Stromvergleichsportal:Vergleichsportal lässt Energiemarkt zittern

Neue Höchstspannungsleitung in Betrieb genommen

Bei Strom und Gas können Kunden Hunderte Euro sparen - doch viele sind zu träge. Die Energieversorger verdienen bislang gut daran.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Das Vergleichsportal Verivox fährt eine neue Attacke auf dem umkämpften Markt für Strom, Gas und andere Dienstleistungen.
  • Das Unternehmen führt einen sogenannten Tarifwechsel-Service ein, der Kunden die komplette Verwaltung ihrer Verträge abnimmt.
  • Damit verunsichert das Unternehmen die Energieversorger. Denn die kalkulieren bislang ganz bewusst mit den trägen Kunden.

Von Jan Schmidbauer

Für die Kunden war es eine ausgesprochen gute Nachricht, als Deutschland vor 18 Jahren den Strommarkt öffnete. Die regionalen Monopole von Energiekonzernen und Vor-Ort-Versorgern wurden abgelöst durch einen bundesweiten Wettbewerb. Ein Kunde aus Stuttgart konnte nun zu einem Versorger aus Schwerin wechseln, wenn dieser einen besseren Preis anbot. Die Vergleichsportale, die schon wenig später aufkamen, machten Wechsel noch einfacher. Doch viele Kunden fühlen sich überfordert von der Flut an Anbietern und Tarifen. Eine zweite Wahrheit ist: Sie sind zu träge und kündigen die Verträge nicht regelmäßig. Ist der Bonus aus dem ersten Jahr weg, wird der Vertrag jedoch oft teuer. Energieversorger verdienen mit solchen Kunden dann besonders viel Geld.

Doch nun könnte neue Bewegung in den Markt kommen. Verivox, eines der großen Portale, greift solche Geschäftsmodelle mit einem neuen Angebot an. Wer es bucht, soll seine Verträge nicht mehr im Blick behalten müssen. Verivox erinnert die Kunden an den Wechsel und schlägt billigere Tarife vor, die der Kunde am Telefon abschließen kann. Das Portal spricht von einer Beratung, "die dem Kunden alle Formalitäten abnimmt". Neben Strom und Gas schließt das Angebot auch die Kfz-Versicherung und DSL ein. Der Extraservice kostet 30 Euro im Jahr. Im Gegenzug garantiert Verivox mindestens 250 Euro Ersparnis im ersten und 100 Euro in den Folgejahren. Klappt das nicht, bekommt der Kunde die Gebühr zurück. Auch andere Tarife, etwa Ökostrom, sollen wählbar sein.

Verivox, das seit vergangenem Jahr mehrheitlich zu Pro Sieben Sat 1 gehört, hat 2014 etwa 56 Millionen Euro umgesetzt und einen Gewinn von knapp zehn Millionen Euro ausgewiesen. Das Portal verdient Geld, wenn der Anbieter für vermittelte Verträge eine Provision zahlt. Bei Strom und Gas sind es bis zu 80 Euro, heißt es in der Branche. Unter Verbraucherschützern hat das Unternehmen allerdings nicht nur Freunde. Für den Kunden sei wegen der Provisionen oft nicht zu erkennen, ob die Ranglisten objektiv sind, kritisieren Beobachter. Ein Beispiel: Auf dem obersten Platz findet sich bei Verivox nicht immer der günstigste Anbieter, sondern die bezahlte Anzeige eines teureren Tarifs.

Auch Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gehört zu den regelmäßigen Kritikern. Doch nun spricht er von einer "Hammernachricht". Zumindest den Energiemarkt könnte das neue Angebot kräftig durchrütteln, sagt er. Dort ist das Portal nach eigenen Angaben Marktführer. Das Geschäftsmodell vieler Anbieter funktioniere bislang nur, "weil Kunden zu träge oder zu gutgläubig sind", sagt Sieverding. Wenn ein Portal die Kunden nun an den Wechsel erinnert, würde sich das Problem erübrigen. Für die Kunden also eine gute Nachricht.

