Telekom-Spitzelaffäre:Geheimnisträger unter sich

Die Staatsanwaltschaft prüft in der Telekom-Affäre auch Ermittlungen gegen einen Aufsichtsrat: Hat Betriebsratschef Wilhelm Wegner Vertrauliches ausgeplaudert?

C. Dohmen und U. Schäfer

Die Staatsanwaltschaft Bonn wird in der Spitzelaffäre der Telekom möglicherweise auch wegen des Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ermitteln. Sie prüft derzeit, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen Konzernbetriebsratschef Wilhelm Wegner einleitet. Wegner gehört dem Aufsichtsrat an.

Telekom-Spitzelaffäre: Der frühere Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke (links) und Ex-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel auf der Hauptversammlung im Mai 2006: Zu dem Zeitpunkt wusste zumindest Ricke schon von den Vorgängen in seinem Unternehmen

Der frühere Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke (links) und Ex-Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel auf der Hauptversammlung im Mai 2006: Zu dem Zeitpunkt wusste zumindest Ricke schon von den Vorgängen in seinem Unternehmen

(Foto: Foto: Reuters)

Die Telekom hatte ihn 2005 ausgespäht und einen Kontakt zu dem Capital-Journalisten Reinhard Kowalewsky nachgewiesen. Wegner soll, so lautete damals der Vorwurf der Telekom-Oberen, vertrauliche Informationen weitergegeben haben. Der Betriebsratschef bestreitet dies.

Die Staatsanwaltschaft prüft nun gleichwohl, ob Wegner gegen das Aktiengesetz und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen hat. Wer als Vorstand oder Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft Geschäftsgeheimnisse ausplaudert, die er in dieser Funktion erfahren hat, dem droht laut Aktiengesetz entweder eine Geldstrafe oder eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren.

Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel hatte den Konzernbetriebsratschef 2005 wegen seiner Kontakte zu Kowalewsky zur Rede gestellt. In dem Gespräch soll Zumwinkel Wegner gesagt haben, man wisse aufgrund einer angeblichen Durchsuchung, die im Zuge der VW-Affäre bei Capital stattgefunden habe, über ihn Bescheid. Bei der Durchsuchung der Redaktionsräume seien entsprechende Unterlagen aufgetaucht. Über das Ausspähen von Verbindungsdaten soll Zumwinkel nichts gesagt haben. Zumwinkels Sprecher äußerte sich trotz wiederholter Anfrage nicht zu diesem Gespräch.

Der damalige Chef der Telekom, Kai-Uwe Ricke, wusste nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bereits im Herbst 2005, dass die Sicherheitsabteilung des Unternehmens den Kontakt zwischen dem Journalisten und dem Aufsichtsrat ausgespäht hatte - fast zwei Jahre, ehe das Unternehmen daraus Konsequenzen zog und seine Sicherheitsabteilung umkrempelte.

Ricke sagte, der zuständige Sonderermittler der Telekom, Klaus T., habe ihm im Herbst 2005 nur die Ergebnisse seiner Untersuchung präsentiert. T. habe aber nichts über die Methoden erzählt, mit denen der Kontakt zwischen dem Capital-Journalisten und Konzernbetriebsratschef ausgespäht wurde.

Auch Arbeitsdirektor Heinz Klinkhammer versichert, dass er von den illegalen Methoden, die offenbar angewendet wurden, damals nichts erfahren habe. Klinkhammer war damals im Telekom-Vorstand für Sicherheitsfragen zuständig und hatte an dem Gespräch im September 2005 ebenfalls teilgenommen.

T. hatte sich zunächst geweigert, über seinen Geheimauftrag zu reden. Er soll in dem Gespräch dann behauptet haben, eine Sekretärin habe Wegner überwacht; dabei habe sich der Kontakt zu dem Capital-Journalisten bestätigt. Klaus T. hatte, wie die SZ bereits am Freitag berichtet hatte, in einer späteren Vernehmung der Telekom im Herbst 2007 erklärt, Ricke und der damalige Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel hätten ihn damit beauftragt, mögliche Lecks im Aufsichtsrat zu finden; er habe aber mit den beiden nicht über die Modalitäten gesprochen. Auch der Spiegel berichtet an diesem Montag über die Anschuldigungen des Sonderermittlers.

Geheimnisträger unter sich

Klaus T. leitete eine kleine, etwa zehnköpfige Spezialtruppe innerhalb der Telekom-Sicherheitsabteilung, die insgesamt mehrere hundert Mitarbeiter zählt.

Seine Truppe war, so heißt es, fürs Grobe zuständig, also für besonders heikle Fälle. Die Spezialeinheit soll intern den Spitznamen "Ledernacken" getragen haben. Es war eine Truppe aus ehemaligen Bundeswehrsoldaten, Kripobeamten und Geheimdienstmitarbeitern. Die Sonderermittler arbeiteten offenbar intensiv mit Detekteien und externen Sicherheitsfirmen zusammen. Sie beauftragten auch das Berliner Unternehmen Network Deutschland GmbH.

Dieses hat zwischen 2005 und 2006 Hunderttausende von Telefonverbindungen ausgewertet. Zudem hatte die Telekom mit Hilfe einer Detektei offenbar einen "Maulwurf" in die Redaktion eingeschleust. Diesem Verdacht jedenfalls geht die Bonner Staatsanwaltschaft nach.

"Nachhaltiges Aufräumen"

Rickes Nachfolger René Obermann erfuhr erst im August 2007 von der Spähaktion. Er stellte Klaus T. zur Rede und feuerte ihn. Auch dessen Vorgesetzter Harald St., Chef der gesamten Sicherheitsabteilung, wurde entlassen. Obermann hielt den Fall zunächst unter der Decke und informierte weder Wegner noch Kowalewsky, dass ihre Telefonverbindungen ausgespäht wurden. Er folgte dabei offenbar auch dem Rat von Juristen; diese sollen bis zuletzt davor gewarnt haben, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Die Juristen hatten offenbar auch davon abgeraten, weitere Mitarbeiter zu feuern. Sie befürchteten, dass die Betroffenen ihr Wissen weitergeben könnten. Der Telekom-Chef versicherte aber am Wochenende in mehreren Interviews, er wolle nichts vertuschen. "Unser Ziel war eine schnelle Aufarbeitung und die Reorganisation des Sicherheitsbereichs, um Risiken abzustellen. Ein solch nachhaltiges Aufräumen wäre bei einer öffentlichen Debatte nicht möglich gewesen", sagte Obermann dem Tagesspiegel.

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