SZ-Kommentar:Forza Bavaria

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Wenn Edmund Stoiber Geld hätte, würde es ihm leichter fallen, im Herbst Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden.

Hans Werner Kilz

(SZ vom 30.03.02) - Er könnte den Medienkonzern Kirch kaufen, die Fernsehsender Pro Sieben, Kabel 1 und Sat 1 dirigieren, mit Hollywood-Filmen seinen Wahlkampf finanzieren und als Großaktionär des Axel Springer Verlags die Zeitungen Welt, Welt am Sonntag, Bild und Bild am Sonntag für seine parteipolitischen Zwecke einspannen.

Natürlich wäre er nicht nur Vorsitzender des Verwaltungsbeirats, sondern längst Besitzer des FC Bayern und hätte als Fernseh-Veranstalter der Formel 1 zumindest die rennsportverrückten Wähler auf seiner Seite.

Das wäre für einen deutschen Politiker eine ungeheure Machtfülle, und vielleicht gibt es ja ein paar Gesetze, die eine so massive mediale Präsenz deutscher Politiker auch verhindern könnten. In Italien gibt es sie nicht.

Gemessen an dem, was Stoibers Gesinnungsgenosse Silvio Berlusconi besitzt, wäre der CSU-Regent nur ein armer Schlucker, und das nicht nur, weil der Münchner Medienmogul Leo Kirch inzwischen pleite ist oder Stoiber mit seiner christlich sozialen Partei noch immer unter CSU und nicht unter Forza Bavaria firmiert.

Komfortable Mehrheiten

Berlusconi regiert keine Teilregion wie Bayern oder die Lombardei, er beherrscht als italienischer Ministerpräsident die gesamte Republik. Er muss sich bei wichtigen politischen Entscheidungen auch nicht von trickreichen Sozis in einer zweiten Kammer überstimmen lassen. Berlusconi besitzt die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer und im Senat.

Er lässt Gesetze im Parlament beschließen, die ihm selber bei seinen Geschäften nützen, weil die Abgeordneten, die solche Gesetze auf den Weg bringen, im Privatberuf zugleich seine Anwälte sind. Interessenkonflikte kennt Berlusconi nicht. Der Interessenkonflikt wurde in Italien per Gesetz abgeschafft. Das hat sich Berlusconi alles famos gerichtet: das Amt des Ministerpräsidenten und ein Medienimperium - alles kein Problem, "solange der Besitzer", wie es im Gesetz heißt, "keine Führungsfunktion wahrnimmt".

Auf deutsche Verhältnisse übertragen, sähe das etwa so aus: Gerhard Schröder wäre als Bundeskanzler zugleich Alleininhaber von Bertelsmann und hätte die wichtigsten Führungspositionen im Unternehmen an seine engsten Familienmitglieder vergeben.

Berlusconi dirigiert

Und der Mann, der in Rom jegliche Kollision zwischen politischem Amt und wirtschaftlichem Vorteil leugnet, in seiner Person aber die Regierungsgewalt eines europäischen Industriestaates und die Macht eines großen Medienkonzerns vereint, drängt jetzt auf den deutschen Markt.

Berlusconis öffentliche Bekenntnisse, er halte sich bei den Kirch-Rettungsaktionen völlig raus ("Damit habe ich nichts zu tun") , sind irreführend und lächerlich. Berlusconis Verhandlungsführer geben in München den Ton an, drängen Banken, auf Geld zu verzichten, um allein oder mit seinen Kumpanen Rupert Murdoch und Al Waleed in das private Fernsehgeschäft einsteigen zu können.

Natürlich kann es nicht die Aufgabe der Bundesregierung sein, "private ausländische Investoren abzuwehren", wie Bundeskanzler Schröder bekennt. Aber sein erster zaghafter Versuch, Berlusconi auf Distanz zu halten, verdient Lob und Unterstützung.

Export des Interessenkonflikts

Es ist wahrlich nicht unproblematisch, wenn der Ministerpräsident eines befreundeten Landes mit seinen privaten Unternehmen das deutsche Mediengeschäft beeinflusst. Als handele es sich um typisch italienische Produkte wie Hartweizenpasta oder Mozzarella, spottet die Tageszeitung La Repubblica, sei Berlusconi dabei, den Interessenkonflikt nach Europa zu exportieren.

