SZ-Serie: Rohstoffe (VI):Zucker lockt Spekulanten

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Die Preise für Zucker schwanken von Jahr zu Jahr beträchtlich. Analysten erwarten, dass sich die von der EU geplante Reform der Zuckermarktordnung spürbar auf den Welthandel auswirken wird.

Dieter Claassen

Ein Engagement am Zuckermarkt kann unter Umständen einer Fahrt mit der Achterbahn gleichen. An der New Yorker Warenbörse sank der Preis von mehr als zwölf Cents je Pfund im Juli 1997 auf weniger als fünf Cents innerhalb von zwei Jahren. Danach zog der Preis auf elf Cents an, bis zum Jahr 2004 ging es dann wieder runter auf etwa vier Cents. Seit Beginn dieses Jahres ist der Preis in New York wieder um ein Drittel auf derzeit etwa 9,90 Cents je Pfund gestiegen.

Ein Bauer mit einer Zuckerrübe. Die EU will die garantierten Preise für Zucker deutlich senken. (Foto: Foto: dpa)

Was einen weiteren Preisanstieg angeht, sind die Experten jedoch eher skeptisch. Für das laufende Quartal hält Ingrid Sternby von Barclays Capital in London noch 10,60 Cents für möglich und ergänzt: "Was die agrarischen Rohstoffe angeht, sind wir beim Zucker am optimistischsten."

Die Versorgungslage werde wegen der robusten Nachfrage zunehmend enger, sagt die Analystin. Trotz einer Erholung der weltweiten Zuckerernte um wahrscheinlich vier Millionen Tonnen auf etwa 146 Millionen Tonnen im Wirtschaftsjahr 2005/06 (September bis August).

Die Vorräte würden zum Ende der Saison dann nur noch für eine Versorgungsdauer von etwa 12 Wochen reichen, im Vergleich zu fast 15 Wochen vor drei Jahren.

Mit dem Wohlstand kommt der Zuckerverbrauch

Der größte Zuckerverbraucher der Welt ist Indien. Der Verbrauchsanteil des Landes liegt bei 13 Prozent. Er ist damit sogar noch höher als der von China (acht Prozent), Lateinamerika (elf Prozent) und der Europäischen Union, die etwa zwölf Prozent des Weltzuckeraufkommens verbraucht.

China ist trotz des eigenen Zuckerrohr- und Rübenanbaus auf Importe in Höhe von immerhin 1,4 Millionen Tonnen angewiesen. Mit wachsendem Wohlstand entdecken auch die Chinesen zunehmend Süßes. Der steigende Zuckerverbrauch ist dort wie auch in den Entwicklungsländern in anderen Teilen der Welt ein Wohlstandseffekt.

Unter den Produzenten hält Brasilien mit einem Beitrag von etwa einem Fünftel zum Weltzuckeraufkommen die einsame Spitze. Es folgen die Europäische Union (15 Prozent), Indien (zehn Prozent) und China mit sieben Prozent. Kuba steuert mit seinem Zuckerrohr dagegen nur noch ein Prozent zum Weltzuckeraufkommen bei.

Zucker als Kraftstoff

Nach Angaben der Analystin Sternby von Barclays Capital wird Brasilien seine Ernte im kommenden Jahr zwar um nochmals eine Million Tonnen steigern.

Doch das Land benötige einen zunehmenden Anteil seiner Produktion für den eigenen Verbrauch in Form von Äthanol als Benzinersatz. Brasilien verarbeitet bereits die Hälfte seiner Zuckerproduktion zu dem Biokraftstoff.

Mitte des Jahres wurden dort erstmals mehr Fahrzeuge mit Motoren verkauft, die Äthanol oder eine Mischung aus diesem und Benzin verbrennen können als solche mit herkömmlichen Benzinmotoren. In anderen Teilen der Welt wächst nach Angaben von Experten ebenfalls die Akzeptanz von Äthanol als Kraftstoff. Dieser Prozess verlaufe dort jedoch eher schleppend, heißt es.

Dreifacher Weltmarktpreis garantiert

Die Spekulanten an den Märkten in London und New York setzen denn auch bei ihren Erwartungen weiter steigender Preise eher auf kurz- bis mittelfristige Faktoren.

So werde die jetzt von der EU-Kommission geplante Reform der Zuckermarktordnung mit einer Kürzung des Zuckerreferenzpreises um immerhin 39 Prozent spürbare Auswirkungen auf das Preisniveau am Weltmarkt haben, sagt Toby Cohen, Chefanalyst der Londoner Zuckerhändler und Marktexperten Czarnikov.

Im nächsten Jahr würden die Produzenten der Gemeinschaft ihre Produktion wahrscheinlich nochmals um eine weitere Million Tonnen auf möglicherweise mehr als 22 Millionen Tonnen hochfahren, um damit das letzte Mal in voller Höhe von den Garantiepreisen (die fast dem Dreifachen des Weltmarktpreises entsprechen) zu profitieren.

Bedarf steigt weiter

Ab 2007 werde die Produktion dann jedoch rapide fallen, um letztlich möglicherweise bis zu fünf Millionen Tonnen. Gemessen an den bisherigen Exporten der EU in Höhe von etwa drei Millionen Tonnen im Jahr, sei dies eine beträchtliche Menge. Und angesichts des weiterhin steigenden Bedarfs an Zucker am Weltmarkt, könne dies noch auf absehbare Zeit den Aufwärtstrend bei den Preisen gewährleisten.

Wie bei anderen Rohstoffen sind auch bei Zucker die Möglichkeiten eines Engagements für den Anleger je nach Risikobereitschaft unterschiedlich.

Die sprichwörtliche Achterbahn kann dieser durch ein Engagement in Futures-Kontrakten an den Terminbörsen wählen. Über Fonds ist indessen zumeist nur ein Engagement in Sammelfonds möglich, die auch andere agrarische Rohstoffe einbeziehen. Die Großbank ABN Amro bietet dagegen jedoch Zertifikate auf Rohstoff-Futures an, mit denen Anleger gezielt auf einzelne Rohstoffe setzen können, darunter auch Zucker.

Wer Aktien für sein Engagement wünscht, dem stehen dafür eine Reihe von großen Unternehmen in Europa zur Verfügung wie die Nord- und Südzuckerkonzerne hierzulande oder die Tate & Lyle in Großbritannien.

© SZ vom 05.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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