Swatch-Gründer Nicolas Hayek:"Ich muss gar nichts"

Swatch-Gründer Nicolas Hayek über die insolvente Uhrenmarke Junghans, die Suche nach umweltfreundlichen Energieträgern und George Clooney.

Elisabeth Dostert

Der Markt für Luxusgüter ist durch die Schieflage des Hongkonger Konzerns Egana Goldpfeil in Bewegung gekommen. Die deutsche Tochter Junghans musste Insolvenz anmelden und steht zum Verkauf. Mehr als einmal hat sich in den vergangenen Jahren Nicolas Hayek, Gründer der Swatch-Gruppe, als Retter angeschlagener Marken aufgespielt. Aber an Junghans ist er nicht interessiert, sagt der Schweizer Unternehmer im SZ-Interview. Dafür widmet er sich der Suche nach umweltfreundlichen Energieträgern. Mit einer Reihe von Investoren, darunter die Deutsche Bank und der US-Schauspieler George Clooney, hat er die Firma Belenos gegründet. Und er freut sich über die späten Erfolge des Smart, die Idee dazu hatte er.

Swatch-Gründer Nicolas Hayek: Swatch-Gründer Nicolas Hayek: "Bei Junghans wurden über die Jahre viele Fehler gemacht."

Swatch-Gründer Nicolas Hayek: "Bei Junghans wurden über die Jahre viele Fehler gemacht."

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Hayek, Sie sind ein leidenschaftlicher Sammler traditionsreicher Uhrenmarken. Jetzt ist wieder eine zu haben: Junghans, eines der Tochterunternehmen des angeschlagenen Hongkonger Konzerns Egana Goldpfeil, hat Anfang September Insolvenz angemeldet. Sind Sie interessiert?

Nicolas Hayek: Nein. Es soll ein paar Dutzend Interessenten für Junghans geben. Da stelle ich mich nicht in die Schlange.

SZ: Aber kaum einer dürfte so viel Erfahrung mit der Sanierung angeschlagener Uhrenmarken haben wie Sie.

Hayek: Gut, wenn die versagen, was ich für unwahrscheinlich halte, kann Junghans immer noch zu uns kommen. Im Moment hätte ein Angebot für uns keinen Sinn.

SZ: Weil die Vielzahl der Bewerber den Preis hochtreibt?

Hayek: Nein, es geht nicht um Geld. Wenn Sie einen Mann lieben und der sagt Ihnen: "Vor dir kommen noch 40 andere Frauen, die mich auch lieben", da würden sie sich doch nicht aufdrängen und alle anderen zur Seite schieben.

SZ: Wenn die Liebe groß ist, schon.

Hayek: So groß ist die Liebe nun auch wieder nicht. Bei Junghans wurden über die Jahre viele Fehler gemacht.

SZ: Was meinen Sie konkret?

Hayek: Ich will nicht über einen Konkurrenten, der am Boden liegt, öffentlich herziehen. Ich habe den ehemaligen Eigentümer Karl Diehl gut gekannt, weil er mein Nachbar in Cap d'Antibes war. Er wollte unbedingt etwas mit mir machen. Aber ich würde das weder heute wollen noch habe ich es damals gewollt. Im Jahr 2000 hat Diehl dann Junghans an Egana Goldpfeil verkauft.

SZ: Waren Sie damals interessiert?

Hayek: Nein, ich hatte genügend andere Firmen zu retten. Diehl war ein ganz spezieller Mensch. Der wusste immer alles besser. So jemand passt nicht zu Swatch.

SZ: Halten Sie einen Finanzinvestor für den geeigneten Käufer für Junghans?

Hayek: Nein, der Verkauf an einen Finanzinvestor wäre nicht das Beste. Wer als Unternehmer eine Firma gründet, will etwas bewegen, etwas entwickeln. Ein Finanzinvestor, mit gigantischen Mitteln, geführt von einem Menschen, der unter dem Druck seiner Finanziers und Investoren selbst an nichts anderes denkt als an Geld, schnelles Geld und um jeden Preis Geld - der saugt eine Firma nur aus, anstatt in das Produkt und in die Anlagen zu investieren.

