Talente: Georg Fahrenschon (19):Der Mann der Zahlen

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Eine Riesenchance: Georg Fahrenschon gilt als der Nachfolger Erwin Hubers im bayerischen Finanzministerium - der vorläufige Höhepunkt einer steilen CSU-Karriere.

Hannah Wilhelm

Was tun Politiker nicht alles im Wahlkampf? Heute muss Georg Fahrenschon auf einem Bauernhof in Dürrnhaar bei München Mist schaufeln, die Kuh Flocke melken und Traktor fahren. Oder zumindest so tun als ob, für die Fotografen. Das alles gehört nicht zum üblichen Repertoire des CSU-Staatssekretärs im bayerischen Finanzministerium.

Er könnte Erwin Hubers Nachfolger als Finanzminister werden: Georg Fahrenschon, der "Mann der Zahlen". (Foto: Foto: ddp)

Und irgendwie sieht er auch so aus, als wäre er an diesem Samstag um sieben Uhr morgens lieber ganz woanders, vermutlich bei seiner Frau und seinen zwei kleinen Töchtern. Oder wenigstens bei seinen Akten. Mit nigelnagelneuen Gummistiefeln stapft er durch den grauen Augustmorgen und den Kuhmist. Neben ihm stiefelt der gutgelaunte Jungbauer Wilhelm Zeidler, und dessen Blaumann ist wesentlich überzeugender verdreckt als die Jeans von Fahrenschon.

"Riesenchance" als Hubers Nachfolger

Nein, es gibt Dinge, die kann er besser. Viel besser. Die Erbschaftsteuer zum Beispiel hat er drauf. Und sowieso alles, was mit Zahlen zu tun hat. Da ist er sehr gut. Das sagt sogar die Konkurrenz von der SPD, natürlich nur hinter vorgehaltener Hand und nicht zu laut, aber ja, der Fahrenschon, der wisse, wovon er spricht.

Und dass er gute Chancen hat, dem bayerischen Finanzminister Erwin Huber im Amt nachzufolgen, das stellt auch kaum mehr jemand in Frage. Außer Fahrenschon selbst. Er beteuert, dass schon der Job des Finanzstaatssekretärs eine "Riesenchance" für ihn als 40-Jährigen sei. Weiter denke er noch gar nicht. Das muss er wohl sagen.

Mit nur 40 Jahren ist er tatsächlich jung für einen, der im bayerischen Kabinett sitzt und wichtige politische Entscheidungen trifft. Als Ministerpräsident Günther Beckstein ihn im Oktober 2007 für den Job des Finanzstaatssekretärs nominierte, wunderte das trotzdem niemanden. Fahrenschon hat sich den Posten erarbeitet. Fünf Jahre lang saß er für die CSU im Bundestag in Berlin, war Vorsitzender des Arbeitskreises Finanzen und Haushalt der CSU-Landesgruppe, außerdem Mitglied im Finanzausschuss.

Als Huber und Beckstein einen Finanz- und Haushaltsexperten für den Posten des Staatssekretärs suchten, kamen sie kaum an ihm vorbei. Wobei - fast wäre er CSU-Generalsekretär geworden. Aber dann holte ihn Huber doch ins Finanzministerium und damit in seine Nähe. Er wird wissen, warum.

"Zahlen sind verlässlich"

Ja, er mag Zahlen, sagt Fahrenschon. Dann lacht er amüsiert über die Frage, wird aber schnell wieder ernst. "Zahlen sind handfest, verlässlich." Jurist hätte er nicht werden können, sagt der Diplom-Volkswirt. "Wortklauberei liegt mir nicht. Zahlen sprechen eine viel klarere Sprache."

