Südkorea:Tiefer Sumpf

Rally Against President Park Continues In Seoul

Seit Wochen protestieren Südkoreaner gegen Präsidentin Park Geun-Hye. Sie werfen ihr Korruption vor.

(Foto: Chung Sung-Jun/Getty Images)

Die Staatspräsidentin ist zwar in einen Korruptionsfall verstrickt. Aber erstmals stehen die Familienkonzerne wie Täter da.

Von Christoph Neidhart, Seoul

Ein Präsident bleibt fünf Jahre, die Familienkonzerne, die Chaebol, für immer. Diesen Spruch kennt in Südkorea fast jedes Kind. Er umschreibt das Selbstbewusstsein, mit dem die Konzernpatriarchen traditionell gegenüber Südkoreas Politikern auftreten. In Südkorea gilt es auch als offenes Geheimnis, dass die Konzerne die Politiker "kaufen", etwa mit "Samsung-Stipendien".

Tatsächlich waren bisher alle Präsidenten zumindest indirekt, über Angehörige oder Bekannte in Korruptionsvorwürfe mit den mächtigen Firmenkonzernen verstrickt. Auch Präsidentin Park Geun-hye steht nun unter Verdacht. Sie hatte, als sie ihr Amt antrat, noch versprochen, sauber bleiben zu wollen. Sie lebe doch allein, hatte sie argumentiert, und habe keine Kinder. Deswegen könne sie kein Interesse daran haben, sich zu bereichern.

Doch nun wirft ihr die Staatsanwaltschaft Beihilfe zur Erpressung vor. Park soll ihrer Freundin Choi Soon-sil geholfen haben, etwa 40 Familienkonzerne, allen voran Samsung, insgesamt etwa 60 Millionen Euro angeblich für Sporthilfe-Organisationen abgepresst zu haben. Mit dem Wissen der Präsidentin seien auch hochrangige Beamte ihrer Verwaltung beteiligt gewesen. Choi sackte das Geld dann selber ein. Von Samsung erhielt sie zum Beispiel 2.8 Millionen Euro für die Reitstunden und das Dressurpferd Vitana V ihrer Tochter. Außerdem kaufte sie im Taunus über eine Briefkastenfirma Häuser und ein Hotel.

Gemessen an den Beträgen, die in den Skandalen um frühere Präsidenten geflossen sind, wirken die 60 Millionen Euro fast wie Taschengeld. 91 Prozent der Südkoreaner regen sich denn auch nicht über die Summe auf. Sie sind wütend, weil Park der Schamanenpredigerin Choi heimlich politische und personelle Entscheidungen überlassen haben soll.

Die Familienkonzerne sehen in diesem Skandal vordergründig wie Opfer aus, nicht wie Täter. Doch von diesem Dienstag an will eine Kommission des Parlaments prüfen, ob sie tatsächlich nur Opfer waren, also erpresst wurden. Oder ob sie ihre "Spenden" freiwillig zahlten und dafür Gegenleistungen erhielten. Die Kommission hat unter anderen Samsung-Vize-Chef Lee Jae-Yong vorgeladen, der seinen kranken Vater Lee Kun-hee vertritt; und Hyundai-Boss Chung Mong-koo. Beide sind im letzten Jahrzehnt wegen Bestechung, Steuerhinterziehung, Unterschlagung und schwarzer Kassen zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Sie waren aber nie im Gefägnis. Parks Vorgänger Lee Myung-bak, vor seinem Einstieg in die Politik ein Chaebol-Manager bei Hyundai-Construction, hat sie begnadigt.

Erstmals gelten die mächtigen Familienkonzerne des Landes als Täter, nicht als Opfer

Diesmal steht den Südkoreanern ein seltenes Schauspiel ins Haus. Einige der mächtigsten Männer im Land, deren Tun, anders als jenes der Präsidentin, nicht vom Parlament kontrolliert und von einer Amtszeit beschränkt wird, erteilen dieses eine Mal keine Befehle; sie können sich auch nicht verstecken. Jetzt müssen sie unangenehme Fragen beantworten.

Die neun Kommissionsmitglieder der Opposition gehen mit konkreten Verdachtsmomenten in die Befragungen. Ihr Blick richtet sich auf eine bestimmte Fusion: Als Samsung vor anderthalb Jahren zwei Tochterfirmen fusionierte, beschwerte sich ein amerikanischer Hedge-Fund, Samsung habe die Minderheitsaktionäre von Samsung C&T übers Ohr gehauen. Die Firmen seien viel zu tief bewertet worden. Am Ende wurde die Fusion von den Aktionären nur äußerst knapp bewilligt, unter ander vom staatlichen Pensionsfonds Südkoreas. Schon damals hieß es, der Pensionsfonds habe nicht im Sinne seiner Anleger, der künftigen Rentner, sondern zugunsten von Samsung gestimmt.

Der Präsidentin wird vorgeworfen, sie habe die offiziell unabhängigen Pensionsfonds-Manager angewiesen, zugunsten von Samsung-Vize Lee zu stimmen. Kurz nach der Aktionärsversammlung soll Samsung dann die 2,8 Millionen Euro für das Dressurpferd der Tochter und die Häuser im Taunus an eine Stiftung Chois überwiesen haben. Ein schwerer Vorwurf. Die mächtigen Firmenkonzerne stehen nun plötzlich selber in der Schusslinie.

Die Chaebol sind ein Produkt der südkoreanischen Militärdiktatur. Korruption war damals normal, der Präsident steckte mit ihnen unter einer Decke. Während der sogenannten Asien-Krise 1997 zerbrachen die schwächeren Familienkonzerne. Die andern gingen gestärkt aus der Krise hervor. Seither haben sie es gelernt, sich auch in der offenen, demokratischen Gesellschaft, die Südkorea heute ist, mit der Macht zu vernetzen. Im Skandal um Choi zeigt dieser Filz allerdings erste Risse.

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