Wer immer in den nächsten Tagen daran mitwirkt, Berlusconi als Retter des Kirch-Konzerns auf dem deutschen Markt zu etablieren, seien es die Banken oder die bayerische Staatskanzlei, muss wissen, was er sich einhandelt: Das System Berlusconi ist die Fortsetzung der Kumpanei von Politik und organisiertem Verbrechen - wenn auch legal und weithin akzeptiert.

Er bedient in Italien eine historisch gewachsene Mentalität hemdsärmeliger Rechtsbrüche, die demokratische Prinzipien verhöhnt. Er hat ein Netz persönlicher Beziehungen und Privilegien geknüpft, das eine krakenhafte Ausbreitung der politischen und wirtschaftlichen Korruption begünstigt, die zu beseitigen er eigentlich angetreten war.

Stoiber schweigt

Und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber, der in Italien als enger Freund des Ministerpräsidenten gilt, schweigt. Sieht die CSU den möglichen Einmarsch Berlusconis als TV-Unternehmer so verheißungsvoll wie dessen Wahlsieg im Mai vorigen Jahres, als CSU-Landesgruppenchef Michael Glos jubelte, die "sozialistische Vorherrschaft in Europa" bröckele?

Die Willkommensrufe des obersten bayerischen Medienwächters an die Adresse ausländischer Investoren kamen früh und laut. Deutsche Landesmedienanstalten werden Berlusconi und Murdoch, wenn sie denn nach Deutschland wollen, in ihrem Machtstreben nicht aufhalten können.

Alle Versuche, die Medienzaren durch Regulierung zu bremsen, nehmen sich rührend aus. Das erinnert an den Wettlauf von Hase und Igel: Typen wie Murdoch und Berlusconi sind bei ihren Raubzügen längst am Ziel, wenn Politiker und Marktregulierer noch hinter ihnen her rennen.

Medien als Befreier

Andererseits hilft es wenig, die Medien-Invasoren zu dämonisieren. Beide spielen perfekt die Rolle des materialistischen Veränderers, der sich dem Fortschrittsglauben verschrieben hat. Sie predigen Wachstum und Wohlstand, zielen auf die Befreiung der Massen durch Konsum und mehr materielle Güter.

Je mehr Menschen von den globalen Medien und ihrer Botschaft der Glückseligkeit erreicht werden, desto schneller wirkt der Sog von Ressourcenausbeutung, Industrialisierung, Urbanisierung und steigender Mobilität. Am Ende wird die globale Medienrevolution die Freiheit des Menschen, wie sie Murdoch propagiert, immer stärker einschränken.

Salopp gesagt: Freies Fernsehen für freie Bürger - frei von Verantwortung, frei von Mitsprache, am Ende auch frei von Freiheit.

Einfalt wird zum Programm

Markus Söder, ein Medienexperte der CSU, warnt vor allzu großer Hysterie mit der Erkenntnis, Fernsehprogramme wie die von Murdoch seien unpolitisch, reine Unterhaltung und deshalb ungefährlich für den Fortbestand der Demokratie. Da wird Einfalt zum Programm. Murdochs schöne neue Medienwelt war - vordergründig - immer unpolitisch, darauf aus, Menschen zu unterhalten: hedonistischer Konsum, populäre Filme, seichte Serien und viel, viel Sport. Politik wird zum Unterhaltungsspektakel degradiert.

Es braucht gar nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, wie alles kommen könnte: Wenn Murdoch künftig Kirch kontrolliert, könnte er auch Hauptaktionär bei Springer werden und hätte auf dem deutschen Zeitungsmarkt einen ähnlich starken Einfluss wie in Großbritannien mit der Sun, der Times und der Sunday Times.

Hoffentlich bleibt den Springer-Journalisten dieses Schicksal erspart. Murdoch, so geht die Mär, kaufe nur Zeitungen, die er auch lesen könne. Die deutsche Sprache hat der Australo-Amerikaner zum Glück nie gelernt.

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