SZ-Ranking: Die 100 größten Unternehmen:Gewonnen und zerronnen

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Noch vor einem Jahr herrschte in der deutschen Wirtschaft eitel Sonnenschein. Die Konzerne profitierten von der blühenden Konjunktur und verzeichneten Rekordgewinne. Nun müssen sie sich dem Abschwung stellen. Manchen gelingt das besser als anderen. Eine Bestandsaufnahme über die wichtigsten Konzerne in Deutschland.

K.-H. Büschemann, M. Balser, H.-W. Bein, M. Thiede

Manchmal ist es wie verhext. Kaum läuft das Geschäft wieder auf vollen Touren, kaum stellt sich nach Jahren zäher Stagnation ein erfreuliches Wachstum ein - schon bahnt sich der nächste Abschwung an. Håkan Samuelsson, den Chef des Münchner Maschinen-, Anlagen- und Lkw-Herstellers MAN, wird dieser schnelle Wechsel besonders wurmen.

Viele Unternehmen, die im vergangenen Jahr zu den Aufsteigern gehörten, müssen sich auf raue Zeiten einstellen. (Foto: Foto: AP)

Der gebürtige Schwede, der seit dreieinhalb Jahren den MAN-Konzern lenkt, hätte die Zeit des stürmischen Wachstums noch gern ein wenig genossen. 2007 hatte MAN ein Umsatzplus von 18 Prozent geschafft; kein anderer unter den 30 im deutschen Aktienindex (Dax) notierten Industriekonzernen konnte solches Wachstum bieten; in der SZ-Rangliste der größten 100 Unternehmen sprang das Unternehmen, das Lastwagen, Busse und große Dieselmotoren herstellt, von Rang 34 auf Platz 30. Der Aufschwung machte Samuelsson auch unangreifbar.

Verunsicherte Wirtschaft

Der Manager stand im vergangenen Jahr nicht immer mit guten Nachrichten in der Zeitung. Die von ihm geplante Übernahme des schwedischen Lkw-Konkurrenten Scania war gescheitert. Samuelsson galt als Verlierer. Dann musste er zusehen, wie sich der VW-Konzern bei MAN mit 30 Prozent einkaufte und zum entscheidenden Machtfaktor wurde. In aller Öffentlichkeit musste Samuelsson sich fragen lassen, wie lange er noch an der MAN-Spitze stehen werde. Der Schwede reagierte gelassen, die guten Ergebnisse sprachen für ihn. Das könnte sich nun ändern: Schon bald werden seine Zahlen weniger glänzend sein. Das gilt auch für andere Unternehmen.

Die Wirtschaft ist verunsichert. Nur noch wenige Experten erwarten, dass der Aufschwung von 2006 und 2007 anhalten wird. Die weltweite Finanzkrise, die schon die US-Wirtschaft an die Grenze der Rezession riss, wird auch in Deutschland spürbar. Drastisch steigende Preise für Öl und Rohstoffe machen vielen Unternehmen das Leben schwer, ganz zu schweigen von steigenden Zinsen, die Investitionen verteuern. Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform glaubt nach einer Umfrage, dass durch die steigenden Ölpreise in Deutschland 50000 Firmen aus dem Dienstleistungssektor und dem Einzelhandel vor dem Aus stehen.

Für die Krise gewappnet

Viele, die im vergangenen Jahr zu den Aufsteigern gehörten, müssen sich auf raue Zeiten einstellen. Das gilt besonders für den Handel. Unternehmen wie Metro, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) konnten 2007 dank spendabler Konsumenten noch zweistelliges Wachstum erreichen.

Doch jetzt glauben die Konjunkturpropheten, dass die Bürger angesichts höherer Energiekosten das Geld stärker zusammenhalten und sich beim Konsum zurückhalten werden. Alle scheinen wachsam zu sein. Die Unternehmensberatung BCG hat aus deutschen Unternehmen erfahren, dass 85 Prozent der Firmen es für sinnvoll halten, sich auf eine Konjunkturkrise vorzubereiten.

Einer, der sich für härtere Zeiten wappnet, ist der Siemens-Konzern. Im vergangenen Jahr liefen die Geschäfte mit einem Umsatzplus von neun Prozent noch gut. Auch der Gewinn fiel ordentlich aus, obwohl die Korruptionsaffäre schwer auf dem Technologiekonzern lastet. Rund 650 Millionen Euro hat sich Siemens die Aufklärung der dunklen Geschäfte bereits kosten lassen.

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Ein Konjunktureinbruch würde das Unternehmen deshalb zu einem ungünstigen Zeitpunkt treffen. Das weiß auch die Konzernspitze. Unternehmenschef Peter Löscher sieht klare Signale, die auf Abschwung hindeuten. "Wir sehen Wolken am Himmel", sagte der seit einem Jahr amtierende Vorstandschef. Der internationale Wettbewerb verschärfe sich. Siemens müsse handeln und die Kosten senken.

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Strahlebranche Stahlindustrie

Mit versteinerter Miene verkündete Löscher deshalb am Dienstag den Abbau von weltweit 17.000 Arbeitsplätzen. Das ist eines der radikalsten Sparprogramme in der 160-jährigen Konzerngeschichte. Allein in Deutschland fallen mehr als 5000 Stellen weg. Löschers Kalkül: "Wir müssen jetzt handeln und unsere Kosten verringern, damit wir uns dann, wenn der Kampf um die Kunden härter wird, voll darauf konzentrieren können."

Vor allem der größte Siemens-Bereich Industrie gilt als konjunkturanfällig. Er liefert Investitionsgüter. Doch danach verlangen die Kunden nur, wenn ihr Geschäft brummt.

Dagegen hofft die einst als Krisenbranche verschrieene Stahlindustrie, die in jüngerer Zeit wieder zur Strahlebranche wurde, sich die Konjunkturschwäche noch für einige Zeit vom Hals halten zu können. Die "Old economy" trotzt der drastischen Verteuerung ihrer Rohstoffe. Die Branche, die heute Spezialstähle und Hochtechnologieprodukte liefert, sieht sich inzwischen weniger konjunkturanfällig als noch vor fünf oder zehn Jahren.

Das wohl lukrativste Spezialprodukt der deutschen Stahlindustrie dürfte die Saarstahl-Gruppe liefern. In den Schmieden des viertgrößten deutschen Stahlunternehmens entstehen Spezialringe und Aufsätze zur Befestigung von Zusatztanks für die Ariane-Raketen. Stahlsysteme für zusammen 1,5 Millionen Euro halten die beiden Tanks - nach dem Start genau noch zwei Minuten. Dann werden Tank und Ringe abgesprengt und verglühen. Folgeaufträge sind damit garantiert.

Die Großen im deutschen Stahlgeschäft profitieren von der Spezialisierung: Branchenführer Thyssen-Krupp liefert Spezialbleche und Platinen für Karosserien sowie Edelstähle. Salzgitter ist erfolgreich mit Grobblechen und Großrohren, die vom Boom der Energiewirtschaft profitieren. Bei der Produktivität sind die deutschen Stahlunternehmen führend.

Weil nicht zuletzt wegen steigender Öl- und Gaspreise in der ganzen Welt neue Großanlagen gebaut werden, wird die Nachfrage nach Stahl hoch bleiben. Noch aber ist nicht ausgemacht, ob die zuletzt glänzenden Bilanzen im laufenden Jahr nicht mindestens kleine Kratzer bekommen.

Bislang haben die großen Unternehmen der Branche offiziell keine Abstriche an ihren Gewinnprognosen gemacht. Der Stahlverband erwartet, dass die Rohstahlproduktion 2008 wieder das Rekordniveau des vergangenen Jahres von 48,5 Millionen Tonnen erreichen wird. Das Geschäft läuft so gut, dass die Stahlkonzerne erstmals seit 1973 wieder mehr Leute einstellen. Ende 2007 beschäftigten die Hütten hierzulande 92.400 Mitarbeiter.

Anspruchsvolle Aktionäre

So dürfte sich Tui-Chef Michael Frenzel manchmal fragen, ob es von ihm ein Fehler war, die Salzgitter AG 1998 zu verkaufen. Damals hieß die Tui noch Preussag, doch Frenzel wollte aus dem Montankonzern unbedingt ein Reise- und Schifffahrtsunternehmen machen.

Heute ist der von ihm verschmähte Stahlkocher Salzgitter so erfolgreich, dass er ein heißer Kandidat für den Dax ist, während Tui von einer Krise in die andere taumelt und als Abstiegskandidat für die zweite Börsenbundesliga, den MDax, gilt. Während Logistik-Unternehmen wie Kühne & Nagel oder Dachser so erfolgreich waren, dass sie in die Liste der 100 größten Unternehmen aufstiegen, während die Lufthansa 2006 ein Umsatzplus von 13 Prozent schaffte und zwei Ranglistenplätze zulegte, gelang der Tui nur ein Wachstum von 4,5 Prozent.

Doch genau in der Zeit, in der steigende Treibstoffkosten die Tourismusindustrie verunsichern, versucht Frenzel aus der Tui einen reinen Reisekonzern zu machen. Er will das beste Stück aus seinem Portfolio verkaufen: die Hamburger Containerreederei Hapag-Lloyd. Hinter dem Plan steckt vor allem der norwegische Großaktionär John Fredriksen, der seit 2007 an Tui beteiligt ist, heute etwa 15 Prozent der Anteile hält und in Hannover praktisch das Sagen hat. Der rächt sich jetzt dafür, dass der Tui-Aktienkurs unter dem unglücklich agierenden Frenzel, dem dienstältesten Dax-Chef, seit vielen Jahren schwach ist.

Es geht auch anders. Das zeigt die Helm AG, ein kleines Hamburger Unternehmen, das in der heutigen Zeit gar keinen Erfolg haben dürfte. Das Familienunternehmen handelt mit Flüssigchemikalien, pharmazeutischen Wirkstoffen sowie mit Dünge- und Tiernahrungsmitteln. Da besteht doch der Verdacht extremer Abhängigkeit vom Ölpreis.

Doch die Helm AG macht keinen leidenden Eindruck. Keck sprang das Familienunternehmen im vergangenen Jahr um 15 Ranglistenplätze nach oben. (Nur die westfälische Rethmann-Gruppe, die sich mit Logistik, Wasserwirtschaft und Tierkörperverwertung befasst, machte 2007 einen noch größeren Sprung.) Helm platzt aus allen Nähten und schaut sich in Hamburg gerade nach einem Gelände für ein neues Stammhaus um.

Das Unternehmen gehört zu den Gewinnern des steigenden Ölpreises. "Es lief praktisch alles", kommentierte der Vorstand das Jahr 2007. Die Nachfrage nach Dünge- und Pflanzenschutzmitteln läuft glänzend. Das Netz aus Niederlassungen und Beteiligungen umspannt 30 Länder. Im vergangenen Jahr konnte Helm den Umsatz um ein Drittel auf 7,75 Milliarden Euro steigern; der Gewinn wurde verdoppelt. Vor allem für Pflanzenschutzmittel konnte Helm "spektakuläre" Preiserhöhungen durchsetzen. In diesem Jahr sei von nachlassender Dynamik nichts zu spüren, die Umsätze würden wieder zweistellig wachsen, sagt der Vorstand des nicht börsennotierten Unternehmens.

Auch andere können vom hohen Ölpreis profitieren. Diese Erfahrung machte jetzt der Siemens-Chef Löscher beim Besuch von Kunden im Nahen Osten. Er war beeindruckt von der Bereitschaft der Scheichs zu hohen Investitionen. Wegen der steigenden Rohstoffpreise erzielten die Erdöl-Förderländer "enorme Einnahmen", die sie vor allem in Infrastrukturprojekte investierten, so der erstaunte Siemens-Chef. Saudi-Arabien will 20 Milliarden Dollar in Verkehrsprojekte stecken. Davon will Siemens profitieren.

© SZ vom 10.07.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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