SZ: Auch Swatch hat Aktionäre. Sie müssen auch auf die Rendite achten.

Hayek: Ich muss gar nichts und schon gar nicht auf eine maximale Rendite achten. Ich muss zusehen, dass die Arbeitsplätze sicher sind und ich keine existenzbedrohenden Verluste, sondern, nach wichtigen Investitionen, vernünftige Gewinne erwirtschafte. Alles andere ist unwichtig. Die Firma ist wichtig, das Imperium ist wichtig: neue Produkte, neue Arbeitsplätze.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum Nicolas Hayek derzeit keine Zukäufe plant - und wie sich die Finanzkrise auf das Geschäft von Swatch auswirkt.

"Ich muss gar nichts"

SZ: Es stehen noch ein paar andere Marken zum Verkauf. Der marode Hongkonger Einzelhändler Peace Mark, zu dem die Schweizer Uhrenladenkette Sincere und die Uhrenhersteller Milus und Soprod gehören, sucht einen Investor.

Hayek: Nein danke. Am Ende werde ich noch als Monopolist beschimpft. Uns gehört schon das größte Uhrenimperium der Welt mit 19 Uhrenmarken und 162 Fabriken. Wieso sollen wir alles kaufen, was auf dem Markt ist, nur um die Dicksten, Größten und Dümmsten zu sein.

SZ: Ihr Markenportfolio ist komplett?

Hayek: Wenn eine wirklich wertvolle Marke mal in Schwierigkeiten steckt und uns um Hilfe bittet, würden wir reden. Aber im Moment wollen wir keine weitere Marke übernehmen. Peace Mark vertreibt in seinen Läden in China viele unserer Marken. Aber im Vergleich zu den Fehlern, die die gemacht haben, ist Junghans ein Engel. Peace Mark wollte der weltweit größte Luxuskonzern werden und hat dafür viele Firmen zu völlig überzogenen Preisen übernommen.

SZ: Müssen Sie nicht froh sein über jeden Konkurrenten, der vom Markt ver-schwindet?

Hayek: Nein. Das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass ich am Ende der einzige Uhrenproduzent bin. Dann bin ich George Bush und Dick Cheney in einer Person, Zielscheibe für alle.

SZ: Vor ein paar Monaten haben Sie eine Minderheit an dem Dubaier Luxuswarenhändler Rivoli übernommen. Sind die Wachstumsmärkte im Nahen Osten und in China Ihre neue Zielrichtung?

Hayek: Wir haben keine sture, genau fixierte Zielrichtung. Wer, ohne links und rechts zu schauen, stur ein vorher fixiertes Ziel verfolgt, ist ein Dummkopf. Rivoli war eine gute Gelegenheit, weil wir aus gesetzlichen Gründen in der gesamten arabischen Welt nicht selber Läden eröffnen dürfen.

SZ: Sind Sie in Europa noch auf der Suche nach guten Händlern?

Hayek: Wenn in Europa ein gut geführter Händler zum Verkauf stünde, würde ich sofort zugreifen. Aber das ist momentan nicht der Fall. Europa ist einer der interessantesten Märkte der Welt.

SZ: Spüren Sie die Konjunkturschwäche in Europa?

Hayek: Einzelne Märkte leiden unter den Nachwehen der Finanzkrise in den USA, zum Beispiel Spanien und Großbritannien. Die Deutschen klagen wie immer, aber denen geht es sehr gut. Einigen Finanzinstituten geht es schlecht, aber den produzierenden Unternehmen, der Realwirtschaft, geht es gut.

SZ: Arbeiten nicht gerade in der Finanzwelt viele Ihrer Käufer? Die bekommen vielleicht nun keinen oder einen deutlich geringeren Bonus als früher.

Hayek: Die kriegen vielleicht keinen Bonus von 1,2 Millionen Euro mehr, weil sie dummes Zeug verkauft haben, aber sie verdienen immer noch eine Viertel Million. Dann kaufen die eben drei Swatch und keine Breguet mehr.