Doch Sieverding hat auch Bedenken, etwa was die Transparenz angeht: "Die Kunden kriegen nun noch weniger mit, was Verivox an ihnen verdient", sagt er. Das Portal garantiere zwar eine Ersparnis, aber nicht den besten Preis. Die Kunden könnten daher nicht erkennen, ob die Angebote wirklich unabhängig sind. Für "nicht akzeptabel" hält er auch die AGB. Verivox könne sein Angebot "jederzeit ändern oder sogar ganz einstellen". Ein weiteres Problem: der Datenschutz. Schon jetzt hätten viele Portale eine echte "Sammelwut". Und durch ein gebündeltes Angebot für Energie, Versicherungen und Internet würde das Portal noch mehr Daten bekommen.

Ein Drittel der Kunden steckt noch in der teuren Grundversorgung

Verivox ist bislang das größte Portal, das seinen Kunden die Verwaltung der Tarife abnehmen will. Die Idee hatten allerdings vor ihnen schon Start-ups. Bereits seit zwei Jahren bietet die Firma Switchup einen ähnlichen Service an. Auch Cheapenergy 24 aus Augsburg führte im vergangenen Jahr einen Wechselservice ein. Benjamin Reichenbach, einer der Geschäftsführer, grenzt sich von anderen Anbietern ab: "Wir sind vollkommen transparent", sagt er. Cheapenergy 24 finanziere sich bewusst nicht durch Provisionen der Anbieter. Das Unternehmen behält stattdessen einen Teil der Ersparnis ein, die der Kunde mit dem Wechsel erreicht. Im ersten Jahr will das Start-up immerhin einen Anteil von 30 Prozent abhaben.

Reichenbach ist verwundert über den Vorstoß des mächtigen Konkurrenten. "Ich frage mich, wie Verivox das gegenüber den Anbietern rechtfertigen will", sagt er. Schließlich lebe es von den Provisionen der Partner.

Bei ständigen Wechseln, "passt die Kalkulation hinten und vorne nicht mehr"

Maik Neubauer, Deutschland-Geschäftsführer von Shell Privatenergie, ist so ein Partner. Sein Unternehmen ist seit einem Jahr am Markt für Strom und Gas vertreten - auch über Verivox. Er sagt: "Bei den schmerzhaften Wechselboni und Provisionen auf den Vergleichsportalen dauert es über zwei Jahre, bis Versorger einen kleinen Gewinn mit einem Kunden machen können." Im Klartext: Für die Anbieter lohnt es sich nicht mehr, wenn die Kunden ständig wechseln sollten. "Wenn Verivox dieses Modell radikal umsetzt, werden viele Anbieter ihr Engagement überdenken", sagt Neubauer. Das gelte besonders für Billiganbieter.

Verivox hält die Sorgen für unbegründet. Das neue Angebot sei "ausdrücklich kein automatischer Wechselservice". Kunden würden nicht zum Wechseln gezwungen. Verivox-Chef Chris Öhlund sagt aber auch: "Wir müssen uns an dem ausrichten, was der Kunde will." Sonst mache das eben ein anderer. Das Angebot richte sich "an ein komplett neues Kundensegment". Es sei für die "unsicheren" Verbraucher gedacht, die noch nie gewechselt haben und nicht selbständig wechseln wollen.

Dass solche Kunden eine vielversprechende Zielgruppe sind, belegen Zahlen der Bundesnetzagentur: Etwa ein Drittel der Haushalte steckt noch in der teuren Grundversorgung. Diese Kunden will Verivox nach eigenem Bekunden erreichen.

Ob die Beschwichtigung des Vergleichsportals die Partner überzeugen wird, ist offen. "Wir kennen das neue Angebot und beobachten das jetzt genau", heißt es im Umfeld eines großen Versorgers. Denn sollten Portale die Kunden ständig zum Wechseln animieren, "passt die Kalkulation der Tarife hinten und vorne nicht mehr."

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