Tesa-Film:Gigabytes von der Rolle

Ein Forscherteam aus Heidelberg will für Tesa den Klebefilm zum handlichen Speichermedium der Zukunft machen - noch ist es nur ein Erfindertraum.

Von Christian Burgdorf

Auf dem Montagetisch herrscht ein heilloses Durcheinander aus Kabeln, Platinen, Schrauben und Mikrochips. Doch das vermeintliche Chaos hat System - der Technik-Salat ist das Labor-Laufwerk für einen Datenspeicher, der in ein paar Monaten schon den Markt aufmischen soll. Das Revolutionäre daran: Er speichert Urlaubsbilder, ganze Computerfestplatten oder geheime Dokumente auf dem guten alten Tesa-Film.

Tesa-Film: Tesa-Film: Der Stoff aus dem Erfinderträume sind.

Tesa-Film: Der Stoff aus dem Erfinderträume sind.

(Foto: Foto: dpa)

Entwickelt wird die so genannte Tesa-Rom im Süden von Heidelberg: Hier hat Ende 2001 die Firma Tesa Scribos zwischen Reihenhäusern und Hintergärten im dritten Stock eines roten Gewerbekastens Quartier bezogen.

Marktlücke

Steffen Noehte, der Vater der Klebestreifen-Idee, leitet den Forschungsbereich des Unternehmens. Er will mit dem neuen Speichermedium eine Marktlücke füllen: Preiswert wie eine CD sei seine Tesa-Rom und auch noch kompatibel für Jackentaschen.

Sie sieht aus wie eine ordinäre Kleberolle: rund, in der Mitte ein Loch und etwa zehn Millimeter breit - nur klebt sie nicht mehr. Dafür passt eine Menge drauf. Schicht für Schicht fasst sie digitale Daten, insgesamt drei Gigabyte.

Diese werden entweder auf den Tesafilm aufgedruckt oder nachträglich eingebrannt: als winzige Punkte, die ein Laser auf den Film bannt, um sie anschließend wieder zu lesen.

30-jährige Lebensdauer

"Eine CD ist für viele Anwendungen zu groß", sagt der 50-jährige Physiker. Die Tesa-Rom aber habe für Videokameras, Fotoapparate oder MP3-Player genau die richtige Größe, könne viermal so viele Daten speichern wie eine CD-Rom. Und 30 Jahre lang halten soll sie auch.

Der Computerspeicher ist nicht das einzige High-Tech-Produkt aus dem klebrigen Kunststofffilm. Die meisten Tesa-Scribos-Forscher tüfteln an der Produktionstechnik für den so genannten Holospot. Dieses Plättchen, das Produkte fälschungssicher machen soll, ist einen Quadratmillimeter klein - fasst aber bis zu einer Million Punkte.

Der Laser brennt darauf Seriennummern, Bilder, Mikroschrift. "Jedes Produkt bekommt so sein eigenes Hologramm", schwärmt Noehte. Mit einem Lesegerät lasse sich dann feststellen, ob etwa die Viagra-Packung tatsächlich von Pfizer stammt und das Parfüm von Chanel.

Fälschung unmöglich

Keine Fälscherbande auf der Welt könne momentan den Holospot nachbauen, sagt der Entwickler. Seit Herbst 2003 ist die erste Holospot-Generation marktreif, die Geräte für die Herstellung stehen im Showroom von Tesa Scribos gleich neben den Forschungsräumen und Labors.

Dort tüftelt das Scribos-Team unterdessen schon an den nächsten Sicherheitsprodukten rund um den Klebestreifen. Die meisten der Forscher sind jünger als 30, in den Büros stehen Tretroller und Sporttaschen, über den Schreibtischstühlen hängen Jeansjacken.

Gigabytes von der Rolle

Mit acht Mitarbeitern hat Tesa Scribos angefangen, heute arbeiten 25 in Heidelberg. "Ich muss sie immer mal wieder zählen", sagt Noehte, einer von vier Geschäftsführern des Unternehmens. "Es werden ständig mehr."

Begonnen hat die Erfolgsgeschichte an einem Freitagabend im März 1998 in einem Labor der Mannheimer Uni. Noehte, promovierter Physiker am Lehrstuhl für Technische Informatik, und der Diplomand Matthias Gerspach freuten sich auf die Computerfachmesse CeBIT in Hannover.

Später Feierabend

Vom Rechner ersonnene Hologramme, per Laser eingebrannt in Kunststoffe, wollten sie dort ausstellen. Es war so gegen acht, die Experimente waren beendet, die Koffer gepackt, doch so richtig Feierabend machen wollten die beiden noch nicht.

"Wir haben überlegt, was wir sonst noch zeigen können", erzählt Noehte. "Da fiel unser Blick auf einen Tesafilm." Spaßeshalber legten sie die Rolle unter den Lithographen und bekamen "auf Anhieb wunderbare Hologramme". Und zwar wunderbarere als auf allen anderen Kunststoffen davor.

Die Forscher nahmen ihre Entdeckung mit nach Hannover. Dass die kleine Kleberolle Briefe, Bilder, ganze Kinofilme speichern kann, war auf der CeBIT eine Sensation. Die Tesa-Rom war geboren, auch wenn Experten sie für einen verfrühten Aprilscherz hielten. "Hätte mir jemand etwas von Datenspeicherung auf einer Tesafilm-Rolle erzählt, hätte ich den wohl auch nicht ganz ernst genommen", sagt Noehte.

Angebot vom SAP-Mitgründer

Sehr ernst nahm den Aprilscherz allerdings der SAP-Mitgründer Klaus Tschira. Er bot dem Team um Noethe an, für drei Jahre in seine Forschungseinrichtung "European Media Laboratory" zu kommen. Schon zwei Monate später zogen die Tüftler um in die Heidelberger Villa Bosch.

Auch die Tesa-Chefetage horchte auf und bot finanzielle Unterstützung an. Für einen Massenspeicher mit mehreren Gigabyte Platz hatten die Herren aus Hamburg allerdings erst einmal nicht allzu viel übrig. Sie wollten nur den Holospot.

Im Dezember 2001 gründeten die Forscher die Firma Tesa Scribos. Während überall die Startups kollabierten, standen bei ihnen die Geldgeber Schlange. Tesa stieg mit 75 Prozent ein - und plötzlich hatten die Tüftler ein eigenes Labor.

Tüfteln bis Ende des Jahres

Darin grübelt Fabian Dörfel gerade vor einem Berg aus Kabeln und Platinen. Der 25-jährige Doktorand im Fachbereich Physikalische Technik überlegt, wie er den Technik-Haufen in einen kleinen Alu-Block packen soll - das nächste Probelaufwerk. "Nicht ganz einfach", stöhnt Dörfel. Ende des Jahres wollen die Heidelberger Tesa-Techniker mit dem Tüfteln fertig sein und der Geschichte von der Tesa-Rom ein Happy End bescheren.

Doch dann wird es erst richtig schwierig werden: Denn noch fehlen die Partner, die die Tesa-Rom und ihre Laufwerke in Serie produzieren wollen. "Damit steht und fällt die Zukunft unserer Idee", sagt Noehte. Solange bleibt sie nur ein Techniktraum - aus Kabeln, Platinen, Schrauben, Mikrochips.

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