T-Aktie:Jetzt gibt es Hoffnung für die Telekom-Anleger

Deutsche Telekom Bonn

Beim Börsengang der Telekom haben viele Anleger Geld verloren. Ein Gerichtsurteil weckt nun neue Hoffnung auf eine Entschädigung.

(Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Die Telekom muss für grundlegende Fehler bei ihrem Börsengang haften, durch die Anleger viel Geld verloren haben. Das entschied das OLG Frankfurt.
  • Die Entscheidung ist allerdings nicht rechtskräftig. Die Telekom kann noch Revision am Bundesgerichtshof (BGH) einlegen.
  • Hinzu kommt: Jeder der 17 000 Einzelfälle muss noch geprüft werden. Die Kläger sprechen dennoch schon von einem "rechtshistorischen Sieg".

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es stand ein Staatsunternehmen zum Verkauf, und das Interesse der großen Investoren war verhalten. Also sollten die normalen Bürger mitmachen, als die Deutsche Telekom in Teilen privatisiert wurde. Die T-Aktie wurde von 1996 an kurzerhand zur "Volksaktie". Die erstaunte Öffentlichkeit sah im Fernsehen zum ersten Mal Werbung für eine Aktie. Der Plan ging auf. Zumindest für die Telekom: Sie verkaufte in insgesamt drei Tranchen ihre Aktien an der Börse. Nicht jedoch für die Menschen: Viele Anleger verloren viel Geld. Etliche von ihnen zogen vor Gericht, weil sie sich vom ehemaligen Staatskonzern aus Bonn betrogen fühlten. Die Telekom habe, so der Vorwurf, in jenem Prospekt, den sie für den dritten Teil ihres Börsengangs im Jahr 2000 aufgelegt hatte, die wirtschaftliche Lage geschönt. 16 Jahre sind seither vergangen, ehe am Mittwoch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt entschied: "Die Telekom muss für einen grundlegenden Fehler in dem Börsenprospekt zur Telekom-Aktie aus dem Jahr 2000 grundsätzlich haften". 17 000 Aktionäre, die geklagt haben, dürfen nun auf Schadenersatz hoffen.

Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Telekom kann Revision am Bundesgerichtshof (BGH) einlegen. Der Konzern prüft, ob er das tun wird. Doch selbst wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist, muss das Landgericht noch jeden der 17 000 Einzelfälle individuell prüfen, ob und inwieweit der Prospektfehler die Kaufentscheidung der Anleger überhaupt entscheidend beeinflusst hat.

Die Anwälte fordern für die 17 000 Kläger insgesamt 200 Millionen Euro Schadenersatz

Das Oberlandesgericht Frankfurt verhandelt ein sogenanntes Musterverfahren. Diese Klagemöglichkeit wurde vom Gesetzgeber erst wegen des riesigen Telekom-Prozesses eingeführt. Das Musterverfahren bedeutet: Ein Kläger streitet sozusagen stellvertretend für alle, und das Urteil entfaltet Rechtswirkung auf die anhängigen - ähnlich gelagerten - Verfahren.

Das Musterverfahren im Telekom-Prozess begann 2008. Das öffentliche Interesse an dem Fall war riesengroß. Das Gericht hatte die Verhandlung deshalb in einen großen Saal ausgelagert. Auch Ex-Telekomchef Ron Sommer, der gefordert hatte, "die T-Aktie soll eine echte Volksaktie werden", musste als Zeuge aussagen. Für einige Vernehmungen reiste das Gericht sogar in die USA. Doch der Prozess zog sich in die Länge. Der zunächst bestellte Vorsitzende Richter konnte den Prozess gar nicht zu Ende führen - er ging in den Ruhestand.

Direkt nach dem dritten Börsengang ging es bergab

Der Ausgangspunkt für das Urteil liegt zwanzig Jahre zurück: Im November 1996 war die Erstnotierung der T-Aktie auf dem Frankfurter Parkett erfolgt. Der bis dato größte Börsengang der Welt war die Ouvertüre zu einer Spekulationseuphorie in Deutschland. Das erfolgreiche Debüt der Telekom verführte immer mehr Bundesbürger dazu, neben dem Sparbuch auch in Aktien zu investieren. Doch dann platzte die Internet-Spekulationsblase. Und als Jahre später schon die nächste Blase platzte - die Immobilienspekulation in den USA - war der Telekomprozess noch immer nicht beendet. Das Interesse an dem Verfahren sank, bis das erste Urteil kam.

Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied im Mai 2012, dass der Börsenverkaufsprospekt aus dem Jahr 2000 keine gravierenden Fehler enthielt. "Die Telekom hat seinerzeit richtig gehandelt und die Anleger ausreichend informiert", sagte die neue Vorsitzende Richterin Birgitta Schier-Ammann vor viereinhalb Jahren. "Ein Fehler im Prospekt zum dritten Börsengang der Deutschen Telekom konnte nicht festgestellt werden." Die Stimmung zwischen beiden Streitparteien war eisig. Die lange Verhandlungsdauer hatte die Gemüter verhärtet. Die enttäuschten Kläger zogen nach dem verlorenen Prozess vor den Bundesgerichtshof - mit Erfolg.

"rechtshistorischer Sieg"

Die obersten Richter in Karlsruhe gaben den Klägern 2014 tatsächlich recht. Der BGH kippte das erste Urteil und verwies den Fall mit der neuen Vorgabe zurück zum OLG Frankfurt. Insofern war die nun ergangene Entscheidung nicht überraschend. "Mit dem heute gefällten Musterentscheid haben wir einen rechtshistorischen Sieg für die Anleger errungen", sagte Rechtsanwalt Andreas Tilp, dessen Kanzlei den Musterkläger im Telekom-Prozess vertritt. Den klagenden Erwerbern der sogenannten Volksaktie widerfahre "endlich Gerechtigkeit", so Tilp. Sein Mandant, der Musterkläger, könne das jedoch nicht mehr erleben. Er sei in diesem Jahr verstorben.

Tilp macht für die 17 000 Kläger inklusive der gesetzlichen Verzugszinsen 200 Millionen Euro Schadenersatz geltend. Es geht um Verluste, die Anlegern durch den Kauf von Aktien aus dem dritten Telekom-Börsengang im Juni 2000 entstanden sind. Der erste Börsengang 1996 und die zweite Aktienplatzierung aus Bundesbesitz im Jahr 1999 waren nicht Gegenstand des Prozesses. Aber viele Käufer der T-Aktie von 1996 griffen auch beim zweiten und dritten Angebot zu.

Die dritte Aktientranche der Telekom wurde im Frühsommer 2000 zum Frühbucher-Preis von 63,50 Euro unters Volk gebracht. Der Bund erlöste 15 Milliarden Euro. Die T-Aktie hatte wenige Wochen vorher noch den Rekordstand von 103 Euro erreicht. Doch direkt nach dem dritten Börsengang ging es bergab. Die T-Aktie fiel unter zehn Euro. Die Malaise dauert an: Aktuell notiert die T-Aktie bei 14 Euro.

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