SZ: Läuft das Geschäft in den USA wegen der Finanzkrise schlechter?

Hayek: Nein. In den USA geht alles sogar erstaunlich gut: Breguet, Omega, Swatch. Wir haben dort bei einigen Marken 30 Prozent Wachstum, trotz der Dollarschwäche.

SZ: Haben Sie eine Erklärung dafür?

Hayek: Die suche ich selber. Amerika ist immer noch einer unserer größten Märkte. Zur Basel-World im nächsten Jahr werden wir die erste für Tiffany produzierte Uhr vorstellen.

Lesen Sie im dritten Teil, wie Nicolas Hayek in den achtziger Jahren mit der Idee eines Hybrid-Motors scheiterte - und wie er über seinen Aktionär George Clooney denkt.

"Ich muss gar nichts"

SZ: Swatch wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Macht es Ihnen trotz der immer wieder von Ihnen beschimpften bürokratischen Hürden, schlechten Analysten und anderen Drangsalierungen immer noch Freude, Unternehmer zu sein?

Hayek: Mein ganzes Leben macht mir Spaß. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine Sekunde gearbeitet, ich habe mich immer amüsiert.

SZ: Es gab doch auch Fehlentscheidungen?

Hayek: Natürlich. Die gehören dazu, auch zum Unternehmertum.

SZ: Aus der von Ihnen schon in den achtziger Jahren gehegten Idee eines umweltfreundlichen Autos mit Hybrid-Antrieb wurde nichts. Die dafür zunächst mit Volkswagen und dann mit Mercedes geschlossene Kooperation für den Smart scheiterte und Sie zogen sich zurück. Zählt diese Erfahrung zu den bittersten Momenten in Ihrem Berufsleben?

Hayek: Ich habe überhaupt keine bitteren Momente. Als 1997 das Smart-Werk in Hambach eröffnet wurde, habe ich in meiner Eröffnungsrede Helmut Kohl und Jacques Chirac gebeten, in eine europäische Verfassung für jeden Unternehmer das Recht auf Misserfolg reinzuschreiben, damit er nicht immer wieder wegen Misserfolgen angefeindet wird. Jeder Versuch ist wichtig für die Arbeitsplätze und den Reichtum einer Volkswirtschaft. Ich war einfach zu früh dran mit meinem umweltfreundlichen Auto.

SZ: Erfüllt es Sie mit Genugtuung, dass heute der Smart mit Elektromotor gebaut wird, wenn auch ohne Sie?

Hayek: Ja, selbstverständlich, speziell jetzt, wo die Spitze von Mercedes genau dies machen will, nur zwölf Jahre später. Aber auch die Tatsache, dass sie eine Million Smart verkauft und nun endlich auch den amerikanischen Markt erschlossen haben. Ich bin ein glücklicher Mensch.

SZ: Mit dem Anfang dieses Jahres gegründeten Unternehmen Belenos, benannt nach dem Sonnengott der Kelten, machen Sie sich wieder auf die Suche nach Alternativen zu fossilen Energieträgern.

Hayek: Ja, richtig.

SZ: Wer genau sind die Aktionäre und wie hoch sind Ihre Anteile?

Hayek: Die Höhe der Anteile werde ich Ihnen im Detail nicht verraten. An Belenos halten die Hayek Engineering und die Swatch Group zusammen die Mehrheit. Zum Aktionärskreis zählen neben der Deutschen Bank, George Clooney, die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), Groupe E, Johann Schneider-Ammann und der ehemalige Astronaut Claude Nicollier.

SZ: Hat George Clooney wirklich Geld investiert oder hält er nur sein schönes Gesicht hin?

Hayek: George Clooney ist ein kluger, engagierter und kein armer Mensch. Er fährt selbst ein Elektroauto. Ich schätze ihn sehr. Er hat in der Schweiz ein Abendessen für Amerikaner gegeben und Geld gesammelt für den Wahlkampf von Barrack Obama. Clooney sitzt auch im Verwaltungsrat von Belenos, interessiert sich für alles, was wir da machen und hilft nicht nur mit Rat, sondern auch mit Tat.

