Tarifkonflikt bei der Lufthansa:Zoff der Gewerkschaften

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Welcher Pilot darf welches Flugzeug fliegen? Und wer vertritt nun die Flugbegleiter? Die Lufthansa muss sich mit verschiedenen Gewerkschaften einigen - die sich untereinander heftig befehden.

Jens Flottau

Offiziell spielt das Thema Nummer eins natürlich überhaupt gar keine Rolle. Und so treffen sich die Tarifkommission der Lufthansa-Regionaltochter Cityline und die Unternehmensvertreter zu ihren Tarifverhandlungen und hören sich gegenseitig zu.

Die Lufthansa hat trotz der massiv gestiegenen Ölpreise im ersten Halbjahr 2008 deutlich mehr Gäste gezählt. Intern muss der Konzern dagegen harte Verhandlungen führen. (Foto: Foto: AP)

Schweigen über Thema Nummer eins

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) fordert substantiell bessere Gehälter und Bedingungen für die Regional-Crews, aber sie beziffert ihre Forderungen nicht. Es scheint so, als warte sie auf Signale in Sachen des eigentlichen Streitthemas.

Das Thema Nummer eins spielt offiziell keine Rolle, weil es das nicht darf. Schließlich verhandeln die beiden Seiten nur über einen neuen Vergütungstarifvertrag. Seit 2004 aber streitet sich die Fluggesellschaft mit der VC über Grundsätzliches: Welche Flugzeuge werden wo eingesetzt? Auch nach vier Jahren Gesprächen stehen sich Unternehmen und Gewerkschaft in diesem Punkt unversöhnlich gegenüber.

Wer was fliegen darf

Im Kern geht es um die sogenannte 70-Sitzer-Regel. In einem 1992 abgeschlossenen und bis heute gültigen Vertrag ist festgelegt, dass mit einigen Ausnahmen alle Maschinen mit mehr als 70 Sitzen von den Piloten der Lufthansa Classic geflogen werden müssen, die im Konzern für die großen Jets ab der Boeing 737 aufwärts zuständig sind.

Ein altgedienter Classic-Kapitän kommt auf etwa 300.000 Euro Jahresgehalt, bei der Cityline auf etwa zwei Drittel dessen. Generell verdienen weltweit Regionalpiloten schlechter als ihre Kollegen auf den großen Jets, weil ihre Gehälter mit deutlich weniger Sitzen erwirtschaftet werden müssen.

Für Ende der Woche wird ein aufgestocktes Lufthansa-Angebot erwartet, doch dürfte dies zunächst den Konflikt wohl nicht lösen. Denn die Lufthansa hat 30 Maschinen des Typs Embraer 190 und 195 bestellt und will diese bei der günstigeren Cityline einsetzen.

Cityline droht das Aus

Die Embraers kommen aber auf 118 Sitze und liegen damit deutlich über dem Limit. Personalvorstand Stefan Lauer argumentiert in einem Brief an die Piloten, dass die 70-Sitzer-Regel nicht mehr zeitgemäß sei und dass sich die neuen Regionaljets im teuren Konzern nicht wirtschaftlich einsetzen lassen.

Die Gewerkschaft befürchtet, dass "jede Möglichkeit genutzt wird, den Konzerntarifvertragsbereich zu reduzieren", so VC-Chef Tim Würfel in der Mitgliederzeitschrift VC Info. Mittlerweile drängt die Zeit, denn die ersten Maschinen werden nächstes Jahr ausgeliefert.

Die Lufthansa sieht sich inzwischen schon nach Fluggesellschaften um, die die Embraer für sie betreiben könnten, sollte sie sich nicht mit der VC auf einen Kompromiss einigen. Das wiederum aber würde mittelfristig das Aus für die Konzerntochter Cityline bedeuten, denn die bisherige Flotte wird nach und nach ausgemustert.

Ähnlich vertrackt ist die Lage in den Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi über den Abschluss für die Mitarbeiter am Boden und in der Kabine. Die Fluggesellschaft kann sich nur einen Abschluss für das Bodenpersonal erlauben.

Ärger zwischen Bodenpersonal und Flugbegleitern

Der Grund: Die Flugbegleiter werden vor allem von der Unabhängigen Flugbegleiter-Organisation (UFO) vertreten - der UFO-Tarifvertrag läuft aber noch bis Ende des Jahres. Die Spezialgewerkschaft ist sowieso schon deutlich renitenter als Verdi und fordert 15 Prozent mehr Geld.

Durch einen Abschluss mit Verdi würde sich Lufthansa, so befürchtet man im Konzern, in eine ähnlich missliche Lage manövrieren wie die Bahn in ihrem langen Tarifstreit mit der Gewerkschaft der Lokführer (GdL).

Erschwert wird die Lage dadurch, dass sich UFO und Verdi gegenseitig heftig befehden. Der ehemalige UFO-Chef Mirko Vorwerk ist nach mehrjährigen Querelen mittlerweile bei Verdi gelandet und soll der Gewerkschaft mehr Rückhalt bei den Flugbegleitern verschaffen, auf Kosten der UFO natürlich.

© SZ vom 10.07.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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