T-Mobile US:Held und Bösewicht

John Legere, der 59-jährige Chef der amerikanischen Telekom-Tochter, hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren neu erfunden - mit seiner eigenen Persönlichkeit im Mittelpunkt. Er sieht die Welt eben auf seine Weise.

Von Kathrin Werner

Es geht los, wenn John Legere morgens aufsteht. Erst vielleicht ein Bild von einem niedlichen Hündchen mit pinkfarbener Fliege mit T-Mobile-Logo, danach ein Kommentar zu einem Artikel und schnell noch ein Video von sich selbst mit Konfetti-Kanone. Und so geht es weiter.

Legere, Chef von T-Mobile US, ist eine Marketingmaschine, sechs bis sieben Stunden verbringt der 59-Jährige jeden Tag auf sozialen Medien. Er selbst sieht aus wie eine wandelnde Litfaßsäule voller T-Mobile-Werbung, er hat sogar magenta-schwarze Socken mit seinem eigenen Konterfei darauf. "Ich schrecke vor nichts zurück", sagte er dem Wirtschaftsnachrichtensender CNBC. "Die Größe und das Ausmaß der Unternehmen, die ich mir vornehme - dazu braucht man eine Menge Mut."

File: T-Mobile Buys Sprint For $26.5 Billion

Er weiß sich zu inszenieren: John Legere bei einem TV-Auftritt.

(Foto: Chris Goodney/Bloomberg)

Als Legere im Herbst 2012 die Führung von T-Mobile US übernahm, steckte die Firma in der Krise. Sie war der viertgrößte Mobilfunkkonzern der USA. Die deutsche Mutter wollte das ungeliebte Kind loswerden, doch der Verkauf scheiterte. Das iPhone hatte T-Mobile als einziger großer Netzbetreiber nicht im Angebot. "Wir waren der am schnellsten schrumpfende Mobilfunkkonzern in Amerika", sagt Legere.

Heute hat T-Mobile den Konkurrenten Sprint überholt und ist die Nummer drei auf dem US-Markt. 20 Quartale in Folge hat die Firma mehr als eine Million Kunden gewonnen, heute sind es 74 Millionen.

Nun steht Legere vor seinem größtem Coup: Nach langem Hin und Her und mehreren Anläufen will T-Mobile US mit dem Konkurrenten Sprint fusionieren, der mehrheitlich dem japanischen Softbank-Konzern gehört. Das neue Unternehmen soll groß genug sein, um den zwei Marktführern AT&T und Verizon noch schneller Kunden abzujagen, er hätte 127 Millionen Kunden und einen Jahresumsatz von 63 Milliarden Euro. Mehrere US-Behörden müssen dem Geschäft noch zustimmen, und das wird "harte Arbeit", wie Telekom-Chef Timotheus Höttges am Donnerstag auf der Hauptversammlung in Bonn sagte.

Legere hat T-Mobile US völlig neu erfunden - mit seiner eigenen Persönlichkeit im Mittelpunkt. "Auf eine Weise ist er die Marke. Und die Marke ist er", sagte René Obermann, der von 2006 bis 2013 Chef der Telekom war, dem Sender CNBC. "Am Anfang war er ein kultureller Alien. Ein bisschen wie ein Rockstar in einem Symphonieorchester." Doch was Legere bei T-Mobile änderte, war nicht nur Marketing. Er wählt sich zum Beispiel immer wieder in Anrufe beim Kundenzentrum ein, um zu verstehen, über was sich die Kunden beschweren - ohne dass die Mitarbeiter es merken. Er ließ alles ändern, was zum Standard im Mobilfunk geworden war, die Kunden aber aufregte: Die Handyverträge sollten einfacher werden, es sollte keine endlose Vertragsbindung und keine merkwürdigen Zusatzgebühren mehr geben.

Legere wuchs in einer Mittelklasse-Familie in Massachusetts auf. Eigentlich wollte er Sportlehrer werden, bis er erfuhr, wie wenig man damit verdiente. Er ging dann mit einem Stipendium an die School of Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und machte später ein Aufbaustudium in Harvard. Danach arbeitete er 18 Jahre bei AT&T, "was recht witzig ist", sagt er. Denn AT&T ist heute sein Lieblingsadressat für Spott, Flüche und gemeine Sprüche. "Jede Geschichte braucht einen Helden und einen Bösewicht", sagt er. "Wir sind der Held und AT&T ist der Bösewicht." Wenn Legere über seine Branche spricht, sagt er Dinge wie: "dumme, kaputte, arrogante Industrie".

An seiner Bürotür hängt ein großes, magentafarbenes Batman-Logo. Batman - der Held, der für das Gute kämpft und gegen das Böse. In dem manche den Retter und Helden sehen und andere den Rächer mit fragwürdigen Methoden. Wie auch Legere. "Ich liebe den Sieg", schrieb Legere über sich im Harvard Business Manager. "Besonders, wenn andere dabei als Verlierer dastehen."

Hohes Risiko

Telekom-Chef Timotheus Höttges hat auf der Hauptversammlung des Konzerns am Donnerstag in Bonn für den 26 Millionen Dollar schweren Zusammenschluss von T-Mobile US mit dem kleineren Rivalen Sprint geworben. Die Aktionäre würden davon profitieren.

Zusammen mit Sprint könne die US-Tochter, an der die Telekom derzeit rund zwei Drittel hält, die US-Platzhirsche AT&T und Verizon, aber auch Comcast, Dish und Charter stärker unter Druck setzen. Aktionärsvertreter wiesen auf die Risiken hin. "Die Wahrscheinlichkeit, dass der Deal zustande kommt, wird unter 50 Prozent geschätzt", so Ingo Speich von Union Investment. Zudem sei offen, ob die in Aussicht gestellten Synergien tatsächlich gehoben werden könnten oder man stattdessen auf einem gigantischen Schuldenberg sitzen bleibe. Reuters

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