Studie:Die Energiewende verschlingt massenweise Rohstoffe

Radfahrer auf dem Deich

Das Ziel der Studie sei es nicht, die Energiewende in Frage zu stellen, sondern die Folgen des Booms aufzuzeigen.

(Foto: dpa)
  • Um die globale Erderwärmung einzudämmen, werden immer mehr Windräder und Solaranlagen gebaut.
  • Eine Studie zeigt nun, was für enorme Mengen an Rohstoffen für den Bau solcher Anlagen notwendig sind.
  • Um wirklich "sauberen" Strom zu liefern, müssen die Hersteller die Herkunft der Rohstoffe und die Bedingungen des Abbaus besser überprüfen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Was in der Gondel eines Windrades so alles steckt, lässt sich von außen kaum erahnen. Kupfer, klar, und Eisen. Aber auch Mangan, Selen, Molybdän und Niob - seltene Metalle und Erden, die sich auch in den meisten Handys finden. Bis zu 200 Tonnen Metalle sind in einer einzelnen Windenergie-Anlage verbaut, das meiste davon Stahl. Und wie das Mobiltelefon hat auch das Windrad seinen Siegeszug um die Welt angetreten. Nur über die Folgen für den globalen Rohstoffverbrauch hat sich bisher keiner groß Gedanken gemacht. Dabei ist der riesig.

Das katholische Hilfswerk Misereor ist dem nun auf die Spur gegangen. In einer Studie hat es Daten zur globalen Energiewende ausgewertet. Damit etwa der globale Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzt wird, müssten fossile Energien massiv zurückgedrängt werden, unter anderem durch mehr Windkraft. Das aber dürfte die Nachfrage nach metallischen Rohstoffen für Windräder um das Zweieinhalbfache steigern. Bei der Solarenergie dürfte sich der Bedarf demnach sogar verdreifachen. Verglichen mit einem konventionellen Kohlekraftwerk verbrauchen die Ökostromanlagen deutlich mehr metallische Rohstoffe je Megawatt Leistung - jedenfalls beim Bau.

Die Hilfsorganisation interessieren dabei vor allem die Bedingungen in den Abbauländern. Es sei "nicht auszuschließen, dass in den klimafreundlichen Anlagen zur Energiegewinnung Rohstoffe verbaut werden, die unter menschenrechtlich problematischen Bedingungen gefördert werden und in den Abbaugebieten zu Umweltschäden und sozialen Konflikten führen", heißt es in der Studie. "Infolgedessen trägt auch die Wind- und Solarindustrie eine (Mit-)Verantwortung bezüglich ihrer Lieferkette." Als Misereor bei 21 Unternehmen der Branche nachfragte, wie sie es mit dieser Verantwortung halten, entschieden sich die meisten fürs Schweigen: Nur neun Firmen antworteten. Dem Thema werde offenbar "noch keine ausreichende Aufmerksamkeit und Priorität gewidmet", schloss Misereor.

Das Thema ist allerdings auch für das Hilfswerk selbst heikel, denn die Alternativen sind nicht besser. Kohlekraftwerke tragen nicht nur zur Erderhitzung bei, sie haben auch ihre ganz eigene Rohstoffproblematik: Auch Kohle aus Südafrika oder Kolumbien wird unter heiklen Bedingungen gefördert. Der fiese Fußabdruck für Umwelt und Menschenrechte entsteht hier nicht beim Bau, sondern beim Betrieb der Kraftwerke. Ähnlich bei Atomkraftwerken, nur heißt der Rohstoff hier Uran.

Von einer Abkehr von der globalen Energiewende will deshalb auch Misereor nichts wissen, ganz im Gegenteil. "Das Ziel der Studie ist nicht, die Energiewende in irgendeiner Form in Frage zu stellen", heißt es ausdrücklich. Nur müsse man sich auch den Folgen des Booms stellen. Die Studie zeige, dass sich Hersteller und Zulieferer der Ökostromanlagen noch mehr anstrengen müssten, sagt Misereor-Chef Pirmin Spiegel. So brauche es mehr Transparenz, was die Herkunft der Rohstoffe angehe - und damit auch die Bedingungen ihres Abbaus. "Damit erneuerbare Energien auch wirklich 'sauberen' Strom liefern", sagt Spiegel, "muss auch die Rohstoffbeschaffung frei von Menschenrechtsverletzungen sein."

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