Tabakindustrie:Empfindliche Schlappen für die Tabakindustrie

  • Die Tabakindustrie kann sich im Kampf gegen härtere Regeln in zwei aktuellen Fällen nicht durchsetzen.
  • Ein Schiedsgericht in Singapur weist eine Klage von Philip Morris ab. Die EuGH-Generalanwälte halten Einwände gegen die EU-Tabakrichtlinie für unbegründet.

Analyse von Björn Finke, London

Es sind zwei Niederlagen für die Branche innerhalb weniger Tage: Tabakkonzerne wollen schärfere Regeln für Zigarettenpackungen in der EU verhindern. Doch Juliane Kokott, Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), schmälerte ihre Hoffnungen am Mittwoch deutlich. Ein Schiedsgericht in Singapur hatte die Firmen zudem bereits vergangene Woche bei einem anderen Verfahren abgewatscht. Weitere Prozesse laufen noch. Gleich mehrere Staaten haben zuletzt härtere Gesetze gegen die Branche erlassen, wogegen sich die Zigarettenhersteller stets vor Gericht wehren. Die zwei jüngsten Entscheidungen dürften ihre Erfolgsaussichten aber mindern.

Beim EuGH ging es nun um die neue Tabakrichtlinie der EU. Und damit um Milliardenumsätze und geschätzt 700 000 Rauchertote auf dem Kontinent im Jahr.

Zwei Drittel der Packung machen demnächst Warnungen und Schock-Fotos aus

Bis Mai 2016 müssen Mitgliedsstaaten per Gesetz festschreiben, dass Zigarettenschachteln zu zwei Dritteln von Warnhinweisen und abschreckenden Fotos zu Folgen der Sucht bedeckt werden. Die Richtlinie erlaubt es Regierungen zudem, strengere Vorschriften zu erlassen, etwa Logos auf Schachteln zu verbieten. Genau das haben Frankreich, Irland und England schon beschlossen. Daneben bannt der Rechtsakt der EU den Verkauf von Menthol-Zigaretten - von 2020 an - und untersagt Werbung für elektronische Zigaretten. Bei denen atmen die Raucher statt Qualm nikotinhaltigen Dampf ein. Alles in allem also harter Tobak für die Branche.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg musste sich mit gleich drei Klagen gegen die Richtlinie befassen, von den Firmen und von der polnischen Regierung. Generalanwältin Kokott kommt aber zu dem Schluss, dass die Einwände unbegründet sind. Das höchste Gericht der EU folgt meistens der Meinung der Generalanwälte, die den Fall aufbereiten. Das Urteil wird in einigen Wochen erwartet. Kokott schreibt in ihren Schlussanträgen, die Einschränkungen bei Verpackungen, Sorten und Werbung seien verhältnismäßig, schließlich stellten Zigaretten "extrem gesundheitsschädliche" Produkte dar. Die EU sei berechtigt, Mitgliedsländern hier Vorgaben zu machen.

Mehrere Staaten verbieten Logos komplett - die Branche sieht das als Enteignung an

In den kommenden Wochen wird auch der High Court in London, eines der höchsten Gerichte für England und Wales, über eine Klage der Tabakkonzerne entscheiden. Von Mai 2017 an sind in England Logos auf Zigarettenpackungen verboten. Die Schachteln sind dann einheitlich in dunkelbraun oder grün gehalten und werden großflächig mit Schock-Fotos und Warnungen bedruckt. Den Namen der Marke dürfen die Hersteller nur klein in einer vorgegeben Schrift aufdrucken.

Die umstrittene EU-Richtlinie gestattet den Staaten solche Vorgaben, doch die Unternehmen argumentieren vor dem High Court, sie würden dadurch enteignet. Schließlich haben sie ihre Marken über Jahrzehnte hinweg mit viel Geld aufgebaut und bekannt gemacht.

Irland und Frankreich erließen ähnliche Gesetze - die Konzerne haben prompt Klagen angedroht oder bereits eingereicht. Die Regierungen von Norwegen und Ungarn lassen sich davon nicht abschrecken: Auch sie haben einen Logo-Bann angekündigt. Vorbild all dieser Staaten ist Australien. Hier sind Logos auf Schachteln bereits seit 2012 verboten. Befürworter der Einheitspackung verweisen darauf, dass die Zahl der Raucher dort seitdem zurückging. Die Tabakunternehmen hingegen argumentieren, ein kausaler Zusammenhang sei nicht erwiesen; klar sei allerdings, dass das Verbot den Verkauf gefälschter Zigaretten ankurbele.

Die Branche zerrte die australische Regierung ebenfalls vor Gericht, in dem Staat und im Ausland. Bislang ohne Erfolg. Ein Schiedsgericht in Singapur brachte den Konzernen jetzt eine weitere Niederlage bei. Philip Morris hatte geklagt, der Logo-Bann verstoße gegen ein Investitionsschutz-Abkommen zwischen Australien und Hongkong. Aber der zuständige Richter in Singapur, der Deutsche Karl-Heinz Böckstiegel, erklärte, sein Gericht sei hier gar nicht zuständig.

Diese Entscheidung ist auch jenseits der Debatte um Rauchergesetze interessant. Internationale Schiedsgerichte wie das in Singapur sieht auch das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den Vereinigten Staaten und der EU vor. TTIP-Kritiker bemängeln, Firmen könnten solche Gerichte nutzen, um Gesetze zum Schutz der Verbraucher und der Umwelt auszuhebeln. Zumindest bei dieser Klage gegen Australien hat das nicht geklappt. Doch die Tabakkonzerne dürften nicht aufgeben. Der ungesunde Qualm wird auch im neuen Jahr viele Richter beschäftigen.

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