Südafrika:Die Krise des Präsidenten

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Dem Land droht eine Rezession. Schlimmer aber: Jacob Zuma ist das eigene Wohlergehen wichtiger als das des Landes.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Der sonst so unerschütterlich selbstgewisse Präsident gerät immer deutlicher in die Defensive. Vor dem südafrikanischen Parlament in Kapstadt erklärte Jacob Zuma diese Woche, eine seiner höchsten Prioritäten sei es nun, eine weitere Abwertung der Kreditwürdigkeit seines Landes zu verhindern. Und da man die globale Wirtschaftslage nicht ändern könne, werde man sich darauf konzentrieren, die "Umstände zu korrigieren, die das Vertrauen in unsere heimische Wirtschaft beeinträchtigt haben."

So kleinlaut hat man Zuma noch nie erlebt. Das Vertrauen in Südafrikas Wirtschaft, beeinträchtigt? Noch vor wenigen Wochen hatte der Präsident sein Volk dazu aufgerufen, die "Probleme des Landes nicht ständig zu übertreiben." Doch inzwischen hat die Krise ein Ausmaß angenommen, das Zuma nicht mehr, wie sonst, weglächeln und -kichern kann.

Analysten zufolge droht Südafrika, der Wirtschaftslokomotive des Kontinents, eine Rezession - weil die Nachfrage nach Rohstoffen in China eingebrochen ist, weil der Landwirtschaft nun obendrein ein Rekord-Dürre zusetzt, und: Weil der Präsident zuletzt immer mehr Anlässe geliefert hat, die Zweifel daran wecken, ob ihm die Stabilität des Landes wirklich mehr am Herzen liegt als sein eigenes Wohlergehen.

Zwar ließ Zuma kürzlich verlauten, er sei bereit, einen Teil des öffentlichen Geldes zurückzuzahlen, mit dem er sich seine Privatresidenz in seinem Heimatort Nkandla hat ausbauen lassen - aus Sicht der Opposition eines der schillerndsten Symbole dafür, wie korrupt die Regierungspartei African National Congress (ANC) inzwischen ist. Zwei Jahre lang hatte Zuma alle Forderungen nach Rückzahlung süffisant abgewehrt. Seinen vermeintlichen Sinneswandel werten Beobachter denn auch vielmehr als strategische Flucht nach vorn: Zwei Oppositionsparteien haben in der Sache inzwischen vor dem Verfassungsgericht Klage eingereicht.

Doch der Schritt genügte nicht, um die erhitzten Gemüter zu besänftigen. Oppositionsabgeordnete unterbrachen vergangene Woche Zumas Ansprache zur Lage der Nation im Parlament immer wieder mit Zwischenrufen und Rücktrittsforderungen. Der Unmut, der sich im Volk seit Monaten unter dem Twitter-Hashtag "Zuma muss weg" bündelt, wird von immer neuen Hiobsbotschaften befeuert: Wie zuvor schon der Internationale Währungsfonds, hat jetzt auch die Weltbank ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr nach unten korrigiert - von 1,4 auf nur noch 0,8 Prozent. Die Inflationsrate ist inzwischen auf 5,2 Prozent gestiegen, und der Wert der Landeswährung Rand ist gegenüber dem US-Dollar im Laufe des vergangenen Jahres um 42 Prozent eingebrochen. Hoffnungen darauf, dass die extrem hohe Arbeitslosigkeit - inoffiziellen Erhebungen zufolge beträgt sie rund 40 Prozent - sich mittelfristig lindern ließe, verdampfen unter diesen Bedingungen wie die wenigen Regentropfen, die in diesen Tagen auf die von einer Jahrhundertdürre ausgezehrten Böden fallen. Die Tatsache, dass aufgrund der schlechten Ernten die Preise für Grundnahrungsmittel explodieren und Südafrika dieses Jahr mehrere Millionen Tonnen Mais aus dem Ausland einführen muss, macht die Stimmung nicht besser.

Nun ist freilich kein Präsident dieser Welt unmittelbar schuld an Hitze und Trockenheit - und ebenso ist Zuma kaum zu widersprechen, wenn er darauf verweist, dass er wenig Einfluss auf die schwächelnde Nachfrage nach Rohstoffen aus China hat. Zwar hat Südafrika im Gegensatz zum Rest Afrikas einen nennenswerten verarbeitenden Sektor, dennoch stützt sich die Volkswirtschaft wesentlich auf die Ausfuhr von Rohstoffen wie Platin, Gold und Eisenerz und bekommt die Preisstürze auf dem Weltmarkt entsprechend zu spüren.

Halsbrecherische Kurskorrekturen zerstören das Vertrauen in Zuma

Doch zu wesentlichen Anteilen ist die jetzige Krise klar hausgemacht. Deutlicher denn je wurde das im Dezember, als Zuma überraschend und ohne jede Begründung den damaligen Finanzminister Nhlanhla Nene schasste und ihn durch einen unerfahrenen, aber gefügigen Hinterbänkler ersetzte. Der Rand-Kurs und die Aktienmärkte reagierten umgehend mit einem beispiellosen Sinkflug - und auf massiven Druck aus seiner Partei legte Zuma kurz darauf die nächste Volte hin: Er setzte den Hinterbänkler wieder ab und hievte den international respektierten Pravin Gordhan auf den Posten, der schon früher fünf Jahre lang als Finanzminister gedient hatte. Die halsbrecherische Kurskorrektur stoppte zwar den Fall der Kurse - doch das Vertrauen in Zumas Führungsstil und in die Stabilität der südafrikanische Volkswirtschaft ist nachhaltig angeschlagen.

Eine Begründung für das Personalgeschacher hat der Präsident trotz bohrender Fragen aus der Opposition nicht geliefert - wodurch sich Kritiker bestätigt sehen, die Zuma vorwerfen, er wollte schlicht einen lästigen Widersacher aus dem Weg räumen. Nhlanhla Nene hatte sich als Finanzminister gegen zwei Herzensprojekte des Präsidenten gesperrt: die völlig undurchsichtige Anschaffung mehrerer russischer Atomreaktoren sowie den Kauf von zehn Airbus-Maschinen für die schwer verschuldete Fluggesellschaft South African Airways.

Freilich gibt es auch Branchen, die vom Sinkflug des Währungskurses profitieren; allen voran der Tourismus. Nicht zuletzt wegen der günstigen Preise sind in dieser Saison etwa sieben Prozent mehr ausländische Gäste ans Kap gereist als im Vorjahr. Und Beobachtern zufolge hätten es noch wesentlich mehr sein können - wären da nicht die grotesk komplizierten neuen Einreisebedingungen, denen zufolge Familien mit Kindern etwa eine beglaubigte Geburtsurkunde auf Englisch mitführen müssen. Die neuen Bestimmungen schreckten viele Reisende ab - vor allem unter chinesischen Touristen brach die Zahl der Buchungen zwischenzeitlich massiv ein. Ein weiteres Beispiel dafür, wie Südafrika zur Zeit weit unter seinen Möglichkeiten regiert wird.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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