Super Bowl und patriotische Werbung:Wie lustig, wir sind Amerikaner

Eigentlich sind die Werbe-Spots beim Super Bowl nur ein teurer Kampf um den besten Witz. Diesmal ist wegen Donald Trump alles anders.

Von Jürgen Schmieder und Angelika Slavik

Ein landesweiter Aufstand gegen Donald Trump und seine präsidialen Dekrete? Überhaupt kein Problem! Die mexikanischen Avocadobauern müssten sich aufgrund der bereits beschlossenen Mauer an der Grenze und des geplanten Einfuhrzolls auf mexikanische Güter nur weigern, die insgesamt 87 000 Tonnen Avocados für den Super Bowl am kommenden Sonntag in die Vereinigten Staaten zu liefern. Mehr als 110 Millionen Amerikaner werden das Endspiel der Football-Liga NFL live verfolgen und dabei nicht nur massig Bier und Hühnchenflügel verdrücken, sondern Unmengen von Chips und Nachos in Guacamole tunken, einen auf Avocado basierenden Dip.

Der Aufstand wird ausbleiben, die grünen Früchte werden pünktlich geliefert - aber die Vereinigung "Avocados from Mexico" möchte die Nachbarn im Norden dennoch darauf hinweisen, dass die Guacamole-Liebe der Amerikaner einer Sucht gleicht und dass Mauer und Einfuhrzoll verheerende Auswirkungen haben könnten. "Avocados from Mexico" hat fünf Millionen Dollar bezahlt für 30 Sekunden Sendezeit während des ersten Viertels, im Internet kann man schon eine Vorschau auf das geplante Werbefilmchen sehen: Der US-Komiker Jon Lovitz steht vor psychedelischem Hintergrund und fordert die Zuschauer mit wahnwitzigem Blick dazu auf, gefälligst mehr Guacamole zu essen und mehr Avocados zu kaufen. Dann sagt er: "Bis zum ersten Viertel!"

Es ist ein Werbespot für den Werbespot, was natürlich völlig absurd ist - aber es passt zu diesem Spektakel, das da am kommenden Wochenende in Houston, Texas, über die Bühne geht. Atlanta Falcons gegen New England Patriots, das mag für Fans in aller Welt ein Football-Spiel sein. Für die Konzerne ist es die wichtigste Werbeschlacht des Jahres. Und die teuerste.

"Die Investition muss sich auszahlen", sagt Mary Scott. Sie ist die Präsidentin von UEG, einer auf Sport und Marketing spezialisierten Agentur, die Super-Bowl-Werbetreibende berät. Sie empfiehlt den Unternehmen, mindestens 25 Prozent der Sendezeit-Kosten in Werbung für die Werbung zu investieren. Denn auch wenn die Zuschauerzahlen enorm sind, sei die Konkurrenz um die Aufmerksamkeit groß. Der Konzern Anheuser-Busch etwa, der für die Brauereien Bud Light, Michelob Ultra, Budweiser and Busch gleich mehrere Werbeinseln gekauft hat, präsentierte kürzlich in New York seine Super-Bowl-Pläne. Was dabei noch nicht zu sehen war: die Spots. Es war lediglich Werbung für die Werbung.

Ein Spot während des Football-Endspiels garantiert größtmögliche Aufmerksamkeit. Zum einen, weil die Zuschauer während der Partie tatsächlich vor den Fernsehern sitzen und zum Zweiten, weil danach Ranglisten mit den skurrilsten, süßesten und schlechtesten Spots erstellt werden. Im besten Fall geht ein Werbefilm viral, wie die Branchenexperten das nennen, wenn Menschen den Film über die sozialen Netzwerke weiterverbreiten - freiwillig und ohne Bezahlung.

Wenn das gelingt, ist die Werbewirkung für die Unternehmen so groß, dass sie auch den enormen finanziellen Aufwand rechtfertigt, den die Konzerne für den Super Bowl treiben: 170 000 Dollar kostet eine Sekunde Werbezeit während der Übertragung dieses Spiels - für einen normalen, 30 Sekunden langen Spot werden also mehr als fünf Millionen Dollar in Rechnung gestellt. Das ist, wohlgemerkt, nur der Preis für eine einzige Ausstrahlung. Dazu kommen die Kosten für die Produktion des Films und die Gagen für Darsteller und Regisseure: Für die Superbowl-Spots arbeiten Konzerne und Werbeagenturen oft mit Hollywoods besten (und bestbezahlten) Leuten.

Manchmal geht die Rechnung trotzdem auf: Der Spot von Volkswagen, in dem ein kleiner Junge im Darth-Vader-Kostüm versucht, das Auto der Eltern mit der Kraft seiner Gedanken zu starten, wurde allein in den ersten zwölf Monaten nach seiner Ausstrahlung 2011 auf der Internetplattform Youtube noch 50 Millionen Mal aufgerufen. Das Video gilt bis heute als Meilenstein in der Werbegeschichte.

"Ist dein Badezimmer bereit, Amerika?"

Wegen der hohen Kosten und der Prestigeträchtigkeit der Super-Bowl-Werbung sind die Kreativen allerdings enorm unter Druck. Virale Erfolge aber lassen sich eben nicht planen. Volkswagen zum Beispiel konnte den Erfolg seit 2011 nicht wiederholen, obwohl das Unternehmen vor dem Bekanntwerden der Dieselaffäre viel Geld investiert hat, um einen würdigen Nachfolger für den Darth-Vader-Clip zu schaffen.

Der Super Bowl wird über die Werbefilme auch als Indikator für das Wohlbefinden ganzer Branchen interpretiert. Vereinfacht ausgedrückt: Wer sich das leisten kann, dem kann es nicht allzu schlecht gehen. In diesem Jahr werden die Nahrungsklassiker (Bier, Burger, Brause) zu sehen sein, nach einigen durchwachsenen Jahren wieder zahlreiche Autofirmen und zum ersten Mal verblüffend viele Spots, in denen gesunde Getränke angepriesen werden. Auffällig abwesend: Hollywood-Filme, Banken und Versicherungen.

Und noch ein weiterer Trend ist zu beobachten: Zahlreiche Unternehmen weisen darauf hin, dass ihre Produkte in den Vereinigten Staaten gefertigt und Arbeitsplätze für Amerikaner geschaffen werden - und das kurbele die US-Wirtschaft an. Selbst der witzigste Werbespot bislang (eine Ode auf die Kloschüssel, die während der Halbzeitpause des Spiels extremen Belastungen ausgesetzt sein dürfte, wenn die Zuschauer Hühnchen und Bier und Avocados wieder loswerden) fragt am Ende: "Ist dein Badezimmer bereit, Amerika?"

Im Amerika von Donald Trump wollen viele Unternehmen offenbar sichergehen, als patriotisch wahrgenommen zu werden - auch wenn die meisten Vorstandschefs politische Botschaften in ihren Spots bestreiten. Die Biermarke Budweiser behauptet ebenfalls, ihr Spot beziehe sich nicht auf die aktuelle politische Situation. Doch das Video erzählt die Geschichte des Firmengründers Adolphus Busch, der sich als Einwanderer mit viel Ablehnung konfrontiert sieht, sich aber doch durchsetzt - es ist schwer, das nicht in den Zusammenhang zu Trumps Politik zu stellen.

Offen politisch ist dagegen nur: "Avocados from Mexico". Der Clip dürfte ein sanfter Hinweis darauf werden, dass aus Mexiko nicht, wie von Trump verkündet, Verbrecher und Vergewaltiger in die USA kommen. Sondern leckere Früchte.

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