Telekom:Schnell ist nicht schnell genug

Telekom: Die alten Kupferkabel der Telekom können per Vectoring-Technologie nur begrenzt für das schnelle Internet aufgemotzt werden.

Die alten Kupferkabel der Telekom können per Vectoring-Technologie nur begrenzt für das schnelle Internet aufgemotzt werden.

(Foto: imago stock&people)

Nun protestieren sogar Bauern, Vermieter und Händler gegen die Pläne der Telekom, Kupferkabel aufzumotzen.

Von Varinia Bernau, Düsseldorf

Peter Pascher ist in der Landwirtschaft groß geworden. Und er weiß, dass in vielen Maschinen, die auf den Feldern unterwegs sind, eine Menge Technik steckt. Zum Beispiel Sensoren, die messen, welche Nährstoffe eine Pflanze benötigt, und noch auf dem Acker melden, wie viel Dünger ausgestreut werden muss. Um die technischen Möglichkeiten für eine effiziente Landwirtschaft zu nutzen, brauchen die Bauern eine schnelle Internetversorgung. Eigentlich, sagt Pascher, reichen nicht einmal mehr Übertragungsgeschwindigkeiten von 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s), wie sie die Bundesregierung allen Deutschen bis 2018 versprochen hat.

Deshalb hat sich Peter Pascher dafür eingesetzt, dass der Deutsche Bauernverband einen Brandbrief an die EU-Kommission unterzeichnet. Wie insgesamt 25 Verbände. Netzanbieter und Internetunternehmer sind dabei, aber auch Händler und kommunale Betriebe. Sie alle eint die Sorge, Deutschland verpasse den Anschluss.

Anlass für den Protest ist bizarrerweise ausgerechnet der Versuch eines Netzanbieters, seinen Beitrag zum schleppend verlaufenden Netzausbau zu leisten. Die Telekom will bis 2018 etwa sechs Millionen Haushalte in deutschen Innenstädten mit Anschlüssen versorgen, die eine Übertragungsgeschwindigkeit von bis zu 100 Mbit/s ermöglichen. Der Bonner Konzern will dabei die sogenannte Vectoring-Technologie nutzen. Damit lassen sich die in den Sechzigerjahren verlegten Kupferleitungen aufrüsten. Das ist billiger, als Gräben zu buddeln und neue Glasfaserkabel zu verlegen, aber dennoch umstritten: Einige Experten sehen das Verfahren allenfalls als eine Brückentechnologie. Langfristig, so argumentieren sie, müssten die Haushalte an ein schnelleres und stabileres Netz aus Glasfaser- oder Fernsehkabeln gebracht werden. Vor zwei Wochen hat die Bundesnetzagentur, die hierzulande über den Wettbewerb in der Telekommunikation wacht, der Telekom dennoch den Weg zum Einsatz von Vectoring geebnet.

Immer mehr Beobachter haben allerdings den Eindruck, dass die Bundesnetzagentur dabei nicht mehr als unabhängige Behörde agiert, sondern als der Erfüllungsgehilfe der Bundesregierung. Die nämlich hat versprochen, dass bis 2018 jeder deutsche Haushalt Zugang zum Internet mit einer Download-Geschwindigkeit von 50 Mbit/s haben soll. Zu erreichen ist dieses Ziel nur, wenn verschiedene Technologien, also Glasfaser- und Kupferkabel sowie Funkverbindungen eingesetzt werden.

Denn anders als etwa Südkorea steckt Deutschland keine staatlichen Subventionen in die Internetversorgung. Und es versucht auch nicht, so wie einige Länder in Skandinavien, Hauseigentümern durch steuerliche Anreize einen schnellen Anschluss nahezulegen. Der Netzausbau ist hierzulande Sache der Netzanbieter. Und denen bleibt nur eine Möglichkeit, um die dafür notwendigen Milliarden zu verdienen: Sie müssen Kunden von den Vorzügen solch eines schnellen Internetanschlusses überzeugen. Die meisten Deutschen sind in dieser Frage aber eher knauserig. Im Vorteil ist also, wer die Kosten möglichst niedrig halten kann. So wie die Telekom, wenn sie nun mit Vectoring die bereits verlegten Kabel verbessern kann.

"Die beabsichtigte Entscheidung verzögert und verteuert den erforderlichen Glasfaserausbau."

Im Nachteil, so fürchten die Verfasser des Protestschreibens, wären ausgerechnet die Unternehmen, die für deutlich mehr Geld stabilere und vor allem im Upload schnellere Glasfaserkabel verlegen. Denn beim Vectoring kann nur ein Unternehmen die Hoheit über wichtige Verteilstationen im Netz haben; sonst kommt es zu technischen Störungen. Wenn die Telekom, so wie es die Bundesnetzagentur nun will, sechs Millionen Haushalte mit Vectoring versorgt, hätten die Anbieter von Glasfaseranschlüssen dort keine Chance mehr. Und zwar auch nicht auf Einnahmen, die sie gut gebrauchen könnten, um den Glasfaserausbau anderswo voranzubringen. "Die von der Bundesnetzagentur beabsichtigte Entscheidung verzögert und verteuert den dringend erforderlichen weiteren Glasfaserausbau, anstatt ihn zu beschleunigen", kritisierten die Unterzeichner in dem Brief, der nicht nur an die beiden für digitale Fragen zuständigen Kommissare Andrus Ansip und Günther Oettinger, sondern auch an die Wettbewerbs-, Industrie- und Verbraucherkommissarinnen geht. Beim Vectoring gehe es jetzt "nicht nur um eine Regulierungsentscheidung, sondern vor allem um eine zentrale Weichenstellung mit gesellschaftspolitischer Tragweite für die nächsten zehn Jahre", warnen die Verbände. Die EU-Kommission hat noch bis Mitte Mai Zeit, die Vectoring-Pläne zu prüfen.

"Wir brauchen Glasfaser", sagt Peter Pascher vom Deutschen Bauernverband. Zumal die technischen Möglichkeiten zur Analyse von Daten zum Wetter oder zum Nährstoffgehalt in Boden und Pflanzen weiter steigen werden. Gerade einmal ein Viertel der Landwirte in seinem Verband ist mit der Internetversorgung ihrer Betriebe zufrieden, schätzt er. In anderen Ländern, etwa im Baltikum oder in den Niederlanden, gebe es deutlich schnellere Anschlüsse - und damit auch bessere Möglichkeiten für die Bauern.

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