Talente: Emma Marcegaglia (2):Emma und die Bosse

Die Stahlunternehmerin Emma Marcegaglia rückt Ende Mai an die Spitze von Italiens einflussreichem Industrieverband - für das Land ist das eine Revolution.

Ulrike Sauer

An ihr Debüt in Italiens Wirtschaftselite kann sich Emma Marcegaglia noch gut erinnern. 29 war sie damals. "Ich betrat den Vorstandssaal und sah vor mir eine Riege grauhaariger Männer. Da standen die Romitis, Marzottos, Orlandos", erzählt sie. Marcegaglia selbst war gerade zur Präsidentin der Jungen Unternehmer gewählt worden und rückte damit automatisch in das Spitzengremium des italienischen Industrieverbandes Confindustria ein. So traf Emma auf die Bosse. Das war 1994.

Talente: Emma Marcegaglia (2): Emma Marcegaglia führt Europas größten Stahlverarbeiter in Italien - Marcegaglia SpA: "Ich glaube fest, dass die Globalisierung eine Chance für uns ist".

Emma Marcegaglia führt Europas größten Stahlverarbeiter in Italien - Marcegaglia SpA: "Ich glaube fest, dass die Globalisierung eine Chance für uns ist".

(Foto: Foto: ap)

Nun, knapp 14 Jahre später, greift die Stahlunternehmerin aus der Nähe von Mantua nach den Zügeln im mächtigen italienischen Wirtschaftsverband. Am 22. Mai rückt Marcegaglia als erste Frau - nach 27 Männern - an die Spitze der Industriellenlobby. Sie vertritt dann 126.000 Unternehmen mit 4,7 Millionen Beschäftigten. Mit der engagierten Globalisierungsanhängerin bahnt sich in Italien eine neue Führungsgeneration den Weg an die Macht.

Die 42-Jährige ist eine Ausnahmeerscheinung in einer zur Gerontokratie mutierten Gesellschaft. Die Chefetagen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sind südlich der Alpen gewöhnlich gegen den Nachwuchs abgeschottet. Marcegaglia will das ändern. In ihr Führungsteam will sie 40- und 50-Jährige berufen, die mittelständische Unternehmen lenken und Erfolg auf den Weltmärkten haben.

"Wir repräsentieren wettbewerbsfähige, innovative Unternehmen", das soll ihre Botschaft sein. Die Internationalisierung der italienischen Wirtschaft ist ihr wichtig. "Ich glaube fest, dass die Globalisierung eine Chance für uns ist".

Das klingt banal. Ist es aber nicht. Sollten die Italiener an diesem Montag Silvio Berlusconi zum dritten Mal einen Regierungsauftrag erteilen, wird Marcegaglia in Rom einen schweren Stand haben. Besonders scharf wird ihr der Wind aus dem Wirtschaftsministerium ins Gesicht wehen. Dort soll dann mit Giulio Tremonti Italiens Chef-Theoretiker des Protektionismus das Sagen haben. In der Alitalia-Krise zeigt die Führungsklasse in Rom gerade, wie stark sie dem wirtschaftlichen Nationalismus verhaftet ist.

Marcegaglia ist industriepolitisch auf einem anderen Dampfer. "Wir verlangen keine Subventionen und keine Schutzmaßnahmen", sagt sie. Von der Politik fordert sie, dass sie bessere Voraussetzungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen schafft. Dass sie es mit dieser Linie auch an der eigenen Basis nicht leicht haben wird, weiß sie. "Das stellt nicht alle zufrieden", sagt sie lächelnd. Einen Augenblick später ist die Freundlichkeit aus ihrem Gesicht verschwunden. "Aber in diesem Punkt lasse ich nicht mit mir reden", sagt Marcegaglia entschlossen.

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Emma und die Bosse

Der attraktiven Italienerin hängt im Heimatland das Image eines weiblichen Rambo an. Es stammt noch aus den Jahren, als sie als Chefin der Jungunternehmer mit kompromisslosen Vorstößen für Furore sorgte. Gefochten hat sie damals gegen die "Weiter-so"-Mentalität des Establishments, gegen das ewige Durchwursteln, gegen die ängstlichen Minimal-Korrekturen in der großen Frage der Sozial-Reformen. Seither kleben Spitznamen wie "Black & Decker", "Eiserne Lady" oder "Frau aus Stahl" an ihr. Heute erkennt sich die 42-Jährige in diesen Bezeichnungen kaum wieder. "Damals war schon ein wenig Härte im Spiel", räumt sie aber ein. Inzwischen sei sie ruhiger geworden. Doch wenn es um die Durchsetzung ihrer Ziele geht, tritt Marcegaglia nach wie vor resolut auf.

Im Schatten des Vaters

Als Mädchen träumte die Industriellentochter davon, Balletttänzerin zu werden. Dann aber schlug sie doch einen anderen Weg ein: Wirtschaftsstudium an der Mailänder Kaderschmiede Bocconi. Master in Business Administration an der New York University. Anschließend war die Tochter nach Ansicht ihres Vaters Steno Marcegaglia reif für die Insel. Der Unternehmensgründer schickte sie nach Venedig auf das Laguneneiland Isola di Albarella.

Auf der luxuriösen, familieneigenen Ferieninsel erwartete Emma eine Feuerprobe: die Sanierung der verlustreichen Tourismussparte des Stahlkonzerns. Das gelang ihr innerhalb von zwei Jahren. "Ich habe das Unternehmen meines Vaters durch den Haupteingang betreten", stellte sie damals stolz fest. Bis heute seien Neugier und der Drang, sich Herausforderungen zu stellen, ihre stärksten Antriebe. "Ich schaue in den Spiegel und frag mich: Mal sehen, ob du das schaffst?".

Emma Marcegaglia ist ein Papa-Kind. "Wir stehen uns charakterlich nahe", sagt sie. In Understatement und Durchsetzungskraft strebt sie ihrem Vorbild nach. Auch die Mutter bewies 1982, als Steno Marcegaglia 52 Tage in der Hand von Entführern war, Nervenstärke. "Bei uns trifft zu, dass hinter einem großen Mann stets eine starke Frau steht", bemerkt die Tochter.

Nun ist Emma selbst die Frontfrau. Aus dem Schatten des Vaters zu treten, fällt Industriellenkindern oft nicht leicht. Im Haus des sehr dominierenden Selfmade-Unternehmers Marcegaglia, der seine 1959 gegründete Firma zu Europas führendem Unternehmen in der Stahlverarbeitung ausbaute, war das nicht anders.

"Mein Vater hatte anfangs Schwierigkeiten, uns neben sich zu akzeptieren". Es gab Spannungen, man trat sich auf die Füße. Emma und ihr zwei Jahre älterer Bruder Antonio brachten neue Ideen ins Unternehmen. Sie setzten verstärkt auf externe Manager und forcierten die Auslandsexpansion. Inzwischen führen beide den Stahlkonzern. Sie ist für Finanzen und Verwaltung verantwortlich, er für Produktion und Vertrieb. Unbewusst habe ihr wohl auch die Confindustria-Laufbahn geholfen, "eine autonome unternehmerische Identität" zu erlangen, meint Marcegaglia.

Das Spitzenamt in Rom habe sie nicht explizit angestrebt, sagt sie. Bei der Wahl erhielt Marcegaglia 126 der 132 abgegebenen Stimmen. Klar, sie habe viel Kraft in die Industrielobby investiert. "13 Jahre Verbandsarbeit haben mir geholfen, zu wachsen". Umgekehrt kam ihr die gute Kenntnis des Machtapparates der Confindustria, deren Einfluss in Italien weit über den des BDI in Deutschland hinausgeht, zu Hilfe.

Nur zuhause in ihrer Villa in Mantua ist Emma Marcegaglia manchmal die Primaballerina ihrer Kindheitsträume. Für Töchterchen Gaia, 5, gebe es nichts Schöneres, als abends mit der Mama vor dem DVD-Spieler Tschaikowskys "Nussknacker" nachzutanzen. Eigentlich, erzählt Marcegaglia, sei sie dafür oft zu müde. "Aber meine Tochter soll wissen, dass ich für sie da bin."

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