Kaiser's Tengelmann:Das war's mit der Kaiser's-Tengelmann-Ära

Kaiser's wird umbenannt

"Umgeflaggt": Aus den meisten deutschen Städten sind die Marken Kaiser's und Tengelmann bereits verschwunden.

(Foto: dpa)
  • Bis Ende dieser Woche sind außer einigen renovierungsbedürftigen Läden in NRW alle Kaiser's- beziehungsweise Tengelmann-Märkte aus Deutschland verschwunden.
  • Für die neuen Eigentümer Edeka und Rewe läuft es seit der Umstellung sehr gut.
  • Nur in Bayern kriselt es noch: Es gibt Streit um die Bezahlung von Aushilfen.

Von Michael Kläsgen

Die junge Filialleiterin des neuen Edeka Xpress im Münchner Stadtteil Giesing ist jedenfalls happy. "Wir haben jetzt erst mal einen sicheren Arbeitsplatz", sagt sie. Bis mindestens Ende 2021 gilt das für alle rund 16 000 ehemaligen Mitarbeiter von Kaiser's Tengelmann. Die Ende 2016 nach jahrelangem Ringen von der Bundesregierung erteilten Auflagen an Edeka sehen das so vor. Augenzwinkernd fügt die Filialchefin noch etwas Positives hinzu. Die Lebensmittel von Edeka seien viel leckerer als die von Tengelmann. Klar, sie wirbt für ihren Xpress. So nennt Edeka seine kleinformatigen Läden neuerdings in München. Neben den Kassen auf dem Wühltisch liegen die letzten Restposten, die noch aus der Zeit stammen, als dieser Laden Tengelmann hieß. Sind sie weg, ist der einst größte Supermarktbetreiber Deutschlands hier Geschichte. Zeit also für eine Bilanz.

Bis Ende dieser Woche wird dieser Schnitt überall in Bayern und fast überall im Rest der Republik vollzogen sein. In Berlin war Edeka bereits im Mai mit der Umstellung fertig. Nur in Nordrhein-Westfalen zieht sich der Umbau von voraussichtlich 27 von insgesamt 48 Filialen bis 2018 hin, weil sie aufwendig saniert werden müssen. Ansonsten wird Edeka bis Ende September alle 338 zum 1. Januar von Tengelmann übernommenen Supermärkte umgestellt haben. Rewe hat die Integration der 64 Kaiser's-Tengelmann-Märkte, die der Kölner Konzern Edeka abgerungen hatte, bereits Ende März komplett abgeschlossen.

Netto, der Discounter von Edeka, hatte in ganz Deutschland schon im März "umgeflaggt", wie es im Fachjargon heißt. Soll heißen: Seitdem steht auch außen das Logo drauf. Laut Edeka geschieht das "erst, wenn die Grundlagen für einen dauerhaft rentablen Betrieb geschaffen sind".

Über den Gewinn sagen zwar weder Edeka noch Rewe etwas. Aber der Umsatz entwickelt sich offenbar für beide Konzerne erfreulich. Edeka hat nach eigenen Angaben ein zweistelliges Umsatzplus bei einem großen Teil der umgestellten Filialen erzielt. Und das, obwohl die Preise angeblich je nach Standort um etwa zehn und bei Netto sogar um rund 20 Prozent gesunken sein sollen. Edeka und Rewe schließen daraus: Die Kunden kaufen mehr ein, und neue Kunden können gewonnen werden.

Jobgarantie für alle Mitarbeiter über fünf Jahre und florierende Geschäfte - läuft also alles bestens?

Nach Informationen der SZ hakt es an mindestens zwei Stellen. In Bayern kämpft der Betriebsrat darum, dass 1600 Aushilfen in den Tarifvertrag eingruppiert werden. Dadurch erhielten sie einen etwas höheren Stundenlohn, mehr Urlaubstage, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Die Eingruppierung von Aushilfen steht zwar so nicht explizit im Tarifvertrag. Edeka soll sie kurz vor Schluss herausverhandelt haben. Für Manfred Schick, den Betriebsratsvorsitzenden der neuen Edeka Neukauf Südfilialen, steht dennoch fest: "Die gehören klar dazu." Auch wenn Aushilfen namentlich nicht explizit genannt seien, beziehe der Vertrag sie mit ein.

Der Konflikt wird sich noch zuspitzen

Edeka zeigt sich gegenwärtig jedoch wenig kompromissbereit und stellt vorerst keine Aushilfen mehr ein: "Die Bezahlung der Aushilfen entspricht der langjährigen, gängigen Praxis bei Kaiser's Tengelmann", sagt ein Sprecher. Sie stimme mit den gesetzlichen Vorgaben überein und stelle keine "Gefährdung" der Auflagen des Bundeswirtschaftsministeriums dar. Damit ist programmiert, dass sich der Konflikt zuspitzt.

Schick hat die Gewerkschaft dabei auf seiner Seite. "Verdi unterstützt seine Mitglieder bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf korrekte Eingruppierung und Bezahlung", sagt Hubert Thiermeyer vom Landesverband Bayern. Das heißt: Aushilfen, die bei Verdi eintreten, erhöhen ihre Chancen, einen Tarifvertrag zu erhalten.

Zweiter Streitpunkt: Nieder-Olm. In dem Zentrallager in Rheinland-Pfalz sind von 70 noch 59 Beschäftigte verblieben. Sie haben aber kaum etwas zu tun - was von Edeka nach der Übernahme offenbar so gewollt war. Supermarktartikel, die dort sortiert und gruppiert wurden, verlagerte Edeka in andere Lager. Den Mitarbeitern bot der Lebensmittelhändler schlechte Abfindungen oder Arbeitsplätze an anderen Standorten an. Edeka schien Nieder-Olm aushungern lassen zu wollen. Seit März stehen die meisten Mitarbeiter dort die meiste Zeit ohne Arbeit da. Sie empfinden das als extreme psychische Belastung. Wegen der wenigen Arbeit verloren viele zudem ihre seit Jahren sicheren Zuschläge.

Geblieben sind den 59 Beschäftigten im Wesentlichen nur das Kommissionieren von Wein und Weinpaletten. Wegen der Unterbeschäftigung bauten sich manche aus den Paletten ein Bett, um darauf tagsüber zu schlafen. Nicht zur Arbeit zu erscheinen, ist keine Alternative. Das hätte arbeitsrechtliche Konsequenzen. Eine Zwickmühle. "Man könnte das als Form des Mobbings interpretieren", sagt die zuständige Verdi-Vertreterin Monika Di Silvestre.

Edeka lässt sich die Übernahme einiges kosten

Ende August schrieben die 59 Frustrierten einen Brief an Außenminister Sigmar Gabriel, der Edeka die Übernahme als Bundeswirtschaftsminister unter Auflagen erlaubt hatte. Darin beklagen sie, dass der Tarifvertrag auf "perfide Art unterwandert" werde. Gabriel ließ ihnen durch seine Assistentin per Mail mitteilen, das Schicksal der Mitarbeiter liege ihm weiter "am Herzen". Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums verkündet sogar deutliche Fortschritte in den Verhandlungen mit Edeka: "Es geht jetzt darum, das Lager möglichst dauerhaft über den Zeitraum des Moratoriums von fünf Jahren hinaus zu sichern und zu modernisieren." Edeka ist damit inzwischen im Grundsatz einverstanden, obwohl der Konzern das Lager ursprünglich am liebsten geschlossen hätte. Spätestens von Januar an soll es in Nieder-Olm genügend Arbeit für alle geben. Zur Weinlagerung sollen noch Non-Food-Produkte hinzukommen und der Bau von Displays.

Insgesamt lässt sich Edeka die Übernahme einiges kosten. Die Investitionen sollen in den zweistelligen Millionenbereich gehen. Allein die Sanierung einzelner Filialen in Nordrhein-Westfalen kostet pro Standort bis zu 700 000 Euro. Neben den Supermärkten und Lagern schultert Edeka auch die Zentrale in Mülheim, die Regionalverwaltungen in Viersen und München, zwei Fleischwerke von Birkenhof, den Ladenbauer Ligneus, die Tengelmann E-Stores GmbH und den Online-Händler Bringmeister. Überall dort sind die Arbeitsplätze vorerst gesichert. Und zusätzlich stellt Edeka derzeit noch Personal ein.

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