technologie auch aus Bäumen oder Zellstoff Diesel herstellen könnte. Die in Finnland starke Forst- und Papierindustrie verfolgt die Entwicklung deshalb mit großem Interesse. Am Ende könnte es vielleicht sein, dass in den finnischen Wälder doch noch ein Petroboom einsetzt.

© SZ vom 29.03.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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