SZ-Serie: Generation D:Aber bitte toben

Leerstehende Turnhallen und gelangweilte Kids - zwei Studentinnen bringen beides zusammen. Ihre Sportcamps in den Schulferien sind ein Renner.

Miriam Olbrisch

Noch einmal tief Luft holen, dann setzt Isabella zum Sprung an. Der kleine Körper faltet sich zum Salto, bevor er von einem ausgelassenen Gluckser begleitet in einer Grube mit Schaumstoffschnitzeln landet. Der blonde Pferdeschwanz zischt hinterher. "Das sah super aus", kommt prompt das Lob von der Seite. Die Zehnjährige strahlt.

Gymnastik, Stephan Rumpf

"Fast nirgends findet man so schnell Freunde wie beim Sport", sagt Helene Neugebauer (im Bild rechts), eine der Initiatorinnen des Sportcamps.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Noch vor einem Jahr hätte Isabella an einem ähnlichen Sommerferientag vielleicht zu Hause gesessen, während nur wenige Kilometer weiter die Unterhachinger Generali-Sportarena ungenutzt im Ferienschlaf versunken wäre. "So eine Verschwendung", sagt Helene Neugebauer entschieden.

"Das muss doch nicht sein." Und so fand die Augsburger Studentin eine Lösung: ein Feriensportprogramm für Kinder in den leerstehenden Sportstätten von Schulen und Universitäten. Zusammen mit ihrer Freundin Sabrina Zach tüftelte die heute 24-Jährige an einem Konzept. Die Idee zum Hachinger Sportlercamp war geboren.

Lohnt sich das überhaupt?

Dass das Projekt überhaupt an den Start gehen konnte, war nicht selbstverständlich. Der TSV Unterhaching, dem die Studentinnen ihre Idee vorstellten, war zunächst skeptisch. Gibt es genügend Interessenten? Und rechnet sich das überhaupt? Das tut es: Jedes Kind zahlt für drei Tage Rundumbetreuung mit Verpflegung und Übernachtung 100 Euro, für Vereinsmitglieder ist es 20 Euro billiger.

"Solange wir ausgebucht sind, bleibt da für die Vereinskasse noch etwas übrig." Die Überschüsse kommen der Jugendkasse zugute oder decken die Defizite, wenn sich nicht genügend Kinder anmelden. So arbeitete das Camp bisher höchst profitabel.

Seit der Gründung 2006 springen in den Osterferien und neuerdings auch im Sommer zwischen 30 und 60 Kinder durch den Generali-Sportpark in Unterhaching. Es hätten noch viel mehr sein können. "Meistens müssen wir eine Warteliste anlegen", erzählt Helene Neugebauer.

Wie ihre Schützlinge trägt auch sie ein himmelblaues T-Shirt mit einem lachenden Smiley und dem Schriftzug des Camps auf der Brust. So läuft sie Werbung in eigener Sache. Mit Erfolg: Ihre Idee kommt an. Drei Tage lang können die Sprösslinge sich austoben.

Abendspaziergang und Spaghetti

Das Camp soll ein Erlebnis sein

Lernen Fußball, Handball und Basketball genauso kennen wie Turnen, Leichtathletik und Judo. Zehn Trainer aus den jeweiligen Fachrichtungen nehmen die Schüler an die Hand, helfen, unterstützen, beaufsichtigen.

Abends gibt es neben Spaghetti Bolognese oder Gulasch auch eine Nachtwanderung, bevor die Kinder todmüde in ihre Schlafsäcke im oberen Teil der Sporthalle kriechen. "Wir wollen, dass das Camp für die Kinder zum Erlebnis wird", sagt Neugebauer. Gerade, weil viele in wirtschaftlich schweren Zeiten nicht in den Urlaub fahren könnten.

Die zehnjährige Isabella hat sich mittlerweile eines blonden Knirpses angenommen, und hilft ihm, einen kleinen Kasten zu erklimmen. "Und hops", piepst sie, als der Junge sich endlich hochgezogen hat und mit Indianergeheul in die Schnitzelgrube springt. Hier kommen alle zusammen: Große und Kleine, Anfänger und Halbprofis wie Isabella, die schon seit ein paar Jahren im Verein turnt. "Die Kinder lernen voneinander", erklärt Helene Neugebauer.

Immer hat sie ein Auge auf die tobenden Kinder gerichtet, die einer nach dem anderen den Sprung in die Schnitzelgrube wagen. Selbst solche, die sich zuvor außerhalb des Schulsports wenig bewegten, trauten sich nach einer kurzen Eingewöhnung schon einiges zu, sagt sie.

Auch Universitäten sollen überzeugt werden

"Das ist dann immer ein schönes Gefühl, für die Kinder und auch für uns." Das kommt nicht zuletzt dem Verein zugute. Schon mehrfach sind die Kleinen beim Sportlercamp auf den Geschmack gekommen und haben sich danach einer festen Trainingsgruppe angeschlossen.

Was in Unterhaching geht, geht vielleicht auch deutschlandweit: Neben dem eigenen Verein wollen Zach und Neugebauer jetzt auch Universitäten, Schulen und andere mögliche Träger von ihrem Konzept überzeugen. "Es gibt so viele Sportstätten, die über die Ferien leerstehen", sagt Neugebauer. Damit könne man eine Menge Kinder glücklich machen. "Viele Studenten hätten bestimmt Spaß daran, so etwas auf die Beine zu stellen."

Die hätten schließlich auch Ferien und freuten sich über ein bisschen Abwechslung vom Lernstress. Neugebauer spricht aus Erfahrung: Sie selbst studiert Wirtschaftswissenschaften in Augsburg, Freundin Sabrina Lehramt in München.

Für die beiden gehörte Sport schon von Kindesbeinen an zum Alltag. Bis heute sind sie als Turnerinnen auf Barren, Reck und Boden in ganz Deutschland zu Hause. In der Turnabteilung des TSV Unterhaching lernten sie sich kennen. "Fast nirgends findet man so schnell Freunde wie beim Sport", sagt Helene Neugebauer. "Wäre doch schade, wenn Kinder diese Chance nicht haben."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: