Taxi-Streit in den USA:Albtraum in Blau-Rosa

Taxi-Streit in den USA: Dieses leuchtende Symbol fällt auf: Der rosa Schnurrbart steht für das Fahrdienst-Netzwerk Lyft.

Dieses leuchtende Symbol fällt auf: Der rosa Schnurrbart steht für das Fahrdienst-Netzwerk Lyft.

(Foto: Jeff Chiu/AP)

Sie sind der Schrecken der Taxibranche: Private Fahrdienste machen sich in amerikanischen Großstädten breit. Nun liefern sich die beiden größten Anbieter in den USA einen Kampf um die Vormachtstellung. Mit rüden Methoden.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

An einer belebten Kreuzung unter dem Freeway, der sich über San Francisco hinwegschlängelt, tobt der Kampf um das Taxi der Zukunft. Und wie so oft in der Tech-Industrie sieht die Schlacht zunächst aus wie eine Party: Ein paar Jungs tanzen am Straßenrand und halten dabei bunte Schilder in die Höhe, ein Taco-Koch verschenkt Essen, und ein Mann mit rosa Klebeschnurrbart weist Autos, auf deren Heckscheibe ein blaues "U" leuchtet, auf einen Parkplatz ein.

Leuchtende Buchstaben, rosa Bärte: Wer die Symbole kennt, weiß, dass es hier nicht um Spaß, sondern um viel Geld geht. Zwei Unternehmen kämpfen gerade um die Marktmacht in jener "Ridesharing"-Branche, die sich in kurzer Zeit zum Albtraum amerikanischer Taxifahrer entwickelt hat.

"U", das steht für Uber. Der rosa Bart auf der Stoßstange hingegen gehört zur Konkurrenz namens Lyft. Beiden Organisationen gemein ist, dass sie aus San Francisco stammen und per App Privatchauffeure vermitteln, die durch flexible Preise häufig günstiger als Taxis sind. Und dass sie mit ihren Angeboten nicht nur Taxis, sondern sich auch gegenseitig verdrängen wollen.

"Wir klauen Uber die Fahrer", gibt der Mann mit dem rosa Klebeschnurrbart unumwunden zu, während er das nächste Auto hineinwinkt. Nur wer eine möglichst große Flotte freiberuflicher Chauffeure aufbieten kann, macht Umsatz. Und deshalb hat sich Lyft genau gegenüber des Uber-Servicezentrums postiert, wo die Fahrer des Konkurrenten ein und aus gehen. "500 Dollar und einen Taco" lautet die Belohnung auf den bunten Schildern, die Seitenwechsler anlocken sollen.

Nicht dass sich Uber anders verhalten würde: Das Unternehmen zahlt ebenfalls Überläufer-Prämien und lässt derzeit Plakatlaster durch die Stadt fahren. "Rasier den Bart ab" steht darauf und das Versprechen von bis zu 50 Dollar Umsatz die Stunde. Lyft reagierte und ließ seinerseits "Du bist mehr als eine Nummer" plakatieren - der Verweis auf angeblich bessere Arbeitsbedingungen.

Fahrer bangen um ihr Einkommen

Was in San Francisco zu erleben ist, passiert derzeit in vielen amerikanischen Großstädten: Nicht nur, dass Lyft, Uber und kleinere Konkurrenten wie Sidecar oder Gett expandieren, ohne sich um örtliche Zulassungsregeln zu scheren, der Kampf um die Fahrer hat so bizarre Ausmaße angenommen, dass zum Teil noch während des Feierabendverkehrs Abwerbeversuche stattfinden, um die Nachfrage der Passagiere befriedigen zu können.

Die Investoren schließen derzeit Wetten ab, wer am Ende siegen wird: Uber sammelte vergangenen Sommer 300 Millionen Dollar ein, unter anderem von Google Ventures und Goldman Sachs. Anfang April verkündete wiederum Lyft eine neue Investitionsrunde und hat nun für insgesamt 333 Millionen Dollar Firmen wie den chinesischen Tech-Giganten Alibaba oder Andreessen Horowitz mit an Bord. Derzeit, so heißt es, arbeitet auch Uber an einer neuen Finanzierungsrunde für 500 Millionen Dollar, auf dem Papier wäre die Firma dann zwölf Milliarden Dollar wert.

Weil Uber international aggressiver als die Konkurrenz expandiert und mittelfristig als Übernahmekandidat für seinen Investor Google gilt, hat es derzeit die Favoritenrolle. Doch der Markt ist noch unsortiert: Viele Länder regulieren den Personentransport stark, die Taxibranche leistet in fast allen europäischen Großstädten Widerstand, und zunehmend gibt es regionale Rideshare-Anbieter, die die US-Vorbilder kopieren, bevor diese überhaupt den Markt entern können.

Gerade Uber hat zudem weiterhin mit dem schlechten Ruf seines Dienstes und dem Vorwurf zu kämpfen, es wähle seine Fahrer nicht sorgfältig genug aus: In Los Angeles verschleppte ein Uber-Chauffeur eine betrunkene Kundin in ein Motel, in San Francisco erhob die Staatsanwaltschaft diese Woche Anklage gegen einen Uber-Fahrer, der einen Passagier geschlagen haben soll.

Und auch in der Fahrergemeinde grummelt es hörbar: Mancher Privatchauffeur erzählt unter der Hand von Zweifeln, ob sein Einkommen wirklich zum Leben reicht. Die Kampfpreispolitik der Anbieter hat die Umsätze der Fahrer geschmälert, neben den 20 Prozent Vermittlungsgebühr geht zudem bis zu ein Drittel der Einnahmen für Benzin und Wartung drauf. Und als Freiberufler tragen sie das Hauptrisiko, wenn sie einen Unfall bauen.

Uber-Chef Travis Kalanick trug vergangene Woche nicht gerade zu einer besseren Stimmung bei. In einem Interview machte er deutlich, dass ihm das Schicksal der Fahrer ziemlich egal ist. Was denn aus ihnen werde, wenn demnächst fahrerlose Autos Passagiere durch die Straßen navigieren könnten? "Nun, die Welt entwickelt sich dahin", antwortete Kalanick lapidar, "und die Welt ist nicht immer gerecht".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: