Talente: Oliver Burkhard (9):Gewerkschafter in Nadelstreifen

Oliver Burkhard ist einer der jüngsten Bezirksleiter der IG Metall - den einen gilt er als Karrierist, den anderen als großes Talent.

Sibylle Haas

Die Zeiten, in denen Gewerkschafter hemdsärmelig daherkommen und mit derben Parolen Krawall schlagen, sind vorbei. Das gilt zumindest für die IG Metall, immerhin die mit mehr als 2,3 Millionen Mitgliedern (2007) größte Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Seit dem Führungswechsel im November steht fest: Die Gewerkschaft muss moderner werden und sich erneuern. Das gilt für die Schwerpunkte der Gewerkschaftsarbeit ebenso wie für die Leute, die in der Organisation verantwortlich sind. Überzeugen, statt poltern, ist angesagt.

Talente: Oliver Burkhard (9): Mit 36 Jahren leitet Oliver Burkhard eine der wichtigsten IG-Metall Bezirksstellen in Nordrhein-Westfalen.

Mit 36 Jahren leitet Oliver Burkhard eine der wichtigsten IG-Metall Bezirksstellen in Nordrhein-Westfalen.

(Foto: Foto: IG Metall)

Der 36-jährige Bezirksleiter in Nordrhein-Westfalen, Oliver Burkhard, gehört zu der neuen Riege. Er hat im Dezember vorigen Jahres als einer der Jüngsten die Führung eines Bezirks übernommen. Er leitet sogar eine der wichtigsten von insgesamt sieben Bezirksstellen, denn aus Nordrhein-Westfalen kommt gut ein Viertel aller IG-Metall-Mitglieder.

Burkhard ist ein Managertyp, den man im Job meist mit Anzug und Krawatte antrifft. "Ein guter Tarifpolitiker findet einen Kompromiss, mit dem beide Seiten leben können. Tarifpolitiker haben nicht die Aufgabe, Krach zu machen, sondern Lösungen zu finden." Solche Sätze gehören zu seinem Repertoire, ebenso wie Burkhard von der Marke und vom Image der IG Metall spricht, das klarer herausgearbeitet werden müsse, "damit die Mitglieder wissen, warum sie in der Gewerkschaft sind".

Laut, aber nicht lautstark

Burkhard ist wegen solcher Aussagen manch Altgedientem im Gewerkschaftslager etwas suspekt. Noch dazu hat der Mann keine klassische Gewerkschaftslaufbahn hingelegt, die gewöhnlich im Betrieb mit der Jugendarbeit beginnt und nach vielen Jahren harter Arbeit in die Bezirksleitung führt. Burkhard hat einfach einige Stationen ausgelassen. Für manche ist er deshalb ein Karrierist, für andere eine große Begabung. Als Quereinsteiger mit viel Energie, der laut - aber nicht lautstark - sagt, was er will, beschreiben ihn jedoch Befürworter und Gegner gleichermaßen. "Er ist fair im Umgang und hart in der Sache", heißt es im Arbeitgeberlager.

Mit 16 Jahren begann der in Mainz aufgewachsene Burkhard 1988 beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten. Doch die Tätigkeit als Sachbearbeiter in der Abteilung Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen füllte ihn nicht aus. Burkhard machte zunächst das Abitur an der Abendschule nach und studierte dann berufsbegleitend Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule in Mainz. "Es kann nicht schaden, wenn ein Gewerkschafter weiß, wie ein Unternehmer tickt", sagt Burkhard. "Es ist gut, wenn man versteht, wovon die andere Seite spricht", kontert er einigen Gewerkschaftern, denen betriebswirtschaftliches Denken ein Graus ist.