SZ: Belenos soll eine Vielzahl von Joint Ventures gründen für Brennstoffzellen, zur Steigerung der Energieeffizienz von Solarzellen oder umweltfreundliche Autos. Wie viele solcher Gemeinschaftsunternehmen arbeiten schon?

Hayek: Zwei. Zum dritten wollen wir uns im Dezember öffentlich äußern. Da geht es um die Entwicklung umweltfreundlicher Autos. Eine Absichtserklärung haben wir schon unterschrieben

SZ: Mit wem?

Hayek: Das sage ich nicht.

Lesen Sie im vierten Teil, warum Nicolas Hayek den VW-Patron Ferdinand Piëch nicht leiden kann - und warum er Swatch nicht von der Börse nehmen will.

"Ich muss gar nichts"

SZ: Mit einem oder mehreren Automobilherstellern?

Hayek: Mit einem wichtigen, guten und großen.

SZ: Nach den Erfahrungen mit Mercedes und Volkswagen beim Smart - würden Sie auch wieder mit diesen beiden reden?

Hayek: Ich habe keine schlechten Erfahrungen mit der heutigen Führung von Mercedes und VW gemacht, sondern nur mit einem, noch in der Führung stehenden Mann von VW.

SZ: Sie meinen Ferdinand Piëch.

Hayek: Ja, denn Hochmut kommt bei mir sehr schwer an. Viele hochbezahlte Automobil-Manager haben Maschinenbau studiert und sind in diesem Fach Spitze, haben aber Mühe, andere Entwicklungen vollumfänglich zu verstehen und zu akzeptieren. Die werden noch umdenken müssen. Nach den Erfahrungen mit dem Smart werde ich kein Auto mehr selbst bauen, sondern nur Komponenten für einen Motor oder die Lizenz, um einen Motor zu produzieren, vergeben. Das erste Teil für einen solchen Motor kann in zwei bis drei Jahren auf den Markt kommen.

SZ: Wie lange wird Belenos Verluste machen?

Hayek: Belenos macht keine Verluste. Belenos investiert. Verluste sind etwas, was man verliert, Investitionen sind nicht verloren. Im Moment belaufen sich die Investitionen in Belenos auf circa 50Millionen Franken. Das kann aber viel mehr werden.

SZ: Wird Belenos irgendwann ein Börsenkandidat?

Hayek: Nein, die Börse ist für eine Firma wie Belenos zurzeit nichts Positives.

SZ: Es ist bekannt, dass Sie die Börse nicht mögen. In letzter Konsequenz müssten Sie Swatch von der Börse nehmen?

Hayek: Als ich mich damals von den Banken überreden ließ, 51 Prozent von Swatch anstatt 100 Prozent zu erwerben, war diese bereits an der Börse notiert und ich habe damals von den Finanzmärkten noch nicht genug verstanden. Ich war Unternehmer, das bin ich immer noch. Daher hätte ich Swatch damals ganz übernehmen sollen. Heute müsste ich allen anderen Aktionären ein Abfindungsangebot machen.

SZ: Was hindert Sie?

Hayek: Das kostet mich fünf bis zehn Milliarden Franken. Dazu müsste ich Kredite aufnehmen und dann reden mir Banker in mein Geschäft rein. Dann bin ich nicht mehr Herr im Haus. Da finde ich mich lieber damit ab, dass Swatch an der Börse ist und tue etwas Produktiveres.

SZ: Im Februar sind Sie 80 Jahre alt geworden. Haben Sie Angst, dass Ihnen die Zeit davonläuft?

Hayek: Angst nicht. Aber ich weiß, dass mir die Zeit davonlaufen wird. Ich werde nicht 200 Jahre leben, aber ich habe noch Pläne für weitere 200 Jahre. Die werden meine Kinder, meine vielen anderen Mitarbeiter und Kindeskinder verwirklichen. Es gibt viele, die mein Werk fortsetzen werden.

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