Zigaretten:Fusionsfieber in der Tabakbranche

Raucher

Gesundheit auf der Kippe: Wer raucht, erhöht sein Krebsrisiko.

(Foto: Arno Burgi/dpa)
  • Unter den großen Tabak-Konzernen bahnt sich eine milliardenschwere Übernahme an: Die weltweite Nummer vier, Imperial Tobacco, ist offenbar das Übernahmeziel - als mögliche Käufer bringen Beobachter gleich zwei Konkurrenten der Briten ins Spiel.
  • Es wäre die neueste Konzentration in einer Branche, in der es zuletzt immer wieder Milliarden-Deals gab.

Von Björn Finke, London

Es geht um Milliarden und Millionen: Hunderte Milliarden Dollar Umsatz, viele Milliarden Dollar Börsenwert - und geschätzt sechs Millionen Tote jedes Jahr als Folge des Rauchens. In der Zigaretten-Industrie dreht sich alles um große Zahlen. Die Fusion, über die gerade an den Finanzmärkten spekuliert wird, macht da keine Ausnahme. Der Hersteller Imperial Tobacco aus dem englischen Bristol, Nummer vier weltweit, soll übernommen werden, heißt es. Der Aktienkurs des Konzerns, zu dessen Markensammlung Gauloises und West gehören, stieg daraufhin an der Londoner Börse auf ein Rekordhoch. Die Firma ist nun 50 Milliarden Euro wert. Es wäre eine Riesen-Fusion in einer an ehrgeizigen Fusionen nicht armen Branche.

Zwei Rivalen als Kaufkandidaten

Der größere Rivale und Lucky-Strike-Produzent British American Tobacco aus London soll Banken wegen einer Finanzierung angesprochen haben, berichtet die Financial Times auf ihrer Webseite. Analysten äußern sich aber skeptisch: Da die Aktienkurse beider Unternehmen zuletzt kräftig zugelegt hätten, wäre es ein "sehr teures Geschäft, das einen ordentlichen Brocken an Krediten benötigt", sagt Mike van Dulken von Accendo Markets. Wettbewerbshüter könnten der Verbindung zudem hohe Hürden in den Weg legen.

Andere Beobachter bringen Japan Tobacco als Bieter ins Spiel, den drittgrößten internationalen Zigarettenkonzern, der Camel-Glimmstängel fertigt. Die Japaner haben erst vor zwei Monaten für fünf Milliarden Dollar Vertriebsrechte an der angesagten US-Marke Natural American Spirit gekauft. Das angebliche Ziel neuer Avancen, Imperial Tobacco, hatte wiederum im vergangenen Jahr für 7,1 Milliarden Dollar Zigarettenmarken vom US-Hersteller Reynolds American erworben und ist seitdem ein wichtiger Anbieter auch in den Vereinigten Staaten.

Das Fieber hat zwei Ursachen

Imperial Tobacco setzte im vorigen Jahr fast neun Milliarden Euro um. Den Konzern leitet eine Frau: Alison Cooper, eine 49-Jährige, die gerne mal eine Zigarre raucht. Reynolds gab seine Marken an Imperial Tobacco ab, um die Zustimmung der Wettbewerbshüter für ein viel größeres Geschäft zu erhalten - den in diesem Sommer abgeschlossenen Kauf des US-Rivalen Lorillard für 27,4 Milliarden Dollar. Eine Branche im Fusionsfieber.

Dieses Fieber hat zwei Ursachen: Die Unternehmen verdienen immer noch prächtig, erfreuen Anleger mit hohen Gewinnmargen und Dividenden. Süchtige zu versorgen ist ein gut erprobtes und zuverlässiges Geschäftsmodell. Geld genug für kostspielige Eroberungen ist also da. Zugleich müssen die Firmen auf zwei Entwicklungen reagieren, die den Markt gerade umkrempeln. Und die Übernahmen sollen dabei helfen. Zum einen sinkt die Zahl der Raucher in den Vereinigten Staaten und Europa stetig; Rauch- und Werbeverbote zeigen Wirkung.

In Europa schließen die Konzerne daher Fabriken. Wachstum versprechen aber die Märkte der Schwellenländer, wo sich die neuen Mittelschichten auf einmal teurere und vermeintlich coole Zigaretten aus dem Westen leisten können. Zum anderen wollen die Firmen am Boom der elektrischen Zigaretten teilhaben, bei denen die Süchtigen ihre Lungen nicht mit Qualm, sondern nikotinhaltigem Dampf füllen. Im Vergleich zum weltweiten Umsatz mit herkömmlichen Zigaretten ist das immer noch ein Nischenprodukt, doch die Zahl der Nutzer nimmt rasant zu.

Die Tabakkonzerne sind auf diesen Zug aufgesprungen: Wenn schon ein neues Gerät das Geschäft mit ihren Zigaretten bedroht, wollen sie wenigstens daran mitverdienen. Mit Nikotin und Sucht kennen sie sich ja aus.

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