SZ-Serie: Generation D:Der Fremde in meinem Auto

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Drei Berliner Studenten wollen im Internet Fahrgemeinschaften unter Berufspendlern stiften.

Steffen Uhlmann

Alles begann mit einem Ärgernis. Es war einer der kalten, regnerischen Tage im März dieses Jahres, als Paul Vierkant und Daniel Auener am Straßenrand standen und vergeblich auf den Bus warteten.

Daniel Auener (li.) und Marc Schachtel bei der Verleihung des Studenten-Preises "Generation D" (Foto: Foto: Schellnegger)

"Er kam und kam nicht", sagt Vierkant. "Konnte er auch nicht", ergänzt Auener. "Die Busfahrer der Berliner Verkehrsgesellschaft streikten für höhere Löhne, und die BVG hatte nur einen spärlichen Notverkehr eingerichtet." Die beiden Studenten jedenfalls standen sich ihre Beine in den Bauch und sahen die Autos an sich vorbeirauschen. "In den meisten Wagen saß nur der Fahrer", sagt Vierkant, "doch angehalten hat keiner."

Vierkant, der Geisteswissenschaft studiert hat und zu jener Zeit gerade über seiner Diplomarbeit saß, kann nicht mehr sagen, wer von beiden zuerst auf die Idee einer Mitfahrzentrale für Kurzstrecken in Städten kam. Er weiß nur noch, dass sie sich darüber einig waren, dass die Alleinfahrerei in den Städten ökonomischer wie ökologischer Unsinn ist.

Schlechtes Gewissen

Auener, den Informatikstudenten, plagte ohnehin schon lange ein schlechtes Gewissen, weil er mit seinem alten Kleinbus häufig alleine durch die Gegend fuhr. "Einkäufe oder Ausflüge mit den Familien machen wir zumeist gemeinsam", sagt Auener, der mit Vierkant schon seit der Schulzeit befreundet ist. Zur Universität aber müssen die beiden 26-Jährigen, die nahe beieinander wohnen, in entgegengesetzte Richtung fahren, und zweimal in der Woche kann Auener weder Rad oder die U-Bahn nehmen. "Ohne den Wagen schaffe ich es dann nicht, mein Kind rechtzeitig vom Kindergarten abzuholen."

So wurden Busfahrerstreik, steigende Benzinpreise und das schlechte Gewissen der beiden zum Anstoß für ihr Citypendler-Projekt (www.citypendler.de), ein Internetportal für innerstädtische und Umland-Fahrgemeinschaften. Sie holten Marc Schachtel, 24, dazu, der wie Auener Informatik studiert, und entwickelten zu dritt ein Konzept.

"Eigentlich ist das Prinzip ganz einfach", sagt Schachtel. "Eigentlich, aber es hat dann noch einige Zeit gedauert, ehe Citypendler einigermaßen reibungslos funktionierte und technische Kinderkrankheiten behoben waren." Auf einer in die Anwendung integrierten "Google Maps"-Karte, einem Stadtplan samt hoch aufgelöstem Satellitenfoto der Stadt, stellen Autofahrer ihre Route und die möglichen Haltepunkte ins Internet. Dazu geben sie Tag, Uhrzeit, Preis und Zahl der vorhandenen Plätze an. Ein Fahrgast kann die für ihn passende Route auf dem Portal aussuchen und sich dann per Handy oder Internet mit dem Anbieter in Verbindung setzen.

"Gemeinsam statt einsam"

Schachtel weiß nicht, wie viele Fahrgemeinschaften die Citypendler-Plattform inzwischen zusammengebracht hat. "Aber ein paar Tausend mögen es schon sein - in Berlin und in anderen großen Städten", sagt er. "Wir haben aber längst noch nicht die kritische Masse erreicht, ab der sich das Internetportal, das bislang ausschließlich über Werbeeinnahmen finanziert wird, wirklich rechnet." Weil es aber Schätzungen zufolge mehr als 20 Millionen Pendler gibt, die deutschlandweit täglich nicht mehr als 25 Kilometer mit dem Auto fahren, sehen die Studenten noch viel Potential.

Das Modell "gemeinsam statt einsam" der Citypendler-Initiatoren hat schließlich einige Vorteile, zumindest wenn sich viele daran beteiligen würden: Die Mitfahrer sparen meist Geld, der Autofahrer bekommt etwas dazu. Der Kohlendioxidausstoß in den Städten soll sinken, weil es weniger Verkehr und Staus gibt, dafür aber mehr Parkmöglichkeiten in der Innenstadt. "Das liegt auf der Hand", sagt Schachtel, "wenn sich künftig mehr Leute zu Fahrgemeinschaften zusammenschließen und vier Personen mit einem statt mit vier Autos unterwegs sind.

Mit dem Verkehrsclub Deutschland, dem Bund der Energieverbraucher und Unternehmen wie dem Münchner Autovermieter Sixt sowie mit Verkehrsexperten der Technischen Universität Berlin und von anderen Hochschulen haben Auener, Vierkant und Schachtel inzwischen erfahrene Kooperationspartner und Mentoren an ihrer Seite. "Das hat uns sicherer gemacht und angefeuert, an der Vervollkommnung von Citypendler zu arbeiten", sagt Schachtel. So sollen künftig Citypendler-Nutzer die Anfrage und die Bestätigung von Fahrten auch per SMS abwickeln können. Zudem ist vorgesehen, Routen in Navigationssystemen zu speichern. "Die Kombination von Plattform mit Navigationssystemen und Handys macht Citypendler noch weitaus praktikabler", sagt Schachtel.

Trotz der erhofften positiven Effekte für die Pendler und auf die Innenstädte wollen Auener, Vierkant und Schachtel mit ihrem Projekt aber mehr als nur gesellschaftliche Anerkennung erreichen. Gerade verhandeln sie mit einem großen Unternehmen aus der Informationsbranche darüber, ihre Citypendler-Plattform auf eine wirtschaftlich solide Basis zu stellen.

Sie gründen gerade eine GmbH. Alle drei können sich vorstellen, sich mit Citypendler selbständig zu machen. "Die Plattform könnte unsere berufliche Zukunft sein", glaubt Schachtel, der an seiner Diplomarbeit schreibt und bei aller Vernunft auch leidenschaftlicher Autofahrer ist. Man könne Autofahren auch "grün" gestalten, ist Schachtel überzeugt. "Perfekt aber wäre es, wenn man damit auch noch Geld verdient."

© SZ vom 25.11.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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