Fahrenschon ist keine Dampfplaudertasche, wie man sie in der Politik immer wieder trifft. Er weiß gerne, wovon er spricht. Der bayerische Haushalt umfasst "39 Milliarden", das Finanzministerium ist mitverantwortlich für "300.000 Beamte" und er hat seinen Wahlkreis München-Land 2005 mit "52,7 Prozent" gegen Otto Schily gewonnen. Er mag Zahlen tatsächlich. "Mit Zahlen lässt es sich fundiert und sachlich argumentieren."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Georg Fahrenschon sein Hobby zum Beruf machte.

Einige Tage vor dem Besuch des Bauernhofs sitzt der Staatssekretär zwischen 25 mittelständischen Unternehmern im niederbayerischen Deggendorf und muss genau das tun: mit Zahlen sachlich argumentieren. Es ist stickig in der Gaststätte "Goldener Engel" und die Kellnerin trägt Flip-Flops zum Dirndl. Es geht um die Erbschaftsteuer, und die anwesenden Mittelständler sind sauer. Sie haben Angst um ihren Betrieb, den sie an ihre Söhne oder Töchter übergeben wollen, haben Angst, dass die Erbschaftsteuer die heimische Firma zu sehr belastet.

Er hört zu, ganz genau

Da kommt ihnen Fahrenschon gerade recht, arbeitet er doch in Berlin mit an der Reform der Steuer. Sie löchern ihn, warum er die lästige Steuer nicht einfach abschaffe. Sie stellen polternd ihre Fragen, sagen lautstark ihre Meinung. Fahrenschon schaut den Fragestellern kaum in die Augen, lächelt nicht, wirkt schüchtern. Er hält seine eindringlich blauen Augen auf das Blatt vor ihm gerichtet, macht sich gewissenhaft Notizen. Und er hört zu, ganz genau.

Dann erklärt er ihnen, dass das alles nicht so einfach sei mit der Abschaffung der Erbschaftsteuer. Dass da ja auch noch die SPD mitregiere. Und dass das neue Gesetz doch verfassungskonform sein solle, nachdem das alte vom Verfassungsgericht gekippt wurde - weil Immobilien-Erben bevorzugt behandelt wurden. Fahrenschon spricht laut. Am Ende hat er vielleicht nicht die Herzen der murrenden Mittelständler gewonnen, aber überzeugt hat er sie. Ahnung hat er, das müssen sie schon zugeben. "Ich glaub ihm ja", murmelt sogar der größte Grummler.

Politik ist besser als Handball

In seiner Jugend spielte Fahrenschon Handball. Er stand im Tor. "Aber dann habe ich gemerkt, dass Politik das viel bessere Hobby ist", sagt er. "Ich mag es, mit Menschen zu arbeiten und Konzepte zu entwickeln." Also reaktiviert er mit 16 Jahren die Junge Union (JU) in seinem Heimatort Neuried im Münchner Speckgürtel, steigt schnell in den Bundesvorstand der JU auf - aus dieser Zeit stammen seine guten und heute oft hilfreichen Kontakte zu Politikern der Schwesterpartei CDU. Bald sitzt er im Gemeinderat Neuried.

So geht es auch während seines BWL- und VWL-Studiums weiter. Er findet Förderer in der CSU: Werner Schnappauf, Joachim Herrmann, Erwin Huber. Das Hobby wird zum Beruf. Einen Plan B hatte er immer, auch heute noch. "Die Sicherheit brauche ich - ich muss eine Familie ernähren." Er könne sich jederzeit vorstellen, bei einer mittelständischen Firma zu arbeiten oder wieder als Berater, wie nach seinem Studium.

Am grauen Augustmorgen geht nun die Schicht auf dem Bauernhof langsam zu Ende. Zu den Kälbchen soll er noch schnell, für ein Foto. Fahrenschon parkt den Traktor, "millimetergenau, haben Sie das gesehen?", und eilt in den Stall. "Der Bauer hat gesagt, dass ich nicht untalentiert sei", stellt er später zufrieden fest. Aber - das weiß er wohl auch - es gibt Dinge, die kann er eben besser. Viel besser.

© SZ vom 8.9.2008/kim/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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