Telekom-Chef René Obermann:Mit dem Rücken zur Wand

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Passable Zahlen, gravierende Altlasten und ein richtiges Serviceproblem - das ist die persönliche Bilanz des Telekom-Chefs Obermann nach sechs Monaten. Er ist ein Getriebener.

Paul Katzenberger

Etwas mehr als ein halbes Jahr sitzt René Obermann nun auf dem Chefsessel der Telekom. Als Vorstandschef eines Dax-Unternehmens musste er am Donnerstag zum vierteljährlichen Rapport antreten - und der Pflichttermin fiel für ihn sehr durchwachsen aus. Obermann hat weiter mit Altlasten zu kämpfen. Auch mit ihm, dem jungenhaften 44-jährigen Konzernchef gibt es Problemstau bei der Telekom.

Die Geschäftszahlen fürs zweite Quartal präsentierte Obermann gewohnt souverän, wobei ihm entgegen kam, dass er dieses Mal keine allzu bösen Überraschungen zu verkünden hatte. Der Quartalsumsatz (15,6 Milliarden Euro) entspricht exakt den Erwartungen, der interne Gewinn (4,9 Milliarden Euro) liegt sogar leicht über den Prognosen der Experten.

Der erste und der zweite Blick

Doch die Zahlen stimmen nur auf den ersten Blick: Während das Auslandsgeschäft rundläuft, bleibt die Telekom im Inland sowohl im Festnetz als auch beim Mobilfunk unter Druck. Obermann, der Hoffnungsträger, ist ein Getriebener.

Einige Aufgaben aus dem Pflichtenheft hat der Telekom-Chef inzwischen angepackt, doch freigeschwommen hat er sich deswegen noch lange nicht.

Ziel erreicht

Von seinem Vorgänger Kai-Uwe Ricke hat Obermann die undankbare Aufgabe geerbt, 50.000 Mitarbeiter in eine neue - schlechter dotierte - Servicegesellschaft auszulagern. Das Ziel ist erreicht, vier Stunden Mehrarbeit sind durchgesetzt, und auch der Lohnverzicht von minus 6,5 Prozent entspricht fast den ursprünglichen Forderungen.

Doch für all diese Ergebnisse zahlt Obermann einen Preis, der ihm gar nicht recht sein kann: Der fünfwöchige Streik, den die Auslagerung provoziert hat, kostete die Telekom nach Schätzungen der Gewerkschaft Verdi eine halbe Million Arbeitstage. Die Abarbeitung der liegengebliebenen Aufträge könnte demnach bis zum April des nächsten Jahres dauern. Angeblich können die Call-Center der Telekom derzeit nur 20 Prozent der aktuell hereinkommenden Aufträge bearbeiten, da der Rest der Mannschaft mit der Abarbeitung des Auftragsstaus beschäftigt ist.

Obermann muss das schmerzen, denn unter solchen Umständen leidet vor allem eins: Die von ihm so oft beschworene Verbesserung der Servicequalität. Es verwundert daher nicht, dass der Telekom im zweiten Quartal 516.000 weitere traditionelle Telefonanschlüsse abhanden kamen.

Zweischneidig

Um die Abwanderung der Kundschaft zumindest teilweise aufzufangen, forciert Obermann die Gründung der konzerneigenen Billig-Marke Congstar - doch auch dieses Manöver birgt Gefahren.

Einerseits hat der Ex-Monopolist so tatsächlich reelle Chancen, den Kundenschwund zumindest hinauszuzögern. Doch je größer der Erfolg von Congstar ausfällt, desto stärker kannibalisiert sich die Mutterfirma Telekom selbst. Schließlich ist jeder Billig-Kunde mehr bei Congstar ein gut bezahlender Kunde bei der Telekom weniger.

Ein Sorgenkind Obermanns bleibt die Geschäftskundensparte T-Systems. Beständig sinken hier Umsatz und Ertrag - und so erscheint ein Verkauf dieser Aktivitäten dringlicher denn je. Das Problem: Es wollen sich einfach keine Interessenten aufdrängen. Zuletzt schien nur noch ein Finanzinvestor in Frage zu kommen. Das aber klingt nicht nach großer Verheißung, schließlich ist die Private-Equity-Branche durch die US-Immobilienkrise arg gebeutelt worden.

Telekom-Chef Obermann mag darauf verweisen, dass ihm derzeit nicht allein in der Branche ein scharfer Gegenwind entgegenbläst. Ein richtiger Trost ist das nicht.

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