Während seines Studiums hatte Burkhard an diese Art Überzeugungsarbeit freilich nicht gedacht. Das kam erst später bei der IGMetall, als er Begründungen für Lohnforderungen finden musste. Da habe er sich immer auch die Köpfe der Arbeitgeber hineingedacht. Den Beitritt zur Gewerkschaft verdankt er zu einem großen Teil dem Zufall. Der Wirtschaftsexperte der IGMetall, Ulrich Eckelmann, suchte für seine Abteilung einen Konjunkturbeobachter. Da Eckelmann zuvor ebenfalls beim Statistischen Bundesamt gearbeitet hatte, bekam er von dort einen Tipp und der hieß: Oliver Burkhard. "Das war für mich eine Riesenchance", erklärt Burkhard. Die Aufgabe habe ihn gereizt, aber auch die Gewerkschaftsarbeit. "Dort zu arbeiten hat Sinn und Zweck, dachte ich mir". Es habe ihn angespornt, an einer solidarischen Gesellschaft mitzuwirken, "weil Solidarität für ein menschenwürdiges Zusammenleben wichtig ist". Burkhard ist seit 2001 auch Mitglied der SPD.

Eiskalt erwischt

Burkhard wurde 1997 mit erst 25 Jahren Politischer Sekretär bei der IG Metall in der Frankfurter Zentrale. 2002 ging er zum ersten Mal in den Bezirk Nordrhein-Westfalen. Dort koordinierte er als Bezirks- und Tarifsekretär die Tarifrunden. Bereits drei Jahre später stieg er in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale zum Bereichsleiter für Tarifpolitik auf und arbeitete bis Ende 2007 eng mit dem heutigen IG-Metall-Chef Berthold Huber zusammen.

Kurz nach Amtsantritt als Bezirksleiter in Nordrhein-Westfalen im Januar dieses Jahres erwischte es ihn eiskalt. "Ich war gerade auf der Vorstandssitzung in Frankfurt. Der Anruf meiner Kollegin platzte mittenrein", erinnert sich Burkhard. Die Nachricht lautete: Der Handyhersteller Nokia schließt das Bochumer Werk, betroffen sind 2300Festangestellte und 1000 Zeitarbeitnehmer. "Das war ein Schock, aber ein heilsamer im Nachhinein", sagt Burkhard.

Der Nokia-Fall habe gezeigt, dass eine Gewerkschaft nicht nur auf Produktivität und Rendite achten darf, sondern auch auf die Entwicklungen einer Branche. "Wir haben es nicht genug zum Thema gemacht, dass da einiges im Umbruch war." Er findet, die Gewerkschaft schon vor Jahren darauf hinwirken hätte müssen, dass die Forschungs- und Entwicklungsabteilung ausgebaut wird. "Für einfachere Tätigkeiten besteht immer ein hoher Verlagerungsdruck ins Ausland", sagt er. Trotz des Desasters, das die Werkschließung für die Betroffenen bedeute, freue er sich, dass er für die Beschäftigten einiges herausgeholt hat. Das Volumen für den Sozialplan betrage 200 Millionen Euro. Das sei mehr, als die Schließung des AEG-Werks in Nürnberg gekostet habe. Dort waren aber auch weniger Menschen betroffen.

Schneller Abschluss oder Streik

Burkhard hat in seinem neuen Job auch Glück gehabt. Als die Stahltarife verhandelt wurden, war die Konjunktur gut - und damit die Ausgangslage für einen guten Zuschlag. Im Februar erstritt Burkhard einen Tarifabschluss für die Stahlarbeiter, der sich mit einem Lohnplus von 5,2 Prozent sehen lassen kann, es ist der höchste Stahlabschluss seit 15Jahren.

Mit seinem forschen Drang auf einen schnellen Abschlus hatte Burkhard einige Mitstreiter am Anfang der Verhandlungen aber auch erschreckt. "Nach vier Runden Abschluss oder Streik", war seine Ansage. Das Ultimatum verfehlte seine Wirkung indes nicht: Der Abschluss war in der vierten Runde durch. Auch das ist neu an dem neuen Mann: Er hat auf das Ritual verzichtet, bei dem sich die Tarifpartner allmählich einem Ergebnis nähern und dann zermürbt einen nicht immer befriedigenden Abschluss finden. Burkhard hat "das Thema schnell durchgezogen" - und für seine "Kunden" viel herausgeholt.

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