Tabakindustrie:145-Milliarden-Dollar-Klage löst sich in Rauch auf

Aufatmen bei den US-Tabakkonzernen: Ein Berufungsgericht in Florida kippt ein spektakuläres Urteil aus dem Jahr 2000. Die Rekordhöhe an Schadenersatzleistungen sei rechtswidrig.

Zur Begründung hieß es, die Kläger hätten sich für den Prozess gegen die fünf größten Zigarettenfirmen in dem US-Staat nicht zusammenschließen dürfen. Für eine Sammelklage hätten die einzelnen Fälle zu wenig Gemeinsamkeiten aufgewiesen.

In dem Urteil vom Juli 2000 war das Gericht zu dem Schluss gelangt, die Konzerne Philip Morris, R.J. Reynolds, Brown Williamson, Lorillard und Liggett hätten wissentlich gesundheitsschädigende Produkte verkauft. Das Gericht hatte befunden, dass Zigaretten abhängig machten und ihr Konsum tödliche Folgen haben könne.

Die Geschworenen hatten die Tabakindustrie zu Schadensersatzzahlungen an schätzungsweise 300.000 bis 700.000 Kläger verurteilt. Drei krebskranke Raucher hatten in dem zweijährigen Prozess die gesamte Gruppe vertreten.

Urteil darf Unternehmen nicht in Ruin führen

Das Berufungsgericht erkannte am Mittwoch nicht nur den Status der Sammelklage ab, sondern gab den Tabakkonzernen auch darin Recht, dass die Höhe der Strafe gesetzeswidrig sei: Schließlich hätte die Zahlung die Firmen nach Ansicht des Gerichts in den Ruin getrieben.

So sei allein der Tabakkonzern Liggett zu Entschädigungszahlen verurteilt worden, die dem 23fachen des Nettowerts des Unternehmens entsprächen.

"Das Schicksal einer gesamten Industriebranche und von nahezu einer Millionen Einwohner Floridas darf nicht von einem derart unfairen Prozess abhängen", hieß es in der Urteilsbegründung. Als unfair werteten die Richter auch das Verhalten der Klagevertreter.

Besonders der Anwalt Stanley Rosenblatt habe Mitglieder der Jury, die einer ethnischen Minderheit entstammten, beeinflusst, indem er den Verkauf von Zigaretten mit der Sklaverei und dem Holocaust verglichen habe.

"Furchtbarer Schlag für die kranken Raucher"

Vertreter der betroffenen Firmen nahmen die Entscheidung mit Erleichterung zur Kenntnis. "Wir sind in jeder Hinsicht bestätigt worden", sagte Ronald Milstein, Vizepräsident von Lorillard Tobacco. "Das erste Urteil war komplett fehlerhaft und ein Hohn auf die Gerechtigkeit."

Ein Anwalt der Anti-Raucher-Bewegung bezeichnete das Urteil des Berufungsgericht dagegen als "furchtbaren Schlag für die kranken Raucher in Florida".

Nach dem Rekord-Urteil aus dem Jahr 2000 wurden in den USA die meisten Sammelklagen zurückgewiesen. Einzelklägern wurden jedoch zum Teil erhebliche Entschädigungszahlungen bis zu 100 Millionen Dollar (86 Millionen Euro) zugesprochen. In der ersten Instanz wurden teilweise noch höhere Strafen verhängt, sie wurden von den Berufungsgerichten aber wieder kassiert.

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