Summer School:Lernvideos gucken

Summer School: Ein junger Flüchtling hält ein Baby und ein Schild mit der Aufschrift "Euer Schweigen tötet uns".

Ein junger Flüchtling hält ein Baby und ein Schild mit der Aufschrift "Euer Schweigen tötet uns".

(Foto: Daniel Mihailescu/AFP)

Forscher und Unternehmer kämpfen für eine bessere Welt. Sie wollen eine der größten Herausforderungen meistern, die Migration.

Von Gianna Niewel

Sie standen in der Hitze Mexikos an der Grenze zu den USA und mussten lernen, dass es kein Durchkommen gibt. Zumindest nicht für Ecuadorianer, Kolumbianer oder Peruaner, die in die USA ziehen wollen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben oder nur einen neuen Job. Sie sprachen mit einigen der vielen Binnenflüchtlinge in China, die aus der Provinz nach Shanghai und Peking ziehen, um Geld zu verdienen. Die ihren Lohn in Taschen gestopft zurück in die Heimat bringen, weil sie in der Stadt kein Konto eröffnen dürfen. Zuletzt begleiteten Oliver Beckmann und seine Kollegen der Global Entrepreneurship Summer School in München die Flüchtlinge, die etwa von Syrien aus über das Mittelmeer kommen, und in Griechenland stranden. Die nicht wissen, wo der Bruder ist oder die Ehefrau. Und deren Verwandte in München oder Rosenheim nicht ahnen, dass sie auf dem Weg sind. Wie ist die Situation der Flüchtlinge vor Ort? Das war die Frage, die Beckmann antrieb. Wie kann man ihnen helfen? Das ist die Frage, der er sich nun widmet.

China, Mexiko, Deutschland. Drei Länder, eine Herausforderung: Migration. Beckmann und seine Kollegen versuchen etwas, das größenwahnsinnig scheint. "Enabling Entrepreneurs to Shape a Better World" lautet der englische Titel ihres Projekts. Konkret heißt das: Sie wollen Menschen ermutigen, die Ideen haben, wie man die Situation der Flüchtlinge verbessern kann. Sie wollen gemeinsam mit diesen Menschen die Ideen umsetzen. Das kann eine webbasierte App sein, die es den Menschen in Shanghai ermöglicht, ihr Geld in die Heimat zu überweisen. Oder ein Programm, das den Flüchtlingen in Griechenland sagt, wo sie genau sind - und wo ihre Verwandten.

Am Ende steht etwa eine App, die Flüchtlingen zeigt, wo sich Verwandte befinden

Ein Jahr lang hat das Team um Beckmann an dieser Summer-School gearbeitet, sie besuchten die jeweiligen Länder, sie haben international renommierte Dozenten angeworben und Lernvideos gedreht.

Am 30. Mai geht es los. Die Kurse sind online, sie sind kostenlos, mitmachen kann jeder. "Wir richten uns an Menschen auf der ganzen Welt, die die Flüchtlingskrise nicht als Problem begreifen, sondern als Chance", sagt Beckmann, 36 Jahre alt. Er leitet die Global Entrepreneurship Summer School. Das könnten Ingenieure sein und Ärztinnen, Lehramtsstudenten, Auszubildende und Flüchtlinge.

Wer sich angemeldet hat, schaut jede Woche fünf kurze Videos auf dem Laptop oder dem Smartphone, sechs Wochen lang. Wann die Teilnehmer die Videos ansehen, ist egal; das kann jeden Morgen in der Bahn sein oder alle auf einmal an einem Samstag Zuhause. Die Dozenten sprechen darin über ihre Arbeit und geben im Idealfall Impulse: Da ist etwa der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der Mikrokredite an die Ärmsten in Bangladesch vergibt. Da ist Nick Allardice, der Vizepräsident für globale Kampagnen der Petitionsplattform Change.org. Oder der Unternehmer Alexander Osterwald, der ein Model entwickelt hat, mit dem veraltete Geschäftsmodelle erneuert werden können.

Immer sonntags beantworten die Zuschauer in einem Test Fragen zu den Videos. Ist der Test bestanden, werden die Videos für die nächste Woche freigeschaltet. Parallel hierzu entwickeln sie in kleinen Gruppen eine Idee für ein eigenes Projekt, sie erarbeiten ein tragfähiges Modell und überlegen, wie man es finanzieren könnte. Nebeneffekt: Mitarbeiter der Stadt, Ingenieure und Juristen arbeiteten zwar oft für Flüchtlinge, aber nicht mit ihnen zusammen. Das änderte sich während der Summer-School. Nach sechs Wochen werden diese Modelle noch einmal unter Anleitung von Unternehmern und Experten verfeinert. "Am Ende steht dann ein Start-up", sagt Beckmann. Und wer keine Lust hat, ein eigenes Unternehmen zu gründen? Der kann nur die Videos schauen.

Die Summer-School ist für die Teilnehmer kostenlos, weil vier Münchner Universitäten Büros und Computer zur Verfügung stellen, die mexikanische Universität Tecnólogico de Monterrey hilft, die SAP Foundation auch. 3500 Menschen haben sich bislang registriert, nach oben gibt es keine Beschränkung. Anmelden kann man sich noch bis zum 4. Juni auf www.open.sap.com/gess-mooc.

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