Südamerika:Straßenschlachten in Ecuador

Burning Tires Block Roads As Ecuador Declares State Of Emergency

Aufruhr in Ecuador. Am Mittwoch soll ein Generalstreik das ganze Land lahmlegen.

(Foto: Johis Alarcon/Bloomberg)

In dem Land herrscht der Ausnahme­zustand. Die Menschen demonstrieren gegen das Sparpaket der Regierung, vor allem gegen die Verteuerung von Treibstoff.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Es hätte ein schöner Staatsbesuch werden sollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wollte am Mittwoch Ecuadors Präsidenten Lenín Moreno begrüßen. Geplant war ein Empfang mit militärischen Ehren im Kanzleramt, am Tag darauf sollte es ein Treffen mit Bundespräsident Frank Walter Steinmeier geben und einen feierlichen Eintrag ins Gästebuch von Bellevue. Doch aus allem wird nun nichts, Ecuadors Staatschef hat seinen Deutschlandbesuch abgesagt. Moreno wolle lieber in Ecuador bleiben, sagte sein Außenminister, Grund dafür sei die "aktuelle Lage" im Land. Und die ist, gelinde gesagt, ziemlich angespannt.

Seit Mitte vergangener Woche erschüttern schwerste Proteste den Staat an Südamerikas Pazifikküste. In mehreren Städten kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. In der Hauptstadt Quito wurde der Regierungssitz mit Brandsätzen angegriffen, Demonstranten zerstörten Polizeiwagen und blockierten Straßen mit brennenden Reifen. Die Polizei wiederum reagierte mit Tränengas, Sondereinsatzkräfte der Polizei mit schwerer Schutzausrüstung gingen teilweise brutal gegen die Demonstranten vor, auf beiden Seiten gab es Dutzende Verletzte.

Grund für die Auseinandersetzungen ist ein Sparpaket der Regierung. Es umfasst unter anderem eine Lockerung der Arbeitsschutzrechte und die Kürzung der Urlaubstage von Staatsangestellten. Für besonders viel Unmut sorgt aber der Beschluss, die Subventionen für Treibstoff zu kürzen. Mit ihnen hat Ecuador seine Bevölkerung über Jahrzehnte mit günstigem Gas, Benzin und Diesel versorgt, die Preise lagen weit unter dem Weltmarktniveau. Zwar fördert Ecuador selbst Erdöl, dennoch haben die Subventionen den Staat hohe Summen gekostet, alleine dieses Jahr schon mehr als eine Milliarde Dollar. Das ist ein Problem, denn das Land ist hoch verschuldet, vor allem in der Amtszeit von Morenos linkem Vorgänger sind die Ausgaben explodiert.

Ecuadors aktueller Staatschef hat 2017 das Amt übernommen und die Wirtschaft geöffnet, gleichzeitig versucht Moreno die Schuldenlast abzubauen. Ende September erklärte die Regierung, die Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC) zu verlassen. Das Kartell versucht den weltweiten Ölpreis zu regulieren, indem es Fördermengen festlegt. Der Austritt erlaubt es Ecuador, mehr Öl zu fördern und damit die Staatseinnahmen zu steigern. Dazu hat Ecuador sich auch noch Geld beim Internationalen Währungsfonds geliehen, insgesamt mehr als vier Milliarden Dollar. Im Gegenzug hat sich die Regierung verpflichtet, die öffentlichen Ausgaben zu senken. Das Reformpaket soll am Ende das Haushaltsdefizit von derzeit 3,6 Milliarden Dollar auf eine Milliarde im kommenden Jahr senken. Den bei Weitem größten Anteil an den Einsparungen hat dabei die Streichung der Treibstoffsubventionen.

Als "pervers" bezeichnete Staatschef Lenín Moreno sie vergangene Woche und betonte, dass die Subventionen vor allem denen genutzt hätten, die gar nicht auf die Unterstützung des Staates angewiesen waren. Dazu hätten die billigen Preise für Benzin und Diesel den Treibstoffschmuggel befeuert. Auch Analysten und Berater predigen seit Jahren eine Kürzung oder Streichung der Subventionen, allerdings hatte sich bisher keine Regierung an die Reform getraut. Politisch galt sie als Selbstmord. Wiederholt haben öffentliche Proteste in Ecuador Regierungen zu Fall gebracht.

Als am Donnerstag die Maßnahmen in Kraft traten, war Staatschef Lenín Moreno vermutlich darauf eingestellt, dass es zu Unmut in der Bevölkerung kommen würde. Gewissermaßen über Nacht erhöhten sich die Preise für Benzin um ein Viertel, die von Diesel verdoppelten sich sogar. Taxi- und Transportunternehmen riefen umgehend zu einem landesweiten Streik auf, der öffentliche Nahverkehr in den allermeisten Städten brach vollkommen zusammen. In Schulen fiel der Unterricht aus, Geschäfte blieben geschlossen und Flüge wurden gestrichen. Dazu kam es landesweit zu Protesten. Viele Menschen befürchten, dass die erhöhten Treibstoffpreise am Ende auch zu höheren Preise für Lebensmittel und Konsumgütern führen. "Nieder mit dem Paket", forderten darum Demonstranten und "Kein Geld für den IWF". Der Weltwährungsfonds gilt vielen Menschen in Lateinamerika als Verursacher von teils drastischen Sparmaßnahmen und darum auch als Urheber von sozialer Not und ansteigender Armut.

Noch am Donnerstag hat Lenín Moreno den Ausnahmezustand verhängt, "um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten und Chaos zu verhindern", so Ecuadors Staatschef. Er gilt für 60 Tage und ermächtigt den Präsidenten, die Pressefreiheit einzuschränken und Streitkräfte im Land einzusetzen. 24 000 Soldaten patrouillieren seitdem zusammen mit der Polizei auf wichtigen Straßen, Plätzen und Flughäfen. Die Transportunternehmen haben ihren Streik mittlerweile beendet, es gab erste Gespräche mit der Regierung über eine Erhöhung der Bustarife. Indigene Gruppen, Gewerkschaften und Studentenvereinigungen haben aber weitere Proteste angekündigt. Am Mittwoch soll ein Generalstreik das Land lahmlegen. Präsident Moreno wiederum betonte auch am Wochenende noch einmal, dass er die Streichung der Subventionen nicht zurücknehmen werde. Dazu sagte er in einer Fernsehansprache, dass er nicht mit "Kriminellen" verhandeln werde, die das Land ins "Chaos" stürzen wollen.

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