Tarifvertrag für Mitarbeiter im Einzelhandel:Amazon droht harter Arbeitskampf

Warnstreik bei Amazon Bad Hersfeld

Nach dem Scheitern der Tarif-Verhandlungen: Erstmals werden die zwei Amazon-Werke in Bad Hersfeld bestreikt.

(Foto: dpa)

"Zu wenige Gemeinsamkeiten für Verhandlungen": Mit diesen Worten lehnte Amazon die Forderung der Gewerkschaft Verdi ab. Diese will den Online-Händler dazu bringen, die Mitarbeiter nach dem Tarifvertrag für den Einzelhandel zu bezahlen. Jetzt werden im größten Logistikstandort Bad Hersfeld Streiks vorbereitet.

Von Sibylle Haas

Der Online-Händler Amazon steht vor einem harten Arbeitskampf. Betroffen sind die großen Logistikzentren in Bad Hersfeld und Leipzig. Bereits am Dienstag wurden erstmals die zwei Werke in Bad Hersfeld bestreikt. Das Logistikzentrum dort ist der älteste und größte Amazon-Standort in Deutschland. Mehrere Hundert Mitarbeiter gingen nach Gewerkschaftsangaben in den Warnstreik. Die Gewerkschaft Verdi hatte die Mitarbeiter zu Informationsveranstaltungen vor den Werkstoren eingeladen, um über die Gespräche vom Vortag zu berichten.

Verdi will Amazon dazu bringen, die Mitarbeiter nach dem Tarifvertrag für den Einzelhandel zu bezahlen. Doch Amazon lehnt das ab. Am Montag waren die Gespräche für das Logistikzentrum in Bad Hersfeld aus Verdi-Sicht endgültig ohne Erfolg beendet worden.

"Der Versuch zur Aufnahme von Tarifverhandlungen zum Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages ist gescheitert", sagte Bernhard Schiederig, Landesfachbereichsleiter für den hessischen Handel bei Verdi und Verhandlungsführer. "Die Beschäftigten werden über die weiteren Schritte beraten, Urabstimmungen werden für die kommenden Wochen in Bad Hersfeld vorbereitet", kündigte er an. Damit kommt es dort wahrscheinlich im Mai zum regulären Streik. Bis dahin seien weitere Warnstreiks nicht ausgeschlossen. Für einen Streik ist eine Zustimmung von 75 Prozent der Mitglieder erforderlich.

Im Logistikzentrum in Leipzig kommt es wahrscheinlich noch im April zu längerfristigen Arbeitsniederlegungen. Auch dort geht es um die Tarifbindung. In Leipzig haben nach Gewerkschaftsangaben 97 Prozent der Verdi-Mitglieder für den Ausstand gestimmt. Der werde momentan noch vorbereitet, sagte eine Verdi-Sprecherin. Wann gestreikt werde, stehe daher noch nicht fest. Allerdings werde man den Termin nicht zu früh bekannt geben, um zu verhindern, dass Amazon die personellen Lücken mit Leiharbeitern stopft. "Zu den tariflichen Arbeitsbedingungen gibt es keine Alternative. Gute Arbeit muss auch fair bezahlt werden", sagte Verdi-Verhandlungsführer in Sachsen, Jörg Lauenroth-Mago.

Amazon bestätigte, dass in den vergangenen Wochen mehrere "informelle Gespräche" mit Verdi stattgefunden haben. "Obgleich wir bereit sind, die informellen Gespräche fortzusetzen, sehen wir derzeit zu wenige Gemeinsamkeiten, um Verhandlungen aufzunehmen", hieß es weiter. Amazon orientiere sich bei der Bezahlung der Mitarbeiter am Tarifvertrag für die Logistikbranche, lehne eine Tarifbindung aber nach wie vor ab. "Mitarbeiter der deutschen Logistikzentren liegen mit ihrem Einkommen am oberen Ende dessen, was in der Logistikindustrie üblich ist", teilte die Firma mit. Das Einstiegsgehalt liege bei einem Stundenlohn von 9,30 Euro brutto und steige nach einem Jahr auf mehr als 10 Euro. Hinzu kämen Boni sowie nach zwei Jahren Aktien. "Diese Aktien-Zuteilung entspricht der Amazon-Philosophie. Die Mitarbeiter sollen teilhaben am Erfolg des Unternehmens".

Verdi fordert neben dem Abschluss eines Tarifvertrages für den Handel ein tarifliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Nachtzuschläge ab 20 Uhr und eine Lohnuntergrenze von 10,66 Euro in der Stunde. Nach einem Jahr soll der Stundenlohn auf 11,39 Euro steigen. Nachtzuschläge werden laut Verdi bisher erst ab Mitternacht gezahlt, Weihnachts- und Urlaubsgeld gar nicht. Der US-Konzern beschäftigt weltweit etwa 70 000 Menschen und baut in Deutschland kräftig aus. Allein im September 2012 wurden zwei Logistikzentren eröffnet, in Koblenz und in Pforzheim. Damit entstehen laut Amazon in Deutschland langfristig etwa 2000 neue Arbeitsplätze. Momentan gebe es in den deutschen Logistikzentren in Graben bei Augsburg, in Bad Hersfeld, Leipzig, Rheinberg, Werne, Pforzheim und Koblenz etwa 9000 fest angestellte Vollzeitmitarbeiter, teilte Amazon mit.

Allein in den beiden Werken in Bad Hersfeld sind nach Firmenangaben 2900 Menschen fest angestellt, weitere 750 Beschäftigte sind befristet. Am Standort Leipzig seien es etwa 1500 Festangestellte und 600 befristete Mitarbeiter. In vier Logistikzentren gibt es momentan Betriebsräte, in Bad Hersfeld und Leipzig gründeten sich die ersten.

Amazon war unlängst wegen miserabler Arbeitsbedingungen in Deutschland unter Beschuss geraten. Der Firma wurde in einer Fernsehreportage vorgeworfen, Leiharbeiter schlecht zu behandeln. Amazon hat daraus Konsequenzen gezogen und die Zusammenarbeit mit der umstrittenen Sicherheitsfirma beendet.

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