360T:Auf der Bierkiste

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Die Handelsplattform 360T hat schwere Zeiten hinter sich. Heute zählen 29 von 30 Dax-Firmen zum Kundenstamm.

Von Meike Schreiber

Der Zeitpunkt, den sich Carlo Kölzer und Kollegen vor mehr als 15 Jahren für die Gründung ihrer Firma 360T ausgesucht hatten, hätte kaum ungünstiger sein können. Gerade war die Dotcom-Blase geplatzt, die Aktienkurse im Keller und das Geld für Start-ups knapp. Doch Kölzer und Mitstreiter, alles ehemalige Investmentbanker, glaubten an ihre Idee: eine Handelsplattform, auf der Unternehmenskunden zu transparenten Gebühren Dollar, Pfund oder andere Devisen handeln können, ohne einzeln die Banken abtelefonieren zu müssen.

Was naheliegend klingt, war anfangs kein Selbstläufer. "Es war eine taffe Zeit voller Entbehrungen - monetär und auch für das private Umfeld", sagt Kölzer heute. Die Firmenzentrale lag damals noch über einem griechischen Restaurant an einer Ausfallstraße in Frankfurt; der erste Server stand auf einer Bierkiste. Außerdem war da das Henne-Ei-Problem, das jede Neugründung eines Handelsplatzes erschwert: "Sie gehen zum ersten Kunden und der fragt, wo sind die Banken? Dann gehen Sie also zu den Banken, und die fragen, wo sind die Kunden?", sagte Kölzer unlängst in einem Interview. Erst als sich die Dresdner Bank, Kölzers Ex-Arbeitgeber, anbot mitzumachen und sich mit der Lufthansa ein erster Kunde fand, ging es los. Bis die Plattform Gewinne machte und das Handelsvolumen die kritische Masse erreichte, dauerte es indes weitere drei Jahre. Mehrfach drohte das Geld auszugehen, auch wenn sich schließlich noch Investoren fanden, die die junge Firma fürs erste mit ausreichend Kapital ausstatteten.

Der Anbieter gilt als das wertvollste deutsche Fintech-Unternehmen

Diese Zeiten sind lange vorbei. Heute ist das Start-up nicht nur im schicken Frankfurter Westend Carrée untergebracht, es zählt auch 29 von 30 Dax-Firmen zu seinen Kunden und beschäftigt 200 Mitarbeiter. Und es ist der drittgrößte Anbieter von Devisensoftware weltweit. Und natürlich ist der Anspruch global: An 26 Standorten ist 360T heute vertreten und bedient nach eigenen Angaben mehr als 1500 Kunden in mehr als 90 Ländern. Diese handelten dort allein 2014 rund 2,8 Millionen Mal, wofür stets eine Provision anfiel. Unter dem Strich blieb laut den jüngsten veröffentlichten Zahlen (von 2012/2013) immerhin ein operatives Ergebnis von mehr als 20 Millionen Euro. Dass die Deutsche Börse dafür 725 Millionen Euro auf den Tisch legte, zeigt, dass es dem Unternehmen weiterhin großes Wachstum zutraut.

Und noch etwas zeigt der Verkauf: Dass es sich lohnen kann, in deutsche Fintechs zu investieren. Diesen Begriff, der für junge Firmen aus dem Finanz- und Technologiebereich steht, gab es zwar bei der 360T-Gründung im Jahr 2000 noch nicht. Als Kölzer aber vor wenigen Wochen auf einer Frankfurter Fintech-Konferenz von seiner Gründungszeit berichtete, hörten ihm die Branchenkollegen aufmerksam zu. Kein Wunder: Gilt 360T doch nicht nur als eines der wenigen Fintechs, die bereits eine jahrelange Erfolgsgeschichte vorweisen können, seit Kurzem gilt es auch noch als das bislang wertvollste.

© SZ vom 28.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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