SZ-Kommentar:Kirch am Ende

Die größte Firmenpleite der Bundesrepublik löst eine Reinigungskrise in der Medienbranche aus.

Nikolaus Piper

Lange ist über die drohende Pleite des Medienunternehmers Kirch geredet und geschrieben worden - jetzt ist die Insolvenz wohl unausweichlich. Banken und Investoren verhandelten am Freitag nicht mehr über Überbrückungskredite, sondern nur noch darüber, wie es nach der Insolvenz weitergehen könnte.

Gemessen an den Schulden ist der Fall Kirch der größte Firmenzusammenbruch in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Viele haben die Entwicklung schon lange kommen sehen - angesichts der dünnen Finanzdecke des schnell gewachsenen Unternehmens.

Auslöser der Krise

Zum Ausbruch der Krise gerade jetzt haben mehrere Auslöser beigetragen: der amerikanische Medienunternehmer Rupert Murdoch, der seine Chance erkannt hat, auf dem zweitgrößten Fernsehmarkt der Welt richtig einzusteigen; der Chef der Deutschen Bank, Rolf-E. Breuer, der Kirch öffentlich die Kreditwürdigkeit abgesprochen hat; schließlich der Vorstandsvorsitzende des Axel Springer Verlags, Mathias Döpfner, der Kirchs Schwierigkeit nutzen wollte, um den ungeliebten Großaktionär loszuwerden. Wenigstens bei Döpfner sind gelinde Zweifel angebracht, ob er die Folgen seines Konfliktkurses für das eigene Unternehmen ganz überblickt hat.

Die Ursache für den Zusammenbruch liegt jedoch woanders.

Klassischer Mittelständler

Leo Kirch ist das klassische Beispiel eines mittelständischen Unternehmers, der irgendwann sein Wachstum nicht mehr beherrscht.

Er entdeckte neue Märkte (Film- und Sportrechte), er entwickelte ein neues Geschäftsmodell (die Kombination von Filmbibliotheken und Abspielkanälen) und schaffte es immer wieder, an das nötige Geld zu kommen, um sein Wachstum zu finanzieren.

Dabei verhielt er sich wie viele Mittelständler: eigenbrötlerisch, manchmal ruppig und vor allem öffentlichkeitsscheu. Die Methoden funktionierten lange, aber irgendwann hätte Kirch seine Firma in ein normales Unternehmen umwandeln müssen - mit genügend Transparenz, um sich auch am Aktienmarkt Geld beschaffen zu können.

Blase geplatzt

Diesen Augenblick hat Kirch verpasst; als er seinen Stellvertreter Dieter Hahn mit dem Umbau beauftragte, war es, wie man heute weiß, schon zu spät, zumal Hahn den riskanten Wachstumskurs beim Abofernsehen und den Rechten am Autorennsport noch fortsetzte.

Das Projekt Kirch hatte seine Wurzeln in den Aufbaujahren der Bundesrepublik, reifte mit der Einführung des Privatfernsehens in den achtziger Jahren und geriet schließlich in die Spekulationsblase der späten neunziger Jahre hinein.

Jetzt ist die Blase geplatzt, was zunächst einmal dazu führen wird, dass die Gehälter von Fußballstars wieder auf ein normales Niveau sinken. Insofern hat der Fall Kirchs auch den Charakter einer Reinigungskrise in der gesamten Branche; diese wäre früher oder später ohnehin gekommen.

Sobald Kirch seinen Insolvenzantrag gestellt hat, wird es darum gehen, möglichst viel von der Firmensubstanz zu erhalten. Staatliche Vergünstigungen für einzelne Lieferanten, zum Beispiel Fußballvereine, sind dabei das Letzte, was man braucht.

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