Tarifeinigung im öffentlichen Dienst:6,3 Prozent verteilt auf zwei Jahre

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Die Beschäftigten von Bund und Kommunen bekommen nach zähen Verhandlungen rückwirkend zum 1. März mehr Geld. "Damit sind die Arbeitgeber bis an die Schmerzgrenze gegangen", sagt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Verdi-Chef Frank Bsirske zeigt sich zufrieden - mit einer kleinen Ausnahme.

Die gut zwei Millionen Angestellten des Bundes und der Kommunen bekommen in den nächsten beiden Jahren schrittweise 6,3 Prozent mehr Geld. Die Bundestarifkommissionen der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes stimmten am Samstagmorgen in Potsdam mit knapper Mehrheit einem entsprechenden Tarifvertrag zu. Sowohl Verdi-Chef Frank Bsirske als auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) begrüßten die Einigung. Im Hinblick auf die zähe Verhandlung erklärte Friedrich: "Das war kein Marathon, sondern ein Ironman".

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (rechts im Bild) und Verdi-Chef Frank Bsirske verkünden die Einigung im Tarifstreit im öffentlichen Dienst. (Foto: dpa)

Der Tarifabschluss war von den Verhandlungsführern der Tarifparteien am Freitagabend ausgehandelt worden war. Rückwirkend ab 1. März sollen 3,5 Prozent mehr Gehalt gezahlt werden. Weitere Tarifanhebungen erfolgen zum Januar und August 2013. Eine monatliche soziale Komponente für untere Einkommensgruppen scheiterte am Widerstand der Kommunen. Arbeitnehmer ab 55 sollen künftig 30, jüngere 29 Tage Urlaub erhalten. Auszubildende erhalten eine höhere Vergütung und werden nach einjähriger Bewährungszeit unbefristet übernommen.

Die Bundestarifkommission der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi stimmte dem Entwurf des Tarifabschlusses am Morgen erst nach einer fast achtstündigen nächtlichen Beratung zu.

Verdi-Bundeschef Frank Bsirske sagte, es sei gelungen, einen deutlichen und spürbaren Reallohnabschluss zu erhalten und den Abstand des öffentlichen Dienstes zur Privatwirtschaft zu verringern. Es sei indes bedauerlicherweise nicht gelungen, eine soziale Komponente für die unteren Einkommensgruppen am Verhandlungstisch durchzusetzen. Nach Bsirskes Angaben waren im März während der bundesweiten Warnstreiks mehr als 23.000 neue Mitglieder Verdi beigetreten.

Bundesinnenminister Friedrich betonte, die Tarifparteien hätten unter Beweis gestellt, dass das Tarifsystem auch ohne Schlichtung funktioniere. Die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gehören mit dem Tarifabschluss zu den Gewinnern der Tarifrunde. Es sei deutlich geworden, dass sie von der allgemeinen Lohnentwicklung nicht abgehängt würden. Zudem sei ein weiterer Arbeitskampf mit dem Tarifabschluss verhindert worden. "Die Belastung für den Bundeshaushalt wird rund 550 Millionen Euro betragen. Damit sind die Arbeitgeber bis an die Schmerzgrenze gegangen", sagte Friedrich.

Keine weiteren Streiks

Der Präsident der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle, sagte, die Kommunen seien vom Arbeitskampf in besondere Weise stark betroffen und froh, dass diese Einigung erzielt wurde. Zahlreiche kommunale Einrichtungen hätten im Zentrum von Streiks gestanden. Weitere Streiks seien mit dem Tarifabschluss verhindert worden. Allerdings hätten zahlreiche Gemeinden Probleme, die Kosten des Abschlusses von in diesem Jahr 2,2 und 2013 4,3 Milliarden Euro zu finanzieren, sagte Böhle.

Der Deutsche Städtetag hingegen sieht in der Einigung eine enorme Belastung für die Kommunen. Der Kompromiss komme den Erwartungen der Beschäftigten entgegen, die damit "am wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland teilhaben" könnten, sagte Verbands-Hauptgeschäftsführer Stephan Articus am Samstag. Allerdings gehe er "an die Grenze des Vertretbaren". Nach eigenen Angaben haben die Gemeinden 130 Milliarden Euro Schulden.

Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes hatten 6,5 Prozent, monatlich jedoch mindestens 200 Euro mehr für eine Laufzeit von zwölf Monaten gefordert. Bund und Kommunen hatten während einer zweijährigen Laufzeit abgestuft zunächst 3,3 Prozent ohne Sockelbetrag für die unteren Einkommensgruppen geboten.

Die Einigung erfolgte erst am vierten Verhandlungstag der dritten Tarifrunde. Davor hatten sich bundesweit mehr als 200.000 öffentlich Bedienstete an Warnstreiks beteiligt. Die hohe Mobilisierung hatte selbst die Gewerkschaften überrascht. Die befristeten Arbeitsniederlegungen galten als Vorgeschmack auf das, was den Bürgern ohne Einigung gedroht hätte.

Bund und Kommunen war es im Herbst 2005 letztmals gelungen, einen Tarifabschluss ohne Schlichtung herbeizuführen. Die Tarifabschlüsse 2008 und 2010 konnten erst nach harten Arbeitskämpfen und Schlichtungsverfahren vereinbart werden.

Die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst bilden den Auftakt einer Reihe weiterer Auseinandersetzungen. Ende April endet in der Metallindustrie die Friedenspflicht, auch in Elektroindustrie und der Chemiebranche stehen Verhandlungen an.

© Süddeutsche.de/AFP/Reuters/dpa/dapd/mkoh/joku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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