Suchmaschinenbetreiber unter Verdacht:Googledämmerung

In den USA ermitteln offenbar bald die Bundes-Kartellbehörde und drei Generalstaatsanwälte gegen den Internetgiganten Google. Der Verdacht: Das Unternehmen manipuliere seine Suchmaschinenergebnisse zum eigenen Nutzen - die Kunden würden in die Irre geführt.

Nikolaus Piper, New York

Es ist noch nicht lange her, da war Google jung, cool und sympathisch. Die vor knapp 13 Jahren gegründete Firma schien genau zum libertären Geist des Internets und der Technik-Gemeinde auf der ganzen Welt zu passen. Das hat sich radikal geändert. Google, über dessen Seiten in Europa 80 Prozent und mehr aller Internet-Suchen laufen - in den Vereinigten Staaten sind es zwei Drittel - erscheint heute übermächtig, mächtiger sogar als der Software-Konzern Microsoft, der vielen Freaks im Netz bis vor kurzem noch als Inkarnation des Bösen galt.

Neue Informationen zu Google Street View

Unter Verdacht: Missbraucht Google seine Macht? In den USA sollen bald Ermittlungen gegen den Suchmaschinenriesen aufgenommen werden.

(Foto: dpa)

Wie umstritten Google ist, zeigte sich in Deutschland zuletzt beim Streit um die Frage, was das Unternehmen alles für seinen Dienst Street View fotografieren darf. Die EU-Kommission startete im vorigen Jahr ein Verfahren wegen wettbewerbsfeindlichen Verhaltens. Doch das war alles nur Vorgeplänkel. Jetzt wird es ernst für Google.

Mehrere amerikanische Behörden arbeiten derzeit an Kartellverfahren gegen die Firma. Wie US-Medien übereinstimmend berichten, wird die Federal Trade Commission (FTC), eine Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde, binnen Tagen Vorladungen an Vertreter von Google schicken. Außerdem sollen die Generalstaatsanwälte von Kalifornien, New York und Ohio Verfahren vorbereiten. Die Regierung des Bundesstaates Texas hatte dies bereits 2010 vorgemacht. Alle beteiligten Behörden lehnten Kommentare zu den Berichten ab.

Klar ist der Kern der Vorwürfe. Google, so die Argumentation vieler Kritiker, nutze seine überragende Stellung auf dem Markt für Internetsuche und für Anzeigen im Netz, um Suchergebnisse zu manipulieren und Nutzer auf eigene Angebote, oder auf die von Anzeigenkunden, zu lenken. Das Unternehmen schade so nicht nur Konkurrenten, sondern auch Verbrauchern, die absichtsvoll von möglicherweise besseren Angeboten ferngehalten werden.

In der Struktur ähneln die Vorwürfe verblüffend jenen, denen sich Microsoft in den neunziger Jahren gegenübersah. Der Software-Konzern hatte mehr und mehr Angebote in seinen Windows-Paketen zusammengepackt und so Konkurrenten verdrängt. Bekanntestes Beispiel ist Microsofts Browser Internet Explorer, der den Pionier Netscape binnen kürzester Zeit aus dem Markt warf. In mehreren Verfahren in den USA und der EU wurde Microsoft zwar nicht zerschlagen, wie Kritiker gefordert hatten, das Unternehmen musste aber empfindliche Geldbußen zahlen und wertvolle Management-Kapazität für juristische Fragen abziehen.

Missbraucht Google seine Macht?

Der Bogen lässt sich aber noch weiter spannen. Es geht um die Schlüsselfragen des Kartellrechts: Wie viel Macht darf ein Unternehmen anhäufen? Was darf es mit dieser Macht tun, ehe der Tatbestand des Missbrauchs erfüllt ist? Und inwieweit darf der Staat erfolgreiche Unternehmen in der Nutzung ihres Erfolgs einschränken?

Durchgespielt wurde das alles zum ersten Mal vor über 120 Jahren. 1890 verabschiedete der US-Kongress den Sherman Antitrust Act, das erste Kartellgesetz der Geschichte, auf das sich möglicherweise jetzt auch die FTC und die Staatsanwälte berufen werden, wenn es gegen Google geht.

Das Gesetz selbst war gegen John D. Rockefeller und dessen Monopol Standard Oil gerichtet. Verhindert werden sollte, dass Standard Oil dank seiner Macht bei den Eisenbahnen Rabatte für den Transport des eigenen Öls aushandelte und so den Konkurrenten keine Chance ließ. Was bei Standard Oil die Eisenbahnen, das ist bei Microsoft das Betriebssystem und bei Google der Such-Algorithmus: Grundgegebenheiten, ohne die der Markt nicht funktioniert und deren Beherrschung riesige Macht verleiht.

Hellhörig wurden die US-Behörden, als Google damit begann, andere Firmen zu erwerben und so sein Geschäft auszuweiten. Besonders kritisch war in diesem Frühjahr die Übernahme von ITA, einem Anbieter von Reise-Software. Das Justizministerium genehmigte den Deal, aber unter strengen Auflagen.

Googles Geschäftsmodell auf dem Prüfstand

Kein Wunder, dass zu den schärfsten Kritikern Googles Online-Reisebüros gehören. In der Anti- Google-Lobby "Fair Search" arbeiten neben Microsoft Firmen wie Tripadvisor, Travelocity und Expedia mit. Zentrale These von Fair Search: "Suchmaschinen, die durch Anzeigen finanziert werden, haben immer eine Schlagseite zugunsten der Anzeigenkunden." Damit geht es um nicht weniger als das Geschäftsmodell von Google.

Der Ausgang eines möglichen Verfahrens ist völlig offen. Die US-Gerichte haben zuletzt bei Kartellverfahren häufig zugunsten der beklagten Unternehmen entschieden. Die Zerschlagung Googles ist sehr unwahrscheinlich. Aber das Unternehmen wird sich, ähnlich wie Microsoft, auf Jahre hin mit juristischen Problemen herumschlagen.

"Praktisch segelt Google schon jetzt unter der gelben Warnflagge", sagt der Rechtsprofessor Eric Goldman aus Santa Clara gegenüber Bloomberg. Ein FTC-Verfahren könnte es für das Unternehmen schwieriger machen, im Wettbewerb zu bestehen. Google musste schon eine halbe Milliarde Dollar bereitstellen, weil die Behörden dessen Geschäft mit Online-Reklame für Arznei untersuchen wollen.

Auch sonst wappnet sich das Unternehmen. Im Januar warb Google den Antitrust-Experten des Rechtsausschusses im Repräsentantenhaus, Stewart Jeffries, ab. Er wurde Chefjustitiar für Wettbewerbsrecht am Google-Firmensitz im kalifornischen Mountain View. Jeffries dürfte ein vielbeschäftigter Mann werden.

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