Telekom-Callcenter:Verschiebemasse Mensch

Das Angebot der Telekom an die von der Schließung Betroffenen ist eine Unverschämtheit: Denn Mitarbeiter sind keine Autos, die man irgendwo abstellt.

Sibylle Haas

So ist es Usus: Geht es den Firmen schlecht, dann sparen sie als Erstes bei den Mitarbeitern. Löhne werden gekürzt, Sozialleistungen zusammengestrichen, Taktzeiten erhöht. Und wenn das nicht hilft, entlassen die Firmenchefs Leute oder versetzen sie auf andere Arbeitsplätze.

Telekom-Callcenter: Mitarbeiter sind keine Verschiebemasse, die ein Unternehmen heute hier und morgen dort einsetzen kann - egal, wie viel sie verdienen.

Mitarbeiter sind keine Verschiebemasse, die ein Unternehmen heute hier und morgen dort einsetzen kann - egal, wie viel sie verdienen.

(Foto: Foto: ddp)

Wie Unternehmen Einschnitte gestalten

Unternehmen tun sich oft schwer damit, ihre Energiekosten zu senken; aber sie werfen mit leichter Hand Leute heraus. Das ist bittere Realität, und dem steht auch das deutsche Arbeitsrecht nicht im Wege: Wer Werke schließen oder Fabriken ins Ausland verlagern will, kann das tun.

Entscheidend ist, wie die Unternehmen solche harten Einschnitte gestalten. Ist den Bossen der einzelne Mitarbeiter wichtig? Unterscheiden die Manager zwischen dem Kapital, das in Maschinen steckt, und dem, was man in der Wirtschaftssprache schnöde Humankapital nennt?

Sind die Beschäftigten für sie also bloß unternehmerische Verschiebemasse - oder Menschen? Oft zeigt sich erst in der Krise, ob Manager die Kunst der Mitarbeiterführung beherrschen und fähig sind, sich in andere hineinzudenken.

Realitätsfernes Angebot

Bei der Deutschen Telekom kann man in diesen Tagen ins Zweifeln kommen. Der ehemalige Staatskonzern schließt etwa jedes zweite Callcenter, was angeblich aus Kostengründen notwendig ist. Die Telekom bietet den Mitarbeitern an, dass sie stattdessen in einem anderen Callcenter arbeiten können, doch das liegt in vielen Fällen zwei Autostunden entfernt.

Solch ein Angebot ist unverschämt. Wer in einem Callcenter arbeitet, verdient nicht viel. Unter den Telekom-Mitarbeitern sind viele Frauen, die mit ihrem Teilzeitjob 1000 Euro im Monat nach Hause bringen und nicht selten alleinerziehend sind.

Wer von ihnen eine zweistündige Anfahrt zur Arbeit verlangt, ist realitätsfern - oder fordert, ohne es zu sagen, zur Kündigung auf.In einem solchen Fall wäre es ehrlicher, wenn das Unternehmen von sich aus kündigt und eine anständige Abfindung zahlt.

Menschen sind an Orte gebunden

Mitarbeiter sind keine Verschiebemasse, die ein Unternehmen heute hier und morgen dort einsetzen kann - egal, wie viel sie verdienen. Denn die meisten Menschen sind an einen Ort gebunden, sie haben dort Familie oder Freunde.

Wenn ein Mitarbeiter sich gegen einen Umzug sträubt, hat das oft nichts mit Bequemlichkeit zu tun, sondern mit Sicherheit und sozialen Kontakten. Mancher hat ein Haus gebaut, dessen Kredit er und der berufstätige Ehepartner abbezahlen, andere haben Kinder, die zur Schule gehen, oder einen Angehörigen zu pflegen. Es gibt Lebensentwürfe, zu denen ein Ortswechsel einfach nicht passt.

Mitarbeiter sind keine Autos, die man benutzt und, wenn man sie gerade nicht braucht, irgendwo parkt. Sie sind auch keine Maschinen, die man ausrangiert, wenn sie nicht mehr funktionieren. Menschen sind mehr wert als die Summe ihrer Leistungen im Betrieb. Das zu respektieren, gehört zur sozialen Verantwortung von Firmenchefs und von allen, die über Personal entscheiden.

Es ist in sämtlichen Managementbüchern nachzulesen: Firmen, die soziale Verantwortung übernehmen, haben eine bessere Unternehmenskultur und wirtschaftlichen Erfolg. Meist sind es eher die kleinen Firmen, der Mittelstand, der das von sich sagen kann.

Mitarbeiter statt Planstellen

Das liegt daran, dass es dort wirklich um "Mitarbeiter" geht, während bei den großen Konzernen von "Planstellen" die Rede ist. Der mittelständische Unternehmer kennt seine Leute und oft auch deren Familien. Dem Konzernchef sind meist nur die Personalziffern bekannt.

Mitarbeiter, die das Gefühl haben, sie sie seien bloß Verschiebemasse, leben ihren Missmut aus. Häufig schieben sie nur noch Dienst nach Vorschrift, wenn sie sich nicht mehr anerkannt fühlen. Wer innerlich gekündigt hat, strengt sich nicht an. Das aber ist gerade für ein Unternehmen fatal, das in einer Krise steckt. Um die Krise zu meistern, brauchen Firmen gute Ideen ihrer Mitarbeiter.

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