Tarifstreit:IG Metall startet Warnstreiks

Um Mitternacht ist im Metall-Tarifstreit die Friedenspflicht abgelaufen. Kurz darauf haben Tausende Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie ihre Arbeit niedergelegt.

Nach dem Scheitern der Tarifgespräche sind Tausende Metallarbeiter nach dem Ende der Friedenspflicht um Mitternacht zeitweise in den Ausstand getreten.

Tarifstreit: Auch bei Audi in Ingolstadt unterbrachen etwa 4000 Beschäftigte ihre Arbeit.

Auch bei Audi in Ingolstadt unterbrachen etwa 4000 Beschäftigte ihre Arbeit.

(Foto: Foto: Reuters)

Im bayerischen Ingolstadt legten nach Gewerkschaftsangaben etwa 4000 Beschäftigte der Nachtschicht beim Autobauer Audi die Arbeit für etwa zwei Stunden nieder und nahmen an einer Kundgebung vor den Werkstoren teil. Mit Fackeln formierten sie sich zu einer Acht, um ihrer Forderung nach acht Prozent mehr Lohn Nachdruck zu verleihen.

Die Arbeitgeber haben 2,1 Prozent Einkommenserhöhung und eine Einmalzahlung von 0,8 Prozent angeboten. In der Branche sind bundesweit 3,6 Millionen Menschen beschäftigt.

Mit einer Frühschlussaktion beim Autobauer Audi in Neckarsulm liefen die Warnstreiks in Baden-Württemberg an. Alle 1000 Beschäftigten der Nachtschicht verließen nach IG Metall-Angaben eineinhalb Stunden vor ihrem regulären Schichtende am Samstagmorgen ihren Arbeitsplatz.

Augsburg, Berlin, Osnabrück

Sie verliehen mit Fackeln und Fahnen vor den Werkstoren der Gewerkschaftsforderung Nachdruck. Die Bänder standen still. "Die Beschäftigten halten das Angebot der Arbeitgeber für unzumutbar, weil es nicht einmal die Preissteigerung ausgleicht, und gehen deshalb auf die Straße", sagte der IG Metall-Chef für Heilbronn/Neckarsulm, Rudolf Luz.

Bei Osram in Augsburg ruhte die Arbeit in der Nacht vorübergehend. Hier gingen nach Gewerkschaftsangaben mehr als 100 Beschäftigte auf die Straße. Bei MAN Diesel trafen sie sich mit Beschäftigten des Dieselmotorenherstellers zu einer Kundgebung, an der laut IG Metall insgesamt etwa 500 Menschen teilnahmen. Die Gewerkschaft hatte einen leuchtenden Heißluftballon organisiert, auf dem ebenfalls die Forderung nach acht Prozent mehr Lohn prangte.

In Berlin-Spandau legten nach Angaben der IG Metall etwa 200 Beschäftigte der Glas- und Lampen-Produktion der Osram-Werke ihre Arbeit nieder. Beim Autozulieferer Johnson Controls, im ehemalige Werk des Batterieherstellers Varta in Hannover, streikten Arbeiter nach Mitternacht vorübergehend.

Auch in Bramsche bei Osnabrück traten Beschäftigte in einen befristeten Ausstand. Bei der Schiffswerft Nordsee-Werke im Emder Binnenhafen folgten 40 Mitarbeiter dem Aufruf der Gewerkschaft. Auch in Kiel und Itzehoe machten Arbeiter Druck.

Beim Weißblech-Hersteller Rasselstein in Andernach (Rheinland-Pfalz) unterbrachen Mitarbeiter ihre Arbeit. Einige hundert Menschen versammelten sich vor dem Werkstor. Im hessischen Offenbach beteiligen sich nach Angaben der IG Metall etwa 300 Beschäftigte an einem Warnstreik beim Autozulieferer GKN.

"Nicht verantwortlich für Finanzmarktkrise"

IG Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine warf bei einer Kundgebung vor dem Tor des Batterieherstellers in Hannover in der Nacht zum Samstag den Arbeitgebern Hinhaltetaktik vor. Mit einem völlig unzureichenden Angebot hätten sie die Warnstreiks provoziert, sagte Meine.

"Die Forderung nach acht Prozent mehr Geld ist berechtigt", sagte Meine. Mit mehr Geld in der Tasche könnten die Beschäftigten auch den Konsum im Inland beleben. "Wir sind nicht verantwortlich für die Finanzmarktkrise und auch nicht bereit, die Zockerei der Finanzjongleure auszubaden", sagte Meine.

Am Montag seien zahlreiche weitere Aktionen geplant, sagte der bayerische IG Metall-Chef Werner Neugebauer bei einer nächtlichen Kundgebung. "Die Wucht der Warnstreiks wird massiv sein." Allein in Bayern könnten in den nächsten zehn Tagen mehr als 200 Betriebe mit mehr als 100.000 Beschäftigten betroffen sein. Dann könnten sich die Warnstreiks auch über mehrere Stunden hinziehen.

Die Arbeitgeber wiederum nannten die Forderung der Gewerkschaft "absurd" und "bizarr". Sie verweisen vor allem darauf, dass sich die konjunkturelle Lage der Branche in den vergangenen Tagen und Wochen dramatisch verschlechtert habe.

Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Ulrich Brocker, kritisierte angesichts des Konjunktureinbruchs das Festhalten der Gewerkschaft an einem Lohnplus von acht Prozent. Die IG Metall habe diese Forderung zu früh festgelegt und dann nicht der veränderten Realität angepasst, monierte Brocker in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

Wenn möglichst viele der im Aufschwung geschaffenen 250.000 neuen Arbeitsplätze über die Krise gerettet werden sollten, müsse "die Lohnsteigerung niedriger ausfallen als beim letzten Mal".

Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser warnte unterdessen vor den Folgen von Warnstreiks. Wenn diese an der Schwelle zu regulären Streiks seien, könnten sie schwere Schäden anrichten, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Dann werden Termine nicht eingehalten und Kundenbeziehungen erschwert." Dabei zählten Pünktlichkeit und Verlässlichkeit zu den "Hauptunterscheidungsmerkmalen" gegenüber Mitbewerbern.

Trotz der verhärteten Fronten setzen beide Seiten nach wie vor auf eine Lösung am Verhandlungstisch. Eine Einigung wird auch vom Ergebnis der weiteren Verhandlungen im Pilotbezirk Baden-Württemberg abhängen. Falls es bis zum 10. November nicht zu einem Abschluss kommt, will der Vorstand der IG Metall dann entscheiden, ob er seine Mitglieder zu einer Urabstimmung über Streikmaßnahmen aufruft.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: