Tengelmann:Streit um die Teekanne

Kaiser's wird umbenannt

Edeka und Rewe teilen die früheren Filialen von Kaiser's und Tengelmann unter sich auf. Wettbewerbspolitisch ist der Fall noch immer umstritten.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Verbot das Bundeskartellamt zu Recht die Fusion von Edeka und Tengelmann? Diese Frage dürfte vor dem BGH landen.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Es war die umstrittenste Fusionskontrolle der vergangenen Jahre: Im Jahr 2015 hat das Bundeskartellamt der Handelskette Edeka verboten, alle Supermärkte von Kaiser's Tengelmann zu übernehmen. Es folgte ein langer Kampf um die Zukunft von 15 000 Beschäftigten: Ministererlaubnis, Urteile, zähe Verhandlungen. Erst Ende 2016 haben sich Edeka und Rewe geeinigt - und teilten die Filialen von Kaiser's und Tengelmann unter sich auf.

Doch während die Supermärkte mit der goldenen Teekanne aus dem Stadtbild verschwinden, geht der Streit um das ursprüngliche Veto des Kartellamts weiter: Edeka und Tengelmann klagen dagegen. Zwar hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf die Beschwerden am Mittwoch zurückgewiesen. Doch meldeten die Anwälte von Edeka für diesen Fall ihr Interesse an, Revision zur höchstrichterlichen Ebene einzulegen. Diesen Weg kann das Unternehmen nun einschlagen, indem es eine Nicht-Zulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) einlegt. In dem Streit geht es um grundsätzliche Fragen des Einkaufens. Etwa: Wie realistisch ist es, dass Städter außerhalb ihres Wohnviertels Lebensmittel einkaufen? Oder: Sind Bäckereien und Wochenmärkte eine ernsthafte Konkurrenz für Handelsketten? Je nachdem, wie man solche Fragen beantwortet, erscheint die lokale Marktmacht von Edeka größer oder kleiner. Edeka sieht offenbar Klärungsbedarf, wie das Kartellamt künftig Fusionen im Lebensmittel-Einzelhandel bewerten soll.

Die Verhandlung am Mittwoch bietet da einen launigen Vorgeschmack. Zum Beispiel hatte das Kartellamt für seine Kontrolle ausgewertet, wie viele Filialen Edeka und Kaiser's Tengelmann in einzelnen Stadtbezirken betreiben. Dabei ergab sich etwa für Berlin-Kreuzberg und Friedrichshain ein Marktanteil von über 60 Prozent, falls Edeka alle roten Filialen übernähme. Das wäre zu viel Marktmacht gegenüber Lieferanten, zu wenig Auswahl für Verbraucher, entschieden die Wettbewerbshüter.

Edeka beschwert sich gegen diese Aufteilung in Stadtteile. Gleich hinter der Bezirksgrenze von Kreuzberg und Friedrichshain stünden die großen Warenhäuser von Kaufland und Real, argumentiert der Edeka-Anwalt. Deren Marktanteil könne man daher im Bezirk nicht auf null setzen.

Der Vorsitzende Richter Jürgen Kühnen sagt hingegen, er habe in den vergangenen 30 Jahren nie Lebensmittel außerhalb seines Stadtbezirks gekauft. "Es gibt überhaupt keinen Grund, an der 100. Filiale vorbeizufahren, um in der 101. einzukaufen", argumentiert er. Der Anwalt entgegnet, niemand sei beschränkt, nur in einem Stadtteil einzukaufen. Er selbst etwa erledige Einkäufe häufig auf dem Heimweg oder am Wochenende, irgendwo in der Stadt.

Weniger persönlich argumentieren die Parteien, wenn es um die Bedeutung von Fachmärkten geht. So erledigten etwa die Münchner 40 Prozent ihrer Lebensmittel-Einkäufe auf dem Viktualienmarkt, in Bäckereien und Metzgereien, jedenfalls nicht in Supermärkten, zitiert der Edeka-Anwalt eine Studie. Doch das Kartellamt hat Fachmärkte nicht berücksichtigt - und zwar zu Recht, meint jedenfalls Richter Kühnen: Handelsketten könnten zwar etwa auf Wochenmärkte Druck ausüben, aber nicht umgekehrt.

Edeka sind solche Feinheiten wichtig. Denn schon jetzt dominiert die Kette gemeinsam mit Lidl/Kaufland, Aldi und Rewe den Lebensmittel-Handel hierzulande. Das Kartellamt beobachtet den hoch konzentrierten Markt akribisch. Sollten die Wettbewerbshüter künftig anders rechnen müssen, könnte das Edeka mit seiner Tochter Netto bei möglichen weiteren Fusionen nutzen. Und falls der BGH tatsächlich das Veto des Kartellamts kippen sollte, könnte Tengelmann Schadenersatz fordern, weil sich die Übernahme dann unnötig in die Länge gezogen hätte.

Im Frühjahr 2016 hatte der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine Ministererlaubnis für die Übernahme erteilt, um die Arbeitsplätze in den Supermärkten zu retten. Dann war es wiederum das OLG Düsseldorf, das diese Erlaubnis kippte und dem SPD-Politiker Befangenheit vorwarf. Nach zähen Verhandlungen stand schließlich der Kompromiss, dass Edeka Hunderte Filialen in Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen übernimmt, allerdings 66 Standorte an Rewe weitergibt, vor allem in Berlin.

Edeka gestaltet die früheren Kaiser's- und Tengelmann-Supermärkte nun nach und nach um. In den Regalen finden die Kunden längst Edeka-Produkte. Am Wochenende gab der Marktführer bekannt, mit den Umsätzen in den übernommenen Filialen zufrieden zu sein. Nachdem sich die Tengelmann-Gruppe aus dem Lebensmittel-Handel zurückgezogen hat, konzentriert sich der Konzern aus Mülheim an der Ruhr auf seine Beteiligungen wie die Baumarktkette Obi oder den Discounter Kik.

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