Teldafax-Pleite:Teldafax-Manager bekommen Bewährungsstrafen

TelDaFax Zeppelin in der BayArena Heimspielstätte von Bayer 04 Leverkusen Leverkusen Herren Fußba

Der Billigstromanbieter ließ im Stadion in Leyerkusen einen Zeppelin auftauchen, um für sich zu werben

(Foto: Norbert Schmidt/imago)
  • Ein Gericht hat zwei Ex-Chefs des Billigstromanbieters Teldafax wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu Bewährungsstrafen von einem Jahr und vier Monaten beziehungsweise elf Monaten verurteilt.
  • In der Verhandlung war die Anklage mehr und mehr in sich zusammengefallen. Die Verurteilten wollen in Berufung gehen.

Von Christoph Giesen und Markus Zydra, Bonn

Auf dieses Urteil haben Hunderttausende Stromkunden seit Jahren gewartet. Den beiden Angeklagten erscheint es zu hart, sie werden wohl in Berufung gehen. Vielen Betroffenen hingegen mag es wohl zu weich vorkommen. Das Landgericht Bonn verurteilt Klaus Bath und Gernot Koch, die beiden früheren Chefs des insolventen Billigstromanbieters Teldafax wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu Bewährungsstrafen von 16 Monaten beziehungsweise elf Monaten. Die beiden Männer müssen zudem Sozialstunden ableisten. Bath 300, Koch 180.

Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft die ehemaligen Manager auch wegen gewerbsmäßigen Betrugs angeklagt. 2015 begann der Prozess vor dem Landgericht. Doch nach 109 Verhandlungstagen und mehr als 60 Zeugenvernehmungen brach die Anklage mehr und mehr in sich zusammen. Mitte vergangenen Jahres gab das Gericht dann eine Teileinstellung bekannt. Es blieb die Insolvenzverschleppung und die Verletzung von Buchführungspflichten.

"Teldafax wollte mit seinen billigen Stromtarifen Gewinn machen, das war so kalkuliert", sagt Richter Marc Eumann am Mittwoch in seiner Urteilsbegründung. Ein Schneeballsystem sei Teldafax nicht gewesen. Allerdings hätte früher Schluss sein müssen.

Begonnen hatte der Anfang vom Ende im Juni 2011, als der damalige Vorstandschef Gernot Koch den Insolvenzantrag beim Bonner Amtsgericht stellte. Daraus ist eine der größten Pleiten der deutschen Wirtschaftsgeschichte geworden. Mehr als 300 000 Gläubiger haben Forderungen angemeldet. Insgesamt geht es um die Summe von 750 Millionen Euro.

Die Behörden, findet der Richter, hätten es Teldafax leicht gemacht, die Insolvenz zu verschleppen

Zum Insolvenzverwalter wurde 2011 der Düsseldorfer Anwalt Biner Bähr bestellt. Ein erfahrener Mann, der zuvor Hertie und den Möbelhersteller Schieder abgewickelt hatte. Doch was er bei Teldafax vorfand, war selbst für ihn neu. "Es war ein einziges Chaos", erinnert sich Bähr. Wenige Stunden nach der Insolvenz kam er das erste Mal in die Zentrale des Billigstrom-Anbieters Teldafax nach Troisdorf in der Nähe von Bonn. "Fast 240 000 ungeöffnete Briefe lagen herum. Die Buchhaltung war auf dem Stand von März." Und täglich kamen neue Briefe hinzu. "Durch die Insolvenz haben viele Leute versucht, ihre Verträge zu kündigen."

So irrsinnig waren die Tage nach der Insolvenz

Vom Postamt fuhr fast täglich ein Lastwagen mit Briefen zu Teldafax. "Der Post-Fahrer ist morgens ausgestiegen und musste bis abends warten, so lange hat es oft gedauert, bis alle Rückscheine der Einschreiben von den Mitarbeitern quittiert waren." Ein Irrsinn, auf den auch Richter Eumann in seinem Urteil eingeht. Es sei bei Teldafax drunter und drüber gegangen, sagt er und zitiert einen Wirtschaftsprüfer, der als Zeuge aufgetreten war: "Man hat in den offenen Reaktor von Tschernobyl geschaut." Die beiden Angeklagten hätten das alles billigend in Kauf genommen und viel zu spät einen Insolvenzrechtler eingeschaltet.

Zu einem ähnlichen Urteil kam Verwalter Bähr bereits ein Jahr nach der Insolvenz, mit einem Team von Anwälten und Rechnungsprüfer hatte er sich durch die Akten gewühlt. Im Sommer 2012 sagte er: "Wir haben den Fall gerichtsfest aufgearbeitet." Seit Mai 2009 sei das Unternehmen "durchgängig insolvenzreif" gewesen. In seiner Vernehmung vor Gericht wiederholte er das.

Nach der Öffnung der Strommärkte war Teldafax mit billigen Tarifen schnell gewachsen. Das Geschäftsmodell war von Anfang an hoch riskant. Die günstigen Konditionen finanzierte Teldafax mit den Vorauszahlungen einer immer größeren Zahl von Neukunden. Verluste hat die Firma bewusst in Kauf genommen. Strom und Gas verkaufte Teldafax teilweise günstiger, als es im Einkauf dafür zahlte. Für ein paar Monate mag das gut gehen, aber über Jahre? Zeitweise waren 41 Prozent der Verträge nicht kostendeckend.

Mit jeder Kilowattstunde, die Teldafax verkaufte, stiegen auch die Stromsteuern. Im Juni 2009 forderte das Hauptzollamt Köln schließlich 28,3 Millionen Euro nach. Weil das Unternehmen nicht zahlen konnte, schickte die Behörde zwei Finanzbeamte zur Prüfung. Die Firma sei bilanziell überschuldet, heißt es in ihrem Gutachten. Trotzdem räumte das Amt eine Stundung ein. Schon damals hätte wohl alles vorbei sein können - beziehungsweise es hätte vorbei sein müssen, urteilt nun das Gericht in Bonn. "Vom 16. Juli 2009 an begann die Insolvenzverschleppung", urteilt Richter Eumann nun.

Der Vorstand warnte den eigenen Aufsichtsrat, frisches Geld sei bald nötig. Doch nichts geschah

Bemerkenswert ist, dass zu jener Zeit auch der Teldafax-Vorstand zu just diesem Ergebnis kam. Klaus Bath war damals der Chef, Gernot Koch gehörte dem dreiköpfigen Gremium ebenfalls an. Im Juli 2009 schrieben sie einen Brief an ihren Aufsichtsrat. Wenn nicht bald frisches Geld fließe, gebe es nur zwei Handlungsmöglichkeiten: die sofortige Insolvenz oder der Rücktritt des Vorstandes. Nichts geschah. Einzig der damalige Finanzvorstand Alireza Assadi, dessen Idee der Brief war, wurde im Oktober 2009 vom Aufsichtsrat abberufen. Er habe kurz davor gestanden, die Insolvenz einzuleiten, sagte er später im Prozess aus. Assadi musste gehen. Teldafax jedoch konnte weiter Stromkunden akquirieren.

Zugunsten der Angeklagten wertet das Gericht, dass beide Angeklagte nicht vorbestraft sind und die betroffenen Kunden auf eine vergleichsweise hohe Insolvenzquote hoffen dürfen. Das liegt vor allem daran, dass der Insolvenzverwalter gleich nach der Pleite damit begonnen hatte, etliche Zahlungen anzufechten. Nach der Insolvenzordnung können Überweisungen, die ein bereits insolventes Unternehmen vor Eröffnung des Verfahrens geleistet hat, zurückgefordert werden. Voraussetzung ist, dass eine drohende Insolvenz für den Vertragspartner zu erkennen gewesen ist.

Anfang 2016 sprach Bähr als Zeuge im Teldafax-Prozess schon von einem Betrag in Höhe von 250 Millionen Euro, den er bei Großgläubigern erstritten habe. Das soll aber noch nicht das Ende sein. "Das Verfahren wird weiterhin intensiv betrieben", sagt ein Sprecher des Insolvenzverwalters, der sich nicht auf ein Ende des Verfahrens festlegen will.

Etliche Zivilgerichte sind in den vergangenen Jahren der Argumentation des Verwalters gefolgt. So musste der Fiskus eine dreistellige Millionensumme zurückzahlen - die Stromsteuer seit Sommer 2009. Auch der Fußballverein Bayer 04 Leverkusen musste ein Teil des Geldes wieder abgeben; Teldafax war zeitweilig Trikotsponsor ("Wechseln ist'n Klax"). Die Firma war mit seinen Zahlungen an Leverkusen im Oktober 2009 mit 3,5 Millionen Euro im Zahlungsrückstand geraten und hatte mehrfach um Stundungen der Beträge gebeten. Ein deutliches Anzeichen für eine Insolvenz. Die danach über Jahre verschleppt wurde - wie das Gericht jetzt festgestellt